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B-Real von Cypress Hill beim Nova-Rock-Festival am 11. Juni 2016 im österreichischen Nickelsdorf.
© AFP

Cypress Hill in Berlin: Endlich wieder reinen Gewissens high sein

Ein Auftritt ganz im Zeichen der Hanfpflanze: Die Hip-Hop-Band Cypress Hill fordert auf dem Zitadellengelände in Spandau mal wieder die Legalisierung - vor durchaus jünglichem Publikum.

Man stelle sich vor, Cannabis gebe es inzwischen an jeder Ecke zu kaufen, so wie Zigaretten und Alkohol. Ob die aus Los Angeles stammende Hip–Hop-Band Cypress Hill dann auch noch gänzlich unironisch skandieren könnte: „Legalize it, Cypress Hill will advertise it.“?

Das haben sie nämlich am Montagabend wieder getan, bei ihrem Auftritt auf dem Zitadellengelände in Spandau, der auf wie vor der Bühne ganz im Zeichen der Hanfpflanze und ihrer berauschenden Wirkungen stand: mit Stücken wie „I wanna get high“, „Everybody must get stoned“ oder „Insane in the brain“, und mit wahlweise dicken oder schlanken Joints im Publikum.

Die Wurzeln der Band sind kubanische und mexikanische

Seit einem Vierteljahrhundert feiern Cypress Hill den Marihuana-Rausch und fordern die Legalisierung des Gebrauchs der Pflanze. Auch wenn das thematisch ein wenig eingeschränkt ist, gerade über so eine lange Zeit, so ist ihr typischer Sound mit den schlackernd-scheppernden Beats und den nasalen Raps ihrer MCs B-Real und Sen-Dog doch zu einer Marke geworden, insbesondere in den neunziger Jahren. Alben wie ihr gleichnamiges Debüt, der Nachfolger „Black Sunday“ oder „IV“ gehören zu Klassikern des Hip-Hops. Das ist umso bemerkenswerter, als dass die Mitglieder der Band keine afroamerikanischen Wurzeln haben, sondern mexikanische (B-Real), kubanische (Sen-Dog) und italienische (DJ Muggs).

Was Cypress Hill jedoch der Hip-Hop-Gemeinde suspekt gemacht hat: Ihre Auftritte beim Alternative-Rock-Festival Lollapalooza, überhaupt ihr Liebäugeln mit Rock und Metal, die Zusammenarbeit mit Musikern von Bands wie Rage Against The Machine oder den Deftones. Der zweite Teil des Cypress-Hill-Albums „Skull & Bones“ aus dem Jahr 2000 klingt wie ein New-Metal-Medley.

Das durchaus jüngliche Publikum in der Zitadelle sieht dann auch mehr nach Rock aus, mit all den Verfeinerungen aus den jeweiligen Subszenen. Käppis, Kapuzenpullis und Skater-Hosen dominieren, nur die Biker-Boots haben ausgedient, alle tragen irgendwelche Stoff-und Turnschuhe. Cypress Hill aber haben keinen Gitarristen mitgebracht, nur einen Schlagzeuger, ihre Show ist eine reine Hip-Hop-Show. Allerdings fehlt DJ Muggs an den Plattentellern und Programmreglern, was den Stammrappern Sen-Dog und B-Real aber nichts auszumachen scheint. Mit viel Insbrunst lassen sie an dessen Stelle mit den „weltberühmten“ Julio T. hochleben lassen. Huuulio wer?

Ein Tex-Mex-Hip-Hop-Stück wie „Tequila Sunrise“ geht immer

Und hoch sollen immer wieder auch die Hände des Publikums: Sen-Dog und B-Real fordern die rechte Seite zum Hüpfen auf, mit einem Sample von House of Pains „Jump“ (ebenfalls so ein Klassiker aus den Neunzigern, ebenfalls von einer weißen Hip-Hop–Band, ebenfalls von Cypress Hill, irgendwie, DJ Muggs produzierte das Debüt von House of Pain), dann die linke Seite, mit Nirvanas „Smells Like Teen Spirit“. Gewinnen tut, wer hätte das gedacht?, keine Seiten, sondern schlicht und einfach die neunziger Jahre.

Trotzdem hört sich das Ganze frisch an, der Tex-Mex-Hip-Hop-Hit „Tequila Sunrise“ geht halt immer, "auch "Boom Biddy Bye Bye", die Kifferstücke sowieso. Da spielt es keine Rolle, dass Cypress Hill rein poptechnisch eigentlich schon Dinosaurier sind. In den nuller und zehner Jahren veröffentlichten sie nur unregelmäßig Alben, abermals Rock-, zudem Reggae-beeinflusste, aber durch die Bank gute, hörenswerte.

Am Ende kündigen sie ein neues Album an und spielen zwei eher rocklastige Tracks: das Titelstück ihres letzten Albums „Rise Up“ und „(Rock) Superstar." Was auch heißt: Strictly Hip-Hop muss es in diesem Pop-Leben nicht mehr zugehen. Und historisch dürften Cypress Hill lange nicht werden. Bis Cannabis legalisiert ist, dauert es bestimmt noch weitere 25 Jahre. Soviel Zukunft hat wohl kaum eine Band mit so einem schmalen Themenspektrum.

Gerrit Bartels

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