Konflikt mit Radentscheid in Berlin?: Velo-Chefin Saade macht jetzt PR für den Senat
Die umstrittene Kampagne über die Aktivitäten des Senats soll noch 2016 starten und später ausgeweitet werden. Den Auftrag bekam eine Berliner Agentur.
Der Auftrag für die umstrittene PR-Kampagne, mit der der Senat das Radfahren in Berlin propagieren will, ist vergeben. Wobei die Gewinnerin des Auftrages, Ulrike Saade mit ihrer Agentur Velokonzept, sagt: „Es ist keine Kampagne. Es geht um Kommunikation.“ Aus Sicht der zahlreichen Kritiker soll dabei eine in Wahrheit mäßige Radverkehrspolitik als Erfolg verkauft werden, um dem inzwischen sehr erfolgreich gestarteten Fahrrad-Volksentscheid in den Rücken zu fallen. Saade hält dagegen: „Diese Verbindung zwischen Volksentscheid und Kommunikationslinie gibt es nicht.“ Das hat auch die Stadtentwicklungsverwaltung stets betont. Aber an der auffälligen zeitlichen Nähe ändert das nichts.
„Wir sind doch erfahrene Leute, die alle dem Radfahren positiv gegenüberstehen“, sagt Saade, die auf eine jahrzehntelange Karriere blickt – als Mitgründerin des Fahrradladens Velophil und der Händlergemeinschaft VSF, aber auch als Organisatorin der Fahrradmesse Velo. Sie sehe vieles am Volksentscheid positiv – auch wenn sie dessen Ziele teilweise für unrealistisch hält, insbesondere die in Kilometern angegebenen Infrastruktur-Neubauten.
Den PR-Auftrag jetzt habe sie gemeinsam mit Green City Projekt erhalten – also mit jener Münchner Agentur, die bereits im Juni 2015 und damit vor dem Start des Volksbegehrens im regelmäßig tagenden Berlin Fachgremium FahrRat ihre Arbeit aus anderen Städten präsentiert habe. Daraus sei der Wunsch entstanden: „Das wollen wir hier auch.“
Der Auftrag, den Saade erhalten hat, ist zweiteilig: Zum einen sollen noch 2016 alle Aktivitäten für den Radverkehr breit und unter einheitlichem Label „im Corporate Design“ des Senats präsentiert und kommuniziert werden. Zum anderen soll Velokonzept eine weitere Ausschreibung erarbeiten, nach der bis zu fünf Agenturen gegen Honorar ihre Konzepte präsentieren, mit denen sie den Radverkehr und die Verwaltungsarbeit dafür schmackhaft machen. Ein vom Senat zu kürender Sieger soll dann das Destillat dieser Vorauswahl zu einer mehrjährigen Strategie samt „Dachmarke mit hohem Wiedererkennungswert“ ausbauen, die sich an Fachpublikum und Bürger wendet.
„Der kurzfristige Teil der Kampagne bespielt also den Wahlkampf mit verkehrspolitischer PR für den SPD-geführten Senat. Und der zweite Teil fährt hoch, wenn wir nächstes Jahr unsere 180 000 Unterschriften sammeln müssen“, kommentiert Heinrich Strößenreuther, Initiator des Rad-Entscheids, das Paket. „Das ist meine böswillige Interpretation.“
Etwas freundlicher, aber inhaltlich ähnlich formulieren das auch andere Fachleute. „Ich finde nicht, dass man diesen Auftrag guten Gewissens übernehmen kann“, sagt ein langjähriger hauptberuflicher Radverkehrsexperte. „Velokonzept hängt sich in den letzten Jahren an vieles ran, aber setzt keine eigenen Akzente mehr.“ Der Lobbyist Nikolaus Huss sagt: „Ich finde es ein bisschen absurd, so zu tun, als wäre die Sache unabhängig vom Volksentscheid.“ Huss hatte sich mit seiner Beratungsagentur – ein Schwerpunkt: Krisen-PR – vergeblich um den Auftrag beworben. Eine Senatskampagne zu innovativem Verkehr in der Stadt insgesamt hätte der Verwaltung den Vorwurf der Gegen-PR erspart, sagt er.
Zum Budget für den Auftrag äußerte sich die Verkehrsverwaltung am Montag auf Nachfrage nicht. Einig sind sich die Kritiker, dass eine Senatskampagne den Volksentscheid nicht mehr bremsen wird. Andrea Reidl aus Hamburg, die dem Radverkehrsbeirat des Bundesverkehrsministeriums angehört und zu den renommiertesten Fachjournalisten zählt, sagt: „Ich glaube, dass der Fahrrad-Volksentscheid richtungsweisend wird für Deutschland. Wenn die in Berlin durchkommen, wird das einen Schneeballeffekt auslösen.“