Nato-Operation in Osteuropa: US-Soldaten fahren durch Brandenburg
Ab Frühjahr werden wieder Tausende amerikanische Soldaten durch Brandenburg fahren. Die US-Armee will diesmal auf die Bevölkerung zugehen. Doch Ministerpräsident Woidke tut sich schwer damit.
US-amerikanische Truppen werden bald häufiger durch Brandenburg fahren. GIs auf Lastwagen, schweres Gerät, Panzer auf Zügen und Schwertransporten. Doch der Polenbeauftragte der Bundesregierung, Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), hat immer noch wenig übrig für die Verbündeten. Nicht einmal, wenn die US-Truppen nun selbst auf die Menschen in Brandenburg zugehen wollen.
Der Grund für die Truppenbewegungen: Nachdem Russland völkerrechtswidrig die Krim besetzt hat, Krieg in der Ostukraine führt, massive Truppenverbände an der Westgrenze zusammengezogen hat, wächst die Angst in Osteuropa – vor allem in Polen und in den baltischen Staaten – vor neuen Aggressionen Moskaus.
Deshalb hat die Nato, das westliche Verteidigungsbündnis, in Polen und in den baltischen Staaten mit ihrer Operation „Enhanced Forward Presence“ 4000 Soldaten stationiert, darunter auch deutsche und US-amerikanische. Daneben läuft eine eigene US-Operation „Atlantic Resolve“ für die Nato-Verbündeten in Osteuropa mit weiteren 4000 Soldaten.
US-Soldaten auf dem Weg nach Osteuropa
Für Verteidigungsexperten in der Bundespolitik, aber auch in der Bundeswehr ist klar: Die beiden Kontingente sind vor allem ein Zeichen der Solidarität für die Verbündeten in Osteuropa – mehr aber auch nicht. Angesichts des Aufrüstens auf russischer Seite wären die zusätzlichen US- und Nato-Soldaten im Ernstfall militärisch nicht mehr als ein Stolperdraht, so die Meinung.
Im Oktober 2017 waren eine Brigade aus Kansas und eine Fliegerstaffel aus Texas nach Europa verlegt worden, militärisches Gerät war über Bremerhaven und Danzig eingeschifft worden. Doch alle neun Monate werden die US-Truppen ausgetauscht.
Deshalb sollen im Frühling/Sommer 2018 rund 3000 US-Soldaten und knapp 1000 Fahrzeuge sowie etwa 85 Panzer über Straße und Schiene nach Osteuropa bewegt werden. Davon wird auch Brandenburg betroffen sein.
Ausgerechnet das Gebiet um das einst geteilte Berlin, in dem so viel Militär – Sowjetarmee und Nationale Volksarmee (NVA) – stand wie in kaum einer anderen Region der früheren DDR. Wo die Menschen sich noch gut erinnern an die frühmilitärische Ausbildung sogar an den Schulen.
Party in Polen, Skepsis in Ostdeutschland
Während die US-amerikanischen Truppen in Polen auf den Marktplätzen geradezu bejubelt werden, Kinder sich mit Soldaten fotografieren lassen und auf die Humvee-Geländewagen steigen dürfen, herrscht in Ostdeutschland Skepsis. Es gibt offenkundig einen tief verwurzelten Antiamerikanismus.
Das ist auch den Amerikanern bewusst. Deshalb wollen sie nun verstärkt auf die Ostdeutschen zugehen und in Kontakt treten. Sagt jedenfalls Colonel Kathleen T. Turner, Sprecherin der US Army in Europa. Möglich seien Konzerte von Militärbands, Besuche in Städten und Gemeinden, um Vorurteile und Ängste abzubauen.
Dietmar Woidke kann damit nichts anfangen. Brandenburgs Ministerpräsident reagierte irritiert auf die Frage, ob es nicht Zeit wäre, bei solchen Anlässen US-amerikanische Soldaten willkommen zu heißen – auch vor dem historischen Hintergrund der Rolle der US-Soldaten im Zweiten Weltkrieg, die mit vielen Opfern dazu beitrugen, dass auch die Brandenburger heute in Freiheit leben können.
Woidke will die US-Truppen, wenn sie in Brandenburg Station machen, um mit den Bürgern ins Gespräch zu kommen, jedenfalls nicht begrüßen. „Ich werde nicht winkend am Wegesrand stehen“, sagte er kürzlich. Er werde auch nicht auf einen Abrams-Panzer klettern.
Vielmehr wiederholte Woidke seine vor einem Jahr geäußerte Kritik: „Ich glaube, dass es uns auf Dauer nicht weiterhilft, wenn Panzer auf beiden Seiten der Grenze auf und ab fahren.“
Woidke fordert Dialog mit Russland
Mit diesem Satz hatte Woidke vor einem Jahr viel Empörung ausgelöst, auch international. Der Nato-Partner Litauen hatte sich offiziell irritiert gezeigt. Weil Linkspartei und AfD gegen die US-Truppen protestierten, der AfD-Politiker Alexander Gauland sogar Woidkes Position teilte, warnten die Grünen sogar vor einer neuen „Querfront zwischen links und rechts“ in der Ablehnung der Nato und in einer „Blauäugigkeit in Bezug auf Putins Russland“.
Woidke aber teilt dabei eher die Position von namhaften SPD-Politikern wie Außenminister Sigmar Gabriel oder Ex-Ministerpräsident Matthias Platzeck, der Vorsitzender des Deutsch-Russischen Forums ist und mit seinen Äußerungen zu Russland immer wieder Kopfschütteln ausgelöst hat. Woidke sagte nun: „Wir brauchen dringend den Dialog.“
Die Bundesrepublik sei in besonderer Weise gefordert, mit Russland im Gespräch zu bleiben, dafür werde er sich weiter einsetzen. Er erinnerte daran, dass die deutsche Einheit ohne die damalige Zustimmung der Sowjetunion nicht zustande gekommen wäre. „Das wird mir in dieser Situation zu schnell vergessen.“ Dabei ergebe sich daraus „bis heute eine besondere Verpflichtung für Deutschland“.
Über die besondere Verantwortung Deutschlands gegenüber den Partnern des westlichen Verteidigungsbündnisses in Osteuropa sprach Woidke nicht.
Seit 20 Jahren keine deutschen Truppentransporte
Nicht nur die US-Armee, auch die Bundeswehr will künftig auf die Truppentransporte besser vorbereitet sein und besser informieren. Kurz vor Beginn der Verlegungen ab Frühjahr sollen Einzelheiten bekannt gegeben werden. Oberstleutnant Ludger Terbrüggen, Sprecher der Streitkräftebasis der Bundeswehr, sagt es so: Auch die Bundeswehr, die Kasernen und logistische Hilfe bereitstellt, müsse wieder dazulernen.
Mehr als 20 Jahre habe es keine derartigen Truppentransporte mehr gegeben. Als der US-Politologe Francis Fukuyama nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion das „Ende der Geschichte“ ausrief, den Sieg von Demokratie und Marktwirtschaft, und allseits ein Ende der Ost-West-Konfrontation, ein Zeitalter des Friedens angenommen wurde, sei das auch gar nicht mehr nötig gewesen.
Das ist vorbei. Nun zeigt sich, was es heißt, Teil eines Werte- und Verteidigungsbündnisses zu sein, auch in Brandenburg.