Debatte um Herta Müller in Berlin: Unwürdige Diskussion um Ehrenbürgerschaft
Herta Müller ist Nobelpreisträgerin. Nun wird diskutiert, ob sie Ehrenbürgerin von Berlin werden soll. In den vergangenen Tagen waren Gerüchte aufgetaucht, dass es in der Koalition Widerstand dagegen gebe.
Soll die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller die Ehrenbürgerwürde erhalten? Darüber gibt es heftige Debatten. So hatte der CDU-Abgeordnete Michael Braun berichtet, der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) habe sich gegen eine Aufnahme Müllers in die Ehrenbürgerliste ausgesprochen. Daran gab es in der Kulturszene einige Kritik. Nun meldet sich der CDU-Abgeordnete Uwe Lehmann-Brauns zu Wort. Herta Müller sei „eine hervorragende tapfere Frau“; auch er befürworte ihre Aufnahme in die Liste. Lehmann-Brauns äußert zugleich Zweifel, ob der Antrag seriös genug vorbereitet worden sei. „Einen berühmten Menschen einfach mal vorschlagen, das macht man nicht, das schadet nur“, sagte der CDU-Politiker. „Ich habe den Eindruck, hier wurde naiv vorgegangen.“
Auf Initiative von Lehmann-Brauns war 2007 der Liedermacher und DDR-Dissident Wolf Biermann zum Ehrenbürger ernannt worden. Auch damals hatte es anfänglich aus der SPD Widerstand gegeben; erst nach Intervention aus der Bundespartei und von Wolfgang Thierse hatte der damalige rot-rote Senat zugestimmt. Natürlich gebe es Unterschiede im Engagement für Berlin, sagt Lehmann-Brauns. Biermann habe „Berlin besungen wie kein anderer“, Müller habe „in Siebenbürgen für die Freiheit gekämpft und ihren Kopf hingehalten“. Ihm sei aber nicht bekannt, dass es in der SPD-CDU-Koalition Widerstand gegen eine Ehrung Herta Müllers gebe, weil diese aus der Bürgerrechtsbewegung komme. In den vergangenen Tagen waren solche Vorwürfe laut geworden.
Senat: Keine Stellungnahme vorab
Von Senatsseite hieß es, man äußere sich grundsätzlich nicht im Vorfeld einer Ernennung. „Das Verfahren ist streng vertraulich“, so der stellvertretende Senatssprecher Bernhard Schodrowski. Im Übrigen habe es schon vor Tagen geheißen, die Sache sei noch nicht entschieden. „Der Prozess läuft noch.“ Linken-Parteichef Klaus Lederer gibt zu bedenken: „Wenn der von einer solchen Debatte bewirkte Schaden für die zu ehrende Person größer zu werden droht als die Ehrung, dann stellt sich die Frage, ob die Zeit für solche Würdigungen generell nicht vielleicht vorbei ist.“ Dass Herta Müller eine noble Ehrenbürgerin wäre, betont Ramona Pop. Die Fraktionschefin der Grünen findet aber „die Art unwürdig, wie die Diskussion geführt wird“. Auch sollten verschiedene Auszeichnungen „nicht gegeneinander ausgespielt werden“. Zur Diskussion steht nämlich auch, Müller die Ernst-Reuter-Plakette zu verleihen.
Derzeit gibt es Schodrowski zufolge drei „grundsätzlich sehr würdige“ Auszeichnungen. Den Verdienstorden erhalten jährlich etwa ein Dutzend engagierter Bürger. Die Ernst-Reuter-Plakette für Verdienste in Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur wurde seit 1954 an 183 Träger verliehen, darunter Yehudi Menuhin, Claudio Abbado, Imre Kertész und Daniel Barenboim. Zudem gibt es das Ehrenbürgerrecht als älteste, bedeutendste, seit 1813 verliehene Auszeichnung für „hervorragende“ Verdienste um Berlin.
Bürokratisches Prozedere
Was unterscheidet Verdienste von hervorragenden Verdiensten? Vor allem das Prozedere ist anders. Das Entscheidungsrecht für die Plakette liegt beim fachlich zuständigen Senatsmitglied, der Bürgermeister und Senat stimmen zu. Ehrenbürger werden von Landes- oder Bezirkspolitikern vorgeschlagen, dann entscheidet der Senat, im Einvernehmen mit dem Abgeordnetenhaus. 116 Ehrenbürger zählt Berlin, Politiker wie Adenauer, Brandt, von Weizsäcker und George Bush, Kulturschaffende wie Marlene Dietrich, Karajan und der Kunstmäzen Heinz Berggruen.
Eine verwirrende Sache. Der Sänger Dietrich Fischer-Dieskau und Heinz Galinski, einst Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, erhielten beides, Weltstars wie Sir Simon Rattle oder Literaturnobelpreisträger Günter Grass besitzen bislang weder die Ernst-Reuter-Plakette noch die Ehrenbürgerschaft.
Klar ist aber eines: Dass Herta Müller nicht Gegenstand solch unehrenhafter Debatten sein möchte, bestätigt jeder, der die Schriftstellerin näher kennt.
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