Massive Schäden: Unwetter trafen Kaskelkiez in Lichtenberg am heftigsten
Riesige Löcher in den Gehwegen, volle Keller, eine überschwemmte Kita: Warum sind die Gewitterschäden östlich des Ostkreuzes so immens?
Am Donnerstagvormittag ist die Kreuzung zwischen Pfarrstraße und Kaskelstraße noch immer gesperrt: "Hier war die Lage während der Unwetter so schlimm wie nirgendwo sonst in der Stadt", sagt Feuerwehrsprecher Jens-Peter Wilke zum Tagesspiegel. Auf Fotos aus der Gegend östlich des Ostkreuzes sind Löcher im Gehweg zu sehen, die über einen Meter tief sind und zum Teil unterirdische Rohre freigelegen.
"In der Nacht zu Mittwoch standen im Kaskelkiez mehrere Straßenzüge kniehoch unter Wasser, auch eine Laubenkolonie ist vollgelaufen", schildert Wilke. "Gehwegplatten sackten weg, die Kanalisation konnte kein Wasser mehr fassen." Mit rund 30 Einsatzkräften war die Feuerwehr noch bis Mittwochabend vor Ort.
Eine Mitarbeiterin des Bioladens in der Kaskelstraße erzählt: "Auch der Keller unseres Geschäfts stand unter Wasser und wir haben dort einen Schaden." Seit Mittwochmorgen stünden auf der Straße vor etlichen Häusern Einrichtungsgegenstände zum Trocknen.
Jede Vorstellungskraft übertrafen auch die Schäden in der Elterninitiativ-Kindertagesstätte „Sonnenbogen“ an der Pfarrstraße. In beiden als Lager genutzten Kellerräumen schwappte das Wasser bis unter die Decke, in den Gruppenräumen im Parterre stand die Flut bis zu dreißig Zentimeter hoch, die liebevoll alljährlich mit Naturöl behandelten Holzdielen waren aufgequollen, Möbel waren durchnässt, und im Garten hinter dem Haus war ein von Eltern gebautes Spielpodest regelrecht davongeschwommen.
Die Kita-Eltern rissen alle Bodendielen heraus
Pascal Engel vom Vorstand des Elternvereins eilte noch während des Unwetters gegen drei Uhr früh zur Kita. Den ersten Schock beschreibt er drastisch: „In der Straße schwammen die Autos, einfach gruselig!“ Um „zu retten, was zu retten ist“, rissen die Eltern in der ersten Hoffnung die Holzböden komplett heraus. Zumindest der Estrich sollte darunter wieder trocknen. Die Schäden an den Möbeln erschienen erträglich.
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Aber das kleine bisschen Optimismus zerstob offenbar rasch, nachdem ein Gutachter das Haus besichtigt hatte. Nun müssten sie damit rechnen, dass ihre Räume mindestens ein halbes Jahr nicht genutzt werden könnten, sagt Pascal Engel. Möglicherweise seien aufwändige Arbeiten nötig, müssten Heizung und Elektrik komplett erneuert und die geschädigten Grundmauern saniert werden. Wohin bis dahin mit den Kindern? Seit Mittwoch improvisieren die Eltern, mal stellten Paare ihre Wohnungen zur Verfügung, mal zogen die Gruppen auf einen Spielplatz. Schatten über der Kita „Sonnenbogen“ – sie wird zum Notfall. Die meist berufstätigen Eltern machen sich große Sorgen, wie es weitergeht. „Wir müssen wohl dringend Ersatzräume finden“, sagt Pascal Engel.
Wasserbetriebe rätseln über die Ursache
Die Berliner Wasserbetriebe haben noch keine abschließende Antwort darauf, warum das Wasser im Kaskelkiez so schlecht ablief. "Unsere Experten sind seit zwei Tagen vor Ort, um die Ursache zu finden", sagt Stephan Natz, Sprecher der Berliner Wasserbetriebe. Von oben kann das ganze Wasser - Autos standen bis zu den Scheinwerfern unter Wasser - aber nicht gekommen sein, sagt Natz. Die Kanalisation sei wahrscheinlich übergelaufen.
"Zwar war der Regen stark, etwa 20 bis 30 Liter pro Quadratmeter fielen im Osten der Stadt", sagt er. "Für eine solche Überschwemmung hätten aber mehr als 100 Liter fallen müssen." Das spreche dafür, dass das Wasser von unten hochkam.
Auch die großen Löcher in den Gehwegen geben den Wasserbetrieben Rätsel auf. "Die Steine sind abgesackt, weil das Wasser Erde und Sand darunter weggespült hat", sagt Natz. "Wir wissen allerdings bisher nicht, wohin."
Direkt unter der Pfarrstraße verläuft der sogenannte Ruschegraben: einer von zwei riesigen Kanälen, die Regenwasser aus Lichtenberg und Marzahn in die Spree leiten. "Den Kanal inspizieren wir nun eingehend", sagt Stephan Natz.
Für den zweiten Kanal, den Kuhgraben, der von der Kaskelstraße in die nördliche Pfarrstraße fließt, ist das Land Berlin zuständig. Man werde sich hier mit den entsprechenden Behörden in Verbindung setzen, sagt Natz. Einer der beiden Kanäle dürfte übergelaufen sein. Betroffene sollen die ihnen entstandenen Schäden auflisten, sagt er. Sollte sich herausstellen, dass der Ruschegraben das Problem gewesen ist, müssen sich die Betroffenen an die Rechtsabteilung der Wasserbetriebe wenden.
Auch an anderen Stellen in der Stadt habe die Kanalisation die Wassermassen nicht mehr fassen können, berichtet der Sprecher. Ebenfalls in Friedrichshain, in der Nähe des Radialsystems, flossen rund 48.000 Kubikmeter Schmutzwasser in die Spree. Der meiste Regen fiel mit etwa 60 Litern pro Quadratmeter in Zehlendorf. In Grünau und Köpenick hingegen kamen weniger als 5 Liter pro Quadratmeter vom Himmel.