Franz-von-Mendelssohn-Medaille: Unternehmen soziales Berlin
Die Franz-von-Mendelssohn-Medaille, eine Ehrung für gesellschaftlich engagierte Betriebe, wird 2014 zum zehnten Mal ausgelobt. Stephan Schwarz und Eric Schweitzer, die Chefs von Handwerkskammer und IHK, erzählen, was der Preis für die Stadt bedeutet.
Es ist ein besonderes Jubiläum des Engagements in Berlin: Zum zehnten Mal wird in diesem Jahr die Franz-von-Mendelssohn-Medaille verliehen, eine Auszeichnung für Unternehmen mit Sitz in Berlin, die sich sozial besonders engagieren. Gestiftet wurde die Ehrung von den Präsidenten der Handwerkskammer und der Industrie- und Handelskammer, Stephan Schwarz und Eric Schweitzer. Sie loben aus ihrer privaten Schatulle das Preisgeld von 10 000 Euro aus, das in drei Summen zu 5000, 3000 und 2000 Euro aufgeteilt wird. Zusätzlich gibt es einen undotierten „Corporate Social Responsibilty (CSR)“-Sonderpreis.
Die Würdigungen werden am 23. September in der Mendelssohn-Remise am Gendarmenmarkt, einem Veranstaltungs- und Ausstellungssaal, der durch ehrenamtliches Engagement getragen wird, überreicht. Musikalisch gestaltet wird die Feier durch den „MendelssohnKammerChor Berlin“.
Der Tagesspiegel ist auch in diesem Jahr wieder Medienpartner – und hat zum Auftakt des gesellschaftlichen Wettstreits mit den Initiatoren des Preises gesprochen.
Die von Ihnen beiden gestiftete Mendelssohn-Medaille wird in diesem Jahr zum zehnten Mal ausgeschrieben – was für eine Bilanz ziehen Sie im Rückblick?
Schwarz: Eine durchweg positive. Wir haben nicht nur viele Betriebe zum Mitmachen animieren können, sondern haben es ebenso geschafft, das soziale Engagement der Betriebe in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken.
Schweitzer: Und damit haben wir auch schon eines der Ziele erreicht: auf solche Unternehmen aufmerksam zu machen, denn das ist uns wichtig. Die Unternehmen tun jedes Jahr etwas Besonderes und tragen durch Kreativität und Engagement einen großen Teil für den sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft bei. Die Unternehmer sind eines der wenigen verbliebenen Vorbilder: Sie sorgen für sich selbst als Unternehmer und beteiligen darüber hinaus andere an ihrem Erfolg.
Was hatten Sie erwartet, als Sie beschlossen, sozial engagierte Unternehmer auszuzeichnen? Ermutigung? Anschub, mehr zu tun? Ein Beispiel setzen?
Schweitzer: Es gab jede Menge verschiedene Motive – aber um es auf den Punkt zu bringen: Unternehmer und ihre Mitarbeiter, die etwas leisten, sollten damit in die Öffentlichkeit gehen und andere Betriebe ermutigen, sich ebenfalls zu engagieren oder über ihr Engagement zu sprechen.
Schwarz: Soziales Interesse sollte sichtbarer gemacht werden. Berlin ist eine Stadt, in der es unzählige Möglichkeiten gibt, sich zu engagieren. Mit der Mendelssohn-Medaille sollte auch darauf aufmerksam gemacht werden.
Wenn Sie die Bewerbungen der zurückliegenden neun Jahre bewerten, hat Sie etwas überrascht? Und hat sich an der Struktur der Bewerber, an der Art ihres Engagements im Lauf der Zeit etwas geändert?
Schweitzer: Vor wenigen Jahren hieß es noch, dass die Berliner Unternehmen „Luft nach oben“ hätten, wenn es um soziales Engagement geht. Wenn ich mich recht erinnere, kamen diese Worte sogar aus dem Mund meines Kollegen Schwarz. Betrachtet man jedoch die heutige Lage oder misst man die „Luft“, kann man nicht nur beobachten, dass die Beteiligung immer größer geworden ist, sondern auch, dass sich die Bandbreite des Engagements durchaus verändert hat.
Schwarz: Selbstverständlich zum Positiven, Eric. Besonders die Vielfalt der Engagements und die grenzenlose Ideenvielfalt, wenn es darum geht zu helfen, beeindruckt jedes Jahr aufs Neue. Von der Unterstützung eines Sportvereins über Gratisessen für Schulen und Kitas, bis hin zu praktischer Nachbarschaftshilfe – der Raum für soziales Engagement wächst und wächst.
Hat die Auslobung der Mendelssohn-Medaille so etwas wie einen Schneeballeffekt gehabt? Engagieren sich heute mehr Unternehmen sozial, weil Sie als die Präsidenten von Handwerkskammer und IHK das quasi als Zielvorstellung beschreiben?
Schweitzer: So weit würde ich nicht gehen. Da es keine konkrete Zielvorstellung gibt, liegt das soziale Engagement der Betriebe auch nicht in unserer Hand. Schließlich ist das Thema für viele Unternehmen ohnehin selbstverständlich – allein die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Tatsache, dass Sie Rückgrat für unseren Wohlstand sind, bestätigt dies. Jedoch haben wir es mit der Auszeichnung geschafft, Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken Die Mendelssohn-Medaille soll die Betriebe anregen, sich ihres Engagements bewusster zu werden, es auszubauen und es auch zu kommunizieren.
Schwarz: Schon in den ersten Jahren haben sich bereits viele Unternehmen beworben, was uns gezeigt hat, dass diese Auszeichnung durchaus ankommt bei den Berliner Unternehmen.
Heute nennen wir ja etwas hochtrabend Corporate Social Responsability, CSR, was viele gerade kleinere Unternehmen in ihrer unmittelbaren Umgebung auch schon früher praktiziert haben. Ist das nun nur ein neuer Name für eine alte Tugend, oder hat sich doch etwas geändert?
Schwarz: Das Leitbild des „ehrbaren Kaufmanns“ gab es schon lang, bevor der Begriff „CSR“ aus den USA zu uns rüberschwappte. Geändert hat sich demnach nicht wirklich etwas. Viele Berliner Unternehmen engagieren sich schon lange, ohne in die Öffentlichkeit zu treten, weil soziales Engagement schon lange eine Selbstverständlichkeit für sie ist.
Schweitzer: Richtig, ein neuer Name für eine alte Tugend – aber neue Namen bringen auch neue Aufmerksamkeit.
Was bewirkt soziales Engagement im Unternehmen selbst? Stärkt es das Zusammengehörigkeitsgefühl?
Schwarz: Zweifellos wird das Zusammengehörigkeitsgefühl dadurch gestärkt. Anders würde es solch einen Preis auch nicht geben können – wenn Menschen sich sozial einsetzen, gehört immer eine große Portion Zusammengehörigkeitsgefühl dazu. Wenn man etwas als Team auf die Beine stellt, ist das nicht nur ein gutes Gefühl, sondern macht einen auch sehr stolz.
„Viele Unternehmen sind engagiert, zeigen es aber nicht vor“
Sind sozial engagierte Unternehmen auch am Markt erfolgreicher? Tun sie sich zum Beispiel leichter, Fachkräfte zu finden? Hat die Berichterstattung über soziales Engagement einen positiven Imageeffekt?
Schweitzer: Sicherlich ist soziales Engagement zuerst einmal imagefördernd. Das ist zwar nicht Kern der Auszeichnung, für die Unternehmen jedoch zweifelsohne ein netter Beigeschmack.
Schwarz: Ein gutes Image kann ja auch nie schaden. Bei der Auszeichnung geht es vielmehr darum, der Öffentlichkeit zu zeigen, was Berliner Unternehmen alles tun, um Missstände in unserer Stadt zu beheben – ohne gleich nach der Politik zu rufen. Ob die Betriebe dadurch auch leichter Fachkräfte finden, wird von uns nicht erhoben.
Was machen eigentlich die in der Vergangenheit ausgezeichneten Unternehmen mit den Preisgeldern? Haben Sie da einen Überblick, oder berichten Ihnen die Preisträger vielleicht gar nach ein, zwei Jahren, was die Mendelssohn-Medaille bewirkt hat?
Schweitzer: Wir haben von vielen Unternehmen erfahren, dass Sie ihre Preisgelder für weitere Projekte genutzt haben, wie zum Bespiel die Unterstützung eines Boxstalles für weitere Trainingsgeräte. Es werden aber gerne auch mal weitere Auszeichnungen mit den Geldern gestiftet. Die Betriebe zeigen bei der Investition ihrer Preisgelder häufig ähnliches Engagement.
Sowohl im sozialistischen Ost-Berlin als auch im alten West-Berlin hat ja staatliche Sozialpolitik eine dominierende Rolle gespielt. Bürgerschaftliches Engagement wurde hier wie dort von der Politik am liebsten gesehen, wenn das Rathaus vorgab, was geschehen soll. Wirkt das heute noch nach? Tun sich Berliner Unternehmen schwerer als die zum Beispiel im Süden und Südwesten der Republik, sich sozial zu engagieren?
Schwarz: Vielleicht tun sich Berliner Unternehmen schwerer, mit ihrem Engagement an die Öffentlichkeit zu treten. Ich glaube aber nicht, dass sich Berliner Unternehmer weniger engagieren als ihre Kollegen in anderen Bundesländern.
Hatten Sie im Laufe der Jahre einmal den Gedanken, die Bedingungen oder Anforderungen für die Bewerbung um die Mendelssohn-Medaille zu erweitern oder zu ändern?
Schwarz: Wir haben bereits leicht modifiziert, indem wir auch einen Sonderpreis für ein CSR-Gesamtkonzept verleihen. Da aber der Grundgedanke der gleiche geblieben ist, haben wir keine Notwendigkeit gesehen, die Modalitäten zu verändern.
Wünschten Sie sich aus einem bestimmten Sektor noch mehr Interesse für soziales Engagement?
Schweitzer: Wir sind sehr zufrieden mit dem, was uns geboten wird. Die Unternehmen geben sich sichtlich Mühe und auch die Vielzahl der Bewerbungen erfreut uns und zeigt uns, dass wir mit dieser Auszeichnung etwas richtig gemacht haben. Schließlich sprechen wir damit die verschiedensten Branchen und Betriebsgrößen an.
Gibt es auch da ,hidden champions’, Unternehmen, die ganz im Stillen wirken? Und wünschen Sie sich, dass deshalb mehr Bewerbungen um die Medaille auch von außen angestoßen werden? Dass Ihnen jemand schreibt: Schaut euch mal die Firma XY an, die machen viele gute Dinge?
Schwarz: Es gibt generell viele Unternehmen – besonders mittelständische Unternehmen, die großes Engagement vorzeigen könnten, es aber nicht tun. Die Möglichkeit, dass Bewerbungen von außerhalb des Unternehmens eingeschickt werden, besteht bereits. Das geschieht auch nicht selten, also nur zu!
Wissen Sie, ob es in anderen deutschen Städten Nachahmer im positiven Sinne gegeben hat, also IHKs und/oder Handwerkskammern, aus denen heraus ebenfalls Medaillen für Unternehmen mit bürgerschaftlichem Engagement gestiftet wurden?
Schweitzer: Es gibt durchaus Auszeichnungen und Preise bei anderen IHKs und Handwerkskammern, die für soziales Engagement verliehen werden. Diese sind zum Teil älter, zum Teil jünger als die Mendelssohn-Medaille. Inwiefern unsere Berliner Auszeichnung dort als Vorbild gedient hat, können wir nicht sagen. Für uns zählen unsere Unternehmen. Für uns zählt in erster Linie Berlin.
Die Fragen stellte Gerd Appenzeller.
- Bis zum 5. September können sich Firmen um die Franz-von-Mendelssohn-Medaille bewerben oder andere vorschlagen. Bewerbungsunterlagen gibt es unter www.ihk-
berlin.de/fvm oder www.hwk-berlin.de/fvm. Anschließend sind diese zu senden an: Regina Kleindienst, Franz-von-Mendelssohn-Kuratorium, c/o IHK Berlin, Fasanenstraße 85, 10623 Berlin, E-Mail: Regina.Kleindienst@Berlin.ihk.de