Waldbrand-Warnsystem in Brandenburg: Unter Feuer: Millionenzuschlag ohne Wettbewerb
Brandenburgs Landesforstbetrieb will das Frühwarnsystem gegen Waldbrände erneuern. Für vier Millionen Euro inklusive EU-Geld. Wettbewerb ist nicht erwünscht.
Es ist Brandenburgs Vorzeigeprojekt: Das Kameraüberwachungssystem, um Waldbrände frühzeitig zu erkennen. Weltweit gibt es Interesse an dem Projekt, Brandenburg ist Hochrisikogebiet. Bei rund 470 Waldbränden waren 2018 in Brandenburg rund 1630 Hektar Wald betroffen, das war seit 1990 laut Landesregierung der bislang höchste Wert. Die Schäden belaufen sich auf mehr als zehn Millionen Euro. Auch das Frühwarnsystem verhinderte Schlimmeres: Auf Masten installierte Kameras registrieren Rauchwolken und schlagen Alarm, der am Bildschirm in den Waldbrandzentralen überprüft wird. Bestätigt sich der Verdacht, wird die Feuerwehr gerufen.
Nun gibt es Streit um das Warnsystem. Und es werden Zweifel am Gebaren des Landesforstbetriebes laut. Es geht um ein Vergabeverfahren, das sogar die Wettbewerbshüter der EU in Brüssel auf den Plan rufen könnte. Per Kabinettsbeschluss hat die Regierung von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) im Juni 2017– im Zuge der später gescheiterten Kreisreform – entschieden, dass die bisherigen sechs Waldbrandzentralen an zwei Standorten im Norden und Süden des Brandenburgs zentralisiert werden sollen. Das erklärte die Staatskanzlei auf Anfrage. Von einer Modernisierung war da keine Rede. Ein Jahr später plötzlich aber doch – warum?
Das System ist 17 Jahr alt - und wird generalüberholt
Entwickelt wurde das System „Firewatch“ vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt und der Firma IQ Wireless, in den Jahren 2002 bis 2007 wurde es landesweit installiert. Lieferant ist das Unternehmen, der Landesforstbetrieb hat es gekauft und verwaltet es. Soweit – so üblich.
Nun soll das mit Steuergeld erworbene und landeseigene System aber nicht nur zentralisiert, sondern auch auf den Stand der Technik gebracht werden. Es ist immerhin schon mehr als 17 Jahre alt. Die Software zur Raucherkennung soll ein Upgrade bekommen, die optischen Sensoren und die IT-Komponenten auf 105 Standorten „modernisiert“ werden. Das von Jörg Vogelsänger (SPD) geführte Agrarministerium beruft sich auf Anfrage auf den Kabinettsbeschluss.
Es geht um viel Geld. Mehr als vier Millionen Euro will sich das Land die Modernisierung kosten lassen. Der Auftrag steht in Verbindung mit einem „Programm, das aus Mitteln der EU finanziert wird“, wie es in den amtlichen Papieren heißt. Ausschreibungen für staatliche Aufträge sind ab mehr als 210.000 Euro nötig. Ausgeschrieben wurde der Auftrag Anfang August 2018.
Vier Millionen Euro - direkte Vergabe ohne Wettbewerb
Auch ein anderes Unternehmen hatte sich für den Auftrag interessiert. Es entwickelt optische Systeme etwa für das Militär oder für die Überwachung von Grenzen. Doch die Ausschreibung des Landesforstbetriebes war so unkonkret, dass es sich nicht imstande sah, ein Angebot samt Kalkulation abzugeben. Es rügte die Ausschreibung, weil sich der Landesbetrieb bereits auf ein Produkt festgelegt hat – nämlich auf Firewatch, das sowieso generalüberholt werden muss.
Der Landesforstbetrieb sah sich wegen der Beschwerde genötigt, das Vergabeverfahren zunächst aufzuheben. Am 19. September 2018 teilte es mit: „Es bestanden schwerwiegende rechtliche Fehler, wie unter anderem die Beschreibung der zu erbringenden Leistungen, die im laufenden Verfahren nicht mehr behoben werden konnten. Wir sahen uns daher zur Aufhebung des Vergabeverfahrens gezwungen. Wegen fortbestehender Beschaffungsabsicht beabsichtigen wir, ein neues Vergabeverfahren einzuleiten.“
Tatsächlich gab es eine neues Verfahren – aber keine Ausschreibung, wie es bei der Summe notwendig gewesen wäre. Der Landesforstbetrieb ist „vom Vorgang des offenen Verfahrens abgewichen“ und hat den Auftrag an die Firma iQ Wireless mit Sitz in Berlin-Adlershof einfach direkt vergeben, per „Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb“. In der Bekanntmachung heißt es: „Das vorhandene System soll im Zeitraum 2018 bis 2020 unter Weiternutzung der vorhandenen Komponenten grundlegend modernisiert werden. Eine vollständige Neubeschaffung ist nicht vorgesehen.“
Firmeneigner war Chefentwickler der Stasi für Agenten- und Abhörtechnik
Nach einer erneuten Beschwerde liegt der Fall nun bei der Vergabekammer des Landes Brandenburg. Eine Entscheidung könnte auch für andere Bundesländer von Belang sein, wo IQ Wireless sein System installiert hat. Die Firma gehört zu einem Drittel einem früheren Stasi-Offizier, der in der DDR Leiter der Abteilung „Operativ-Technischer Sektor“ war, zuständig für die Entwicklung von Agenten- und Abhörtechnik.
Das Unternehmen beruft sich darauf, dass das System patentrechtlich geschützt ist. Diese Darstellung macht sich der Landesforstbetrieb zu eigen. Die Modernisierung sei auf das bestehende System ausgerichtet und nicht auf einen grundlegenden Wechsel der Hard- und Software, teilt das Land mit. Und IQ Wireless sei alleiniger Anbieter. Ein Wettbewerb sei aus technischen Gründen nicht möglich. Daher habe das Vergabeverfahren geändert werden müssen. Nur mit dem Komplettpaket samt Installation und Wartung könne die Funktionssicherheit gewährleistet werden. Immerhin etwas mehr als sechs Millionen Euro hat das Land seit 2011 für Instandhaltung, Wartung und Schulung an die Firma gezahlt.
Ein altes Patent und die Risiken für EU-Gelder
Wie heikel die Sache ist, zeigt ein Blick nach Sachsen. Dort hat die Vergabekammer des Freistaats im Dezember in einem anderen Fall entschieden, dass das Land die Gründe für eine Direktvergabe ausführlich darlegen und begründen muss. Nämlich, dass nur ein Unternehmen in der EU in der Lage ist, den Auftrag zu erfüllen, und ein „technisches Alleinstellungsmerkmal“ hat. Der Mehraufwand eines Produktwechsels reiche nicht für Direktvergaben.
In Sachsen-Anhalt wurde ebenfalls eine Ausschreibung für das Waldbrandwarnsystem zurückgezogen – nach einer Rüge, dass die Ausschreibung nicht produktneutral und auf IQ Wireless zugeschrieben gewesen sei. Im September 2018 hob das sachsen-anhaltinische Landeszentrum Wald die Ausschreibung wieder auf – wegen Fehlern im Leistungsverzeichnis und in der Leistungsbeschreibung. Die Ausschreibung solle zeitnah wiederholt werden, hieß es. Geschehen ist bislang nichts.
Angemeldet wurde das Firewatch-Patent im Jahr 1999. In der Regel ist ein Patent 20 Jahre gültig. Das Konkurrenzunternehmen bezweifelt, dass es das System deshalb technisch nicht nutzen kann oder darf. Es dürfe das System – so die Darstellung der Konkurrenz – nur nicht selbst weiterverbreiten. Inzwischen stehen sogar noch ganz andere Fragen im Raum, nämlich ob IQ Wireless in Deutschland und möglicherweise in Europa mit Hilfe des Staates quasi eine Vormachtstellung auf dem Markt verschafft und der Wettbewerb ausgehebelt wurde.
Der CDU-Finanzexperte Steeven Bretz warnt sogar vor noch weitaus härteren Folgen, sollte das Land an der Vergabe mit EU-Geldern festhalten. Bretz sagt: „Brandenburg hat gerade erst einen Zahlungsstopp von EU-Fördermitteln erleben müssen. Es wäre frustrierend, wenn aufgrund der gewählten Vergabeart, erneut EU-Mittel nicht abgerufen werden könnten.“