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Los, wegmachen: So lange sich die Berliner immer nur auf die öffentlichen Einrichtungen verlassen, wird die Stadt weiter verkommen.
© dpa

Müll in Berlin: Und jetzt alle: Ich! bin! zuständig!

Mein Hund hat auf den Gehweg gekackt? Ich bin zuständig! Von meiner Silvesterparty ist ein Haufen Müll übrig? Ich bin zuständig! Das muss das Mantra der Berliner werden. Anders kriegen sie die Verlotterung der Stadt nicht in den Griff.

Der Moment ist günstig, denn es ist die Zeit der guten Vorsätze. Deswegen hier eine These und, am Ende, ein Vorschlag. Zuerst die These: Vorschriften gibt es in Berlin genug, aber kaum einer hält sich dran, meist ohne Folgen. Der Staat macht sich lächerlich, wenn er ständig Regeln produziert, die er nicht durchsetzen kann. Und dass er es nicht kann, daran hat auch die Schaffung der Ordnungsämter anno 2004 nichts geändert.

Im Gegenteil: Der Ärger ist nun umso größer. Es gibt nämlich zwei Klassen von Ordnungsamtsmitarbeitern: Die einen sind nur für Falschparker zuständig, die anderen für den ganzen Rest. Das führt dazu, dass anwesende Ordnungsamtler ständig unzuständig sind. Der Knöllchenschreiber drückt also seelenruhig auf seinem Gerät herum und schreitet nicht ein, wenn Spaziergängers Hasso einen Riesenhaufen absetzt. Das steigert den Verdruss der Bürger enorm. Wenn schon das Ordnungsamt sich nicht verantwortlich fühlt, warum sollten wir es dann tun?

Hier ist doch angeblich Preußen. Müsste es nicht ein Hort der Zucht und Ordnung sein, der Sauberkeit und Selbstbeherrschung? Das sind doch die viel zitierten preußischen Tugenden. Doch ach – angeblich haben schon die preußischen Könige über die Disziplinlosigkeit der Berliner geklagt. Der heutige Berliner glaubt, fürs Aufräumen sei die BSR da („we kehr for you“). Wenn sie es nicht schafft, muss mehr Personal her.

Kaum einer macht sich klar, dass der Staat nur das Geld hat, das die Bürger ihm geben. Mehr noch: dass wir Bürger eigentlich der Staat sind. Personal kostet. Die Forderung danach ist teuer und billig zugleich: „Mehr Personal für Polizei und Ordnungsämter“ – die Politiker, die das sagen, wissen genau, dass es nicht machbar ist. Noch unrealistischer: „Null Toleranz auch bei Bagatelldelikten.“

Seien wir ehrlich: Selbst wenn hinter jedem Busch ein Ordnungsamtler säße, wäre das Problem nicht gelöst. Entweder hätte er gerade Schichtwechsel, wenn der Hundehaufen landet und Herrchen einfach weitergeht. Oder er wäre nur für den ruhenden Verkehr zuständig. Oder es wäre zur Unzeit.

Denn eine weitere Kuriosität in Berlin ist, dass nach Dienstschluss der Ordnungsämter die Polizei für Hundehaufen, Müll und wilde Griller zuständig ist. Die hat aber Wichtigeres zu tun – und kann sich deshalb prima entziehen. Schließlich ist ihre Zuständigkeit nur subsidiär. In anderen Städten gibt es für so was eine zentrale Behörde, die sich zu keinem Zeitpunkt rausreden kann.

Berlin hat ein Mentalitätsproblem.

Als der Berliner Verwarnungsgeldkatalog zuletzt überarbeitet wurde, flogen zwar ein paar Vorschriften raus – was folgerichtig ist, wenn man sie ohnehin nicht durchsetzt. Es kamen aber auch neue hinzu. Neben dem „Werfen von kleinen Gegenständen bei Veranstaltungen“, das als „Belästigung der Allgemeinheit“ gilt, werden heute auch für Nacktgehen auf der Straße, Urinieren in der Öffentlichkeit, laute Äußerungen obszönen Inhaltes und für aufdringliches Betteln je 20 Euro fällig. Hat schon mal irgendwer gesehen, wie jemand für derlei Benehmen blechen musste?

Am Ende ist es vor allem ein Mentalitätsproblem. Genau diese Erkenntnis will dem Berliner aber nicht in den Kopf. Auf staatlicher Seite schiebt man sich gegenseitig die Verantwortung zu. Und Privatleute halten den Staat für in der Pflicht. Vielleicht liegt es daran, dass sich der Berliner – in Ost und West – über Jahrzehnte daran gewöhnt hat, dass einer seine Probleme für ihn löst.

Es gibt nur einen Weg zu einer sauberen Stadt. Jetzt der Vorschlag: Wir Berliner müssen einen Satz lernen und verinnerlichen. Er muss unser neues Mantra werden. Der Satz lautet: Ich bin zuständig!

Mein Hund hat auf den Gehweg gekackt? Ich bin zuständig! Es war mein Hund, es liegen zu lassen wäre schlechtes Benehmen, und nein, dafür ist nicht die Hundesteuer da. Die Silvesterparty war klasse, leider liegt jetzt ein Müllberg da? Ich bin zuständig! Ich habe das Zeug angeschleppt, ich hatte den Spaß – ich muss es wegräumen. Ganz ohne Ordnungsamt. Und egal, ob mein Nachbar „seins“ wegräumt. Dann sind wir endlich nicht mehr, was wir jetzt noch sind: richtige „Saupreißn“.

Fatina Keilani

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