Bezirksmuseum Friedrichshain-Kreuzberg: Umstrittene Dealer-Ausstellung eröffnet heute
Thematisiert werden Biografien von Drogendealern im Bezirk. Laut CDU-Politikern verharmlose die Schau aber Kriminelle.
„Was da passiert, ist absolut absurd und unmöglich“, sagt der Berliner CDU-Abgeordnete Burkard Dregger. Die Ausstellung „Andere Heimaten“, die am heutigen Dienstag im Friedrichshain-Kreuzberg Museum eröffnen soll, macht ihn wütend.
Schuld ist das Thema: Konzeptkünstler Scott Holmquist beschäftigt sich in der Schau mit der Herkunft von Drogendealern, die in Berliner Parks aktiv sind. 13 menschliche Silhouetten aus Pappe sollen den Rahmen der Ausstellung bilden, dazu Informationen über die Heimat des jeweiligen Drogenhändlers und seinen Weg nach Berlin. Partner und Unterstützer der Ausstellung sind neben dem Museum unter anderem auch die der Partei Die Linke nahestehende Rosa-Luxemburg-Stiftung, der politische Sportverein THC Franziskaner FC und das Hanf Museum.
Holmquist erklärt in der Ankündigung zur Ausstellung, er wolle dem Hass auf Drogendealer entgegenwirken. Denn der sei aus „postkolonialen Mustern“ entstanden, schwarze Menschen so zum Sinnbild von Drogenverkäufern geworden. Es seien nicht einfach „Afrikaner“, der Künstler Holmquist will diesen Menschen ihre eigene Geschichte zugestehen.
Der Dealer im Mittelpunkt
Doch der Hass, sagt der Ausstellungsmacher, resultiere auch aus der Widersprüchlichkeit im Thema. Bestes Beispiel sei die Berliner Drogenpolitik – zwischen Null-Toleranz-Zone und Parkläufern. Ebenso die Gesellschaft: Sie dulde zwar Drogenkonsum in manchen Fällen, etwa bei Cannabis, und betrachte den Konsum teilweise schon als normal. Andererseits gelte der Verkauf als strafbar und moralisch verwerflich.
Für den Christdemokraten Dregger gehören Dealer nicht ins Museum, sondern ins Gefängnis. „Ich würde mir lieber eine Ausstellung über die Opfer der Drogendealer wünschen, damit die Verharmlosung dieser Kriminalität endlich aufhört“, sagt er. Auf diese Wiese könne man endlich alle an ihre gesellschaftliche Verantwortung erinnern.
Christine Köhler-Azara, die Drogenbeauftragte der Senatsverwaltung, vermutet, dass die Ausstellung die gleiche Trennung vornehmen könnte wie das deutsche Rechtssystem – „zwischen dem Fehlverhalten eines Menschen, das bestraft werden kann, und seiner Person“.
Kunst und Diskussionsplattform
Andere haben Angst, dass genau diese Trennung zwischen Mensch und Tat nicht vorgenommen wird. Ein Tagesspiegel-Leser aus Steglitz fragte in einem Brief an die Redaktion neulich nach, ob eine solche Ausstellung nicht eher zu Straftaten anstiften würde und damit gesetzeswidrig sei. „Soll man Dealern etwa aus Mitleid Drogen abkaufen?“ fragt er.
Iah Schramme, Sprecher des Scott Holmquist Studios, verneint das. Generell sei die Ausstellung nicht als politische Position zu verstehen, sondern als ein künstlerisches Projekt. Trotzdem zeigt er Verständnis für die Befürchtungen mancher Berliner.
„Es ist eine nachvollziehbare Reaktion, dass sich Menschen an der Ausstellung stören“, sagt er. „Mit diesen Ängsten, die hier geäußert werden, sollte man empathisch umgehen.“ Eine Verherrlichung des Dealens kann er nicht erkennen. „Die Ausstellung möchte ja nicht Position beziehen, sie soll vielmehr eine Plattform sein für eine konzentrierte Diskussion über das Thema.“
Zwischen legal und illegal
Diese Diskussion scheint sich auch Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Bündnis 90/DieGrünen) zu wünschen. In einem öffentlichen Statement zu der Ausstellung und der Kritik an der Schau schreibt sie: „Die Ausstellung ist keine Glorifizierung von Drogen oder ihrem Handel, sondern eine Auseinandersetzung mit einem Problem, das sich nicht dadurch löst, dass es totgeschwiegen wird.“ Für viele Bürger in Friedrichshain-Kreuzberg und anderen Bezirken, gehöre der Drogenhandel in Parks zur Lebensrealität. Und dennoch fordern derzeit viele Bürger ein strengeres Vorgehen der Politik gegen das Dealen.
Iah Schramme kann das verstehen. Doch genau das sei nicht die Aufgabe der Ausstellung, sondern eine rein politische Frage. „Hier geht es nur um die künstlerische Beobachtung und Reflexion. Und in der Kunst darf es keine Denkbarrieren geben.“ Dealer – wie in der Ausstellungs-Ankündigung geschehen – als „tapfer“ zu bezeichnen, sei daher auch vertretbar. „Der Drogenverkäufer ist das Sinnbild für den politischen Konflikt des Legalen und Illegalen. In dieser Position, ist er tapfer.“
Ob und wie sehr Drogenhändler in der Ausstellung „Andere Heimaten“ tatsächlich verherrlicht werden, wird sich wohl erst mit ihrer Eröffnung zeigen. Ein Programm soll sie begleiten, etwa Diskussionsrunden zwischen Wissenschaftlern, Parkmanagern und anderen Experten. Ob das Gesamtkonzept einen neuen Gesprächsansatz für die Stadt und ihre Angst vor Drogenhändlern schaffen kann? Burkard Dregger jedenfalls sagt, er würde kommen, falls er eingeladen werde. „Ich bin immer bereit, streitig zu diskutieren.“
Einer seiner Parteikollegen, Timur Husein, stellte dagegen den Antrag ans Bezirksamt, es möge seine Förderung von 500 Euro zurückziehen und die Ausstellung nicht beherbergen. Ganz im Gegenteil: Er fordert eine Ausstellung, die über die Straftat des Drogendealens und die Auswirkungen berichtet. Das bisherige Projekt sei „ein Schlag in das Gesicht der Opfer der Drogendealer“. Am 8. November wurde über diesen Antrag von der BVV diskutiert und abgelehnt.
„Andere Welten“ im FHXB-Museum vom 22. November bis 14. Januar 2018 (Dienstag bis Freitag: 11-18 Uhr, Samstag und Sonntag: 10-18 Uhr), Eröffnung am 21. November um 19 Uhr. Der Eintritt ist kostenlos.
Johannes Drosdowski