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Im Wartestand. Seit Mai 2009 ist der parteilose Ulrich Nußbaum Finanzsenator in Berlin. Ob er das Amt behält, entscheidet allein der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit. Wer dem neuen Senat angehört, wird am Montag bekannt gegeben.
© Mike Wolff

Berliner Finanzsenator: Ulrich Nußbaum: "Beim Geld hört die Freundschaft auf"

Finanzsenator Ulrich Nußbaum fordert vom Bund eine angemessene Hauptstadtfinanzierung. Er verteidigt die City-Tax und die Erhöhung der Grunderwerbsteuer. Ein Interview.

Herr Nußbaum, die rot-schwarze Koalition will den Bürgern in die Tasche greifen. Wie begründen Sie die Erhöhung der Grunderwerbsteuer? Die Häuslebauer werden Ihnen böse sein.

Das Land Berlin wird nicht nur die Ausgaben einfrieren, sondern braucht auch höhere Einnahmen. Die Anhebung der Grunderwerbsteuer um 0,5 auf fünf Prozent halte ich deshalb für gerechtfertigt. Damit bewegen wir uns auf dem Niveau des Nachbarn Brandenburg. Eine Erhöhung der Gewerbesteuer kam dagegen nicht infrage, denn das hätte negative Auswirkungen auf die Berliner Wirtschaft und die Arbeitsplätze gehabt.

Warum wollen Sie eine City-Tax, also eine Übernachtungssteuer zulasten der Touristen einführen?

In vielen anderen Städten, nicht nur in Deutschland, ist das inzwischen Standard. Auch große Kommunen haben oft damit zu kämpfen, eine attraktive Infrastruktur für den Tourismus aus eigenen Kräften zu finanzieren. Denken Sie nur an die vielen öffentlich geförderten Kultureinrichtungen und den flächendeckenden Nahverkehr. Es ist vertretbar, dass die Touristen mit einem gewissen Beitrag daran beteiligt werden.

Ist denn sichergestellt, dass die Einnahmen aus der City-Tax nur für touristische Zwecke eingesetzt werden?

Da es sich um eine örtliche Aufwandsteuer handeln wird, fließen die Gelder erst einmal in den großen Topf des Landeshaushalts. Aber der Senat wird dafür sorgen, dass der touristischen Infrastruktur ausreichende Finanzmittel zufließen.

Sie müssen mit einer Klage gegen die City-Tax rechnen.

Das gehört dazu. Deshalb haben SPD und CDU ja gesagt, dass die City-Tax rechtssicher eingeführt werden muss.

Was ist eigentlich der Unterschied zwischen einer rot-schwarzen und einer rot-roten Haushaltspolitik?

Die unter Rot-Rot eingeleitete strikte Haushaltskonsolidierung wird mit der CDU fortgesetzt. Die öffentlichen Ausgaben werden de facto eingefroren mit dem Ziel, spätestens 2016 einen ausgeglichenen Haushalt zu haben, also keine neuen Kredite mehr aufnehmen zu müssen.

Unterschiede gibt es…

…zum Beispiel beim öffentlichen Beschäftigungssektor, der kräftig gekürzt wurde. Das wollten beide Parteien.

SPD und CDU kündigen aber große Verkehrsprojekte, neue Wohnungen, eine teure Landesbibliothek usw. an. Wie soll das arme Berlin das alles finanzieren?

Viele Verkehrsprojekte, vor allem die A 100, bezahlt im Wesentlichen der Bund. Andere Vorhaben, wie die Reparatur von Straßen oder die Sanierung öffentlicher Gebäude, muss natürlich der Landeshaushalt tragen. Das geht nur in längerfristigen Zeiträumen, nicht alle öffentlichen Investitionen können in dieser Wahlperiode getätigt werden.

Die neue Zentral- und Landesbibliothek

…ist im Berliner Haushalt vorgesehen.

Weiter auf der nächsten Seite: Der „Flagshipstore“ der Republik muss finanziell angemessen ausgestattet werden.

Aber notfalls müssen teure Investitionsprojekte warten?

Ja. Alles muss sich in unseren Finanzrahmen einpassen. Notfalls müssen auch wünschenswerte Vorhaben warten, wir wollen uns auf die vorrangigen Projekte konzentrieren. Dazu gehört die öffentliche Infrastruktur, wie Schulen, Straßen und Gebäude.

Der rot-rote Senat hatte im Oktober ein Sanierungsprogramm für Berlin beschlossen, das vom Stabilitätsrat von Bund und Ländern geprüft wird. Sind Sie optimistisch, dass Berlin diese Prüfung besteht?

Ja, da bin ich mir ganz sicher. Anfang Dezember wird der Stabilitätsrat über die Sanierungsprogramme von Berlin, Bremen, Saarland und Schleswig-Holstein beraten. Unser Sparkonzept beruht auf dem Beschluss des bisherigen Senats für den Doppelhaushalt 2012/13 und dem Finanzplan bis 2015. Das ist nach dem neuen Koalitionsvertrag auch die Basis für den rot-schwarzen Landeshaushalt.

Die Hauptstadt Berlin will mehr Geld vom Bund? Die Koalitionsvereinbarung von SPD und CDU liest sich jedenfalls so.

Erstens wünsche ich mir, dass die Bundesministerien endlich vollständig aus Bonn nach Berlin verlagert werden. In dieser Frage müssen wir vorankommen. Zweitens müssen wir mit dem Bund erneut darüber sprechen, was ihm die Hauptstadt wert ist. Der „Flagshipstore“ der Republik muss finanziell angemessen ausgestattet werden.

Dieses Argument hat in der Vergangenheit nicht immer gezogen.

Das ist doch klar, denn wir leben in einem föderalen System, in dem jedes Land eifersüchtig auf das andere schaut. Aber auch den Bayern mit ihrem schönen München muss klar sein, dass Deutschland zuerst über seine Hauptstadt Berlin wahrgenommen wird. Ich denke, dass die Diskussion über die angemessene Ausstattung der deutschen Hauptstadt noch vor der Neuordnung des föderalen Finanzsystems, die spätestens 2020 ansteht, vorangetrieben werden muss.

Wird es leichter, dem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) entgegenzutreten, weil jetzt im Land Berlin die Union mitregiert?

Wenn’s um Geld geht, hat man keine Freunde. Jeder will seine Interessen wahren, sowohl der Bund als auch die Länder. Trotzdem war mein Verhältnis zum Finanzminister Schäuble schon immer freundlich-kollegial. Und immerhin will der Bund die Kommunen ab 2014 komplett von den Kosten der Grundsicherung im Alter entlasten.

Im neuen Koalitionsvertrag wird auch gefordert, dass der Bund die Kosten für die Hilfen zur Erziehung übernimmt. Ist das wirklich realistisch?

Das ist konsequent. Es ist nicht Aufgabe der Kommunen, die großen Lebensrisiken zu finanzieren. Dazu gehören die Altersarmut, aber auch andere soziale Transferleistungen, die vom Bund gesetzlich geregelt werden. Dafür wird sich Berlin im Bundesrat weiter einsetzen.

Möglicherweise sind Sie der einzige Senator aus dem alten Wowereit-Kabinett, der politisch überlebt. Wie haben Sie das geschafft? Ist es manchmal doch gut, kein Parteibuch zu haben?

Sie meinen, ich bin der letzte rot-rote Veteran? Mal im Ernst: Über die Besetzung des Senats entscheidet der Regierende Bürgermeister. Mir ist vor allem wichtig für Berlin, dass die konsequente Finanzpolitik auch unter Rot-Schwarz fortgesetzt wird.

Das Gespräch führte Ulrich Zawatka-Gerlach.

Ulrich Zawatka-Gerlach

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