Kinderbetreuung in Berlin: Über 400 Kitas werben für mehr Investitionen
Tausende Kinder sind am Mittwoch bei einem Aktionstag auf die Straße gegangen. Das Kitabündnis sorgt sich um fehlende Betreuungsplätze und Erziehermangel.
In weiten Teilen Berlins sind an diesem Mittwoch Eltern und Erzieherinnen mit ihren Kitagruppen unterwegs, um für eine bessere Ausstattung und mehr Investitionen in den Ausbau von Krippen und Kindergärten zu werben.
Das Kitabündnis meldete schon am Vormittag, dass sich "mehrere Tausend" Betroffene auf den Weg gemacht hätten, um die Informationsmaterialien des Kitabündnisses zu verteilen.
"Die Kitagruppen fahren S-Bahn und Bus, sind in ihrem Kiez und vor den Rathäusern unterwegs, werden Passanten ansprechen und musikalisch beglücken, Straßen bemalen und Zäune schmücken. Das Tempelhofer Feld ist genauso Ziel wie das Schloss Britz und der Helene-Weigel-Platz in Marzahn", hieß es. Auf der zentralen Website des Berliner Kitabündnisses hätten über 400 Kitas ihre Aktionen angekündigt. "Viele weitere werden einfach so unterwegs sein".
Konkret geht es um die Kampagne „Die 3 nächsten Schritte für bessere Kitas in Berlin!“. Diese drei Schritte bestehen zum einen in der Forderung, dass in den Krippen pro Erzieherin ein Kind weniger betreut werden muss. Zum anderen sollen Kitaleiterinnen von Betreuungsaufgaben freigestellt werden, wenn ihre Einrichtung mehr als 80 Kinder versorgt. Und schließlich geht es um eine Entbürokratisierung und Verstärkung beim Kitaausbau.
Auch Flüchtlingskinder haben Rechtsanspruch auf Kitaplatz
Denn zum latenten Platzmangel kommt jetzt auch noch der Zuzug der Flüchtlinge, unter denen viele Kinder sind. Für Mädchen und Jungen ab sechs Jahren gilt die Schulpflicht: sie lernen meist in Willkommensklassen, bis sie ausreichend Deutsch können, um dem Regelunterricht zu folgen. Inzwischen gibt es über 530 Willkommensklassen.
Doch was ist mit den kleineren Kindern? Auch Flüchtlingskinder haben einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz, sobald sie drei Monate hier sind und sofern die Kinder schon ein Jahr alt sind.
Für die Berliner Kitas bedeutet das, dass hunderte zusätzliche Plätze geschaffen werden müssen. Da die Plätze aber ohnehin schon knapp sind, fordern die Bezirke ein rasches Handeln. „Bei uns in Neukölln fehlen insgesamt 1000 Plätze“, sagt Jugendstadtrat Falko Liecke (CDU). „Wir brauchen schnellere Genehmigungen für neue Kitas.“
Schon jetzt sind die meisten Plätze belegt
Sein Kollege aus Treptow-Köpenick, Michael Grunst (Linkspartei), weist darauf hin, dass die Kitaplätze in seinem Bezirk bereits jetzt zu 90 Prozent belegt seien. Das ist ein hoher Wert. Erfahrungsgemäß sind zu diesem Zeitpunkt im Jahr noch relativ viele Plätze frei, weil die älteren Kinder im Sommer in die Schule gekommen sind und die neuen Kinder erst nach und nach eingewöhnt werden.
Auch Jugendsenatorin Sandra Scheeres (SPD) sieht den Bedarf. 10 000 neue Kitaplätze sollen in den nächsten zwei Jahren entstehen, dafür stünden 40 Millionen Euro im Doppelhaushalt 2016/17 bereit, sagte sie. Eingerechnet seien darin der Mehrbedarf durch den Wegfall der Früheinschulung, durch die Flüchtlinge und die steigenden Geburtenzahlen in Berlin. Kitaplätze in sozialen Brennpunkten und in der Nähe von Flüchtlingsunterkünften sollen bevorzugt gefördert werden. Scheeres hofft zudem, dass die freiwerdenden Bundesmittel für das Betreuungsgeld für weiteren Kitaausbau eingesetzt werden können. Am Dienstag vertagte der Senat allerdings eine Entscheidung dazu um eine Woche.
Manche Eltern haben Angst, sich von ihren Kindern zu trennen
Im Moment gibt es kaum konkrete Zahlen, wie hoch der Bedarf an Kitaplätzen für Flüchtlinge tatsächlich ist. Die jüngste Senatsstatistik erfasst nur Kinder, die in einer Gemeinschaftsunterkunft wohnen. Zum Stichtag am 18. August gab es demnach 2407 Kinder im Alter bis sechs Jahre in den Heimen, und davon gingen 492 in eine Kita. Bis zum Jahresende rechnet der Senat mit rund 800 Flüchtlingskindern in den Kitas.
Derzeit kommen also noch längst nicht alle Flüchtlingskinder aus den Heimen in den Tagesstätten an. Das hat mehrere Gründe. Viele Familien haben – nach oft traumatischen Erfahrungen auf der Flucht – Angst, sich von ihren kleinen Kindern zu trennen. Es fehlen aber auch Mitarbeiter, die den Flüchtlingen das Berliner Kitasystem und ihre Rechte erklären. Die Sozialarbeiter in den Heimen seien damit oft überfordert, sagt die Lichtenberger Jugendstadträtin Sandra Obermeyer (parteilos, für die Linke): „Besonders für die Elterngespräche sind Sprachmittler unabdingbar. Diese stehen nicht in ausreichendem Maß zur Verfügung.“
Berliner Kita-Bündnis fordert auch bessere Betreuungsquote
Einen weiteren Ausbau der Kitaplätze fordert auch ein Bündnis von Eltern, Kita-Betreibern und Gewerkschaften, die am heutigen Mittwoch zu einem Aktionstag aufrufen. Das „Berliner Kita-Bündnis“ fordert zudem eine bessere Betreuungsquote, vor allem für Kinder unter drei Jahren. Bei dieser Altersgruppe hat Berlin mit einer Relation von knapp sechs Kindern auf einen Erzieher einen der schlechtesten Werte im Bundesvergleich. Das Bündnis fordert „ein Kind weniger pro Erzieherin“. Die Kosten für die zusätzlichen Erzieherstellen beliefen sich nach Angaben des Bündnisses auf 75 Millionen Euro.