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Das Bettenhaus der Charité in Mitte und Robert Koch gehören zu Berlin wie Elefantentor und Siegessäule. Die Universitätsklinik steht im Zentrum der Gesundheitswirtschaft.
© imago/Jürgen Ritter

Die Charité in Berlin: TV-Star, Krankenhaus, Forschungszentrum

Die ARD feiert die berühmten Ärzte der Charité – heute ist sie Zentrum der boomenden Gesundheitsbranche. Doch zur Verkündung der Jahresbilanz steht fest: Das Geld reicht nicht.

Wenn Karl Max Einhäupl an diesem Dienstag im Roten Rathaus empfangen wird, hat er – da ist er ganz Wissenschaftler – allerlei Zahlen parat. Die erwartet der Regierende Bürgermeister. Wobei Einhäupl für Michael Müller wichtiger sein dürfte, als umgekehrt. Einhäupl – 70 Jahre, Neurologe, weltweit vernetzter Forscher – ist Charité-Chef und steht Europas größter Universitätsklinik und Deutschlands bekanntestem Krankenhaus vor. Nun läuft sogar eine Fernsehserie, die sich historischen Dramen und den berühmten Ärzten an der landeseigenen Klinik widmet.

An diesem Dienstag wird Einhäupl vielleicht ein bisschen stolzer als sonst über die 5000 Geburten und die 800.000 Patienten sprechen, die es jedes Jahr an der Charité gibt. Über die 16.800 Beschäftigten und die 7000 Studenten. Über die 100 Institute und Einzelkliniken sowie den prestigeträchtigen Bettenturm, der aus Berlins Mitte ragt. Vor allem aber wird es im Rathaus um Geld gehen. SPD-Mann Müller braucht nach dem neuen BER-Desaster und dem schwierigen Start des rot-rot-grünen Senats gute Nachrichten. Und Einhäupl kann – mit Einschränkungen – liefern.

Nach Tagesspiegel-Informationen hat die Charité trotz Extrakosten 2016 mit rund drei Millionen Euro Plus abgeschlossen. Dies ist bei zuletzt 1,6 Milliarden Euro Jahresumsatz wenig, aber auch prozentual mehr als bei anderen Universitätskliniken.

Mehr als 300.000 Menschen arbeiten in der Berliner Gesundheitsbranche

Das Gesundheitswesen ist Deutschlands größte Branche und Berlin ihr Zentrum. Inzwischen arbeiten mehr als 300.000 Männer und Frauen in der Berliner Gesundheitsbranche. Das hat – seit der Wende betonte das fast jede Landesregierung – auch mit der Charité zu tun. Die Klinik bildet nicht nur Ärzte aus. Sie lockt Pharmafirmen, Medizintechniker, Biologen nach Berlin. Sie alle setzen eine Tradition der großen Namen fort: Die Hälfte der deutschen Nobelpreisträger für Medizin und Physiologie arbeiteten an der Charité, unter ihnen Emil von Behring, Robert Koch und Paul Ehrlich. Bei der Behandlung von Folteropfern und Therapien, um Pädophile von Missbrauchstaten abzuhalten, gilt die Charité heute als bundesweit führend.

Doch trotz der Bedeutung für die Stadt und das ganze Land ist an der Charité unter den Vorgängersenaten strikt gespart worden. Vor allem seit Rot-Rot unter Klaus Wowereit 2002 den Senat übernahm, wird – gelinde gesagt – hart gehaushaltet. Eigentlich sollte die Klinik vergangenes Jahr 200 Schwestern und Pfleger extra anstellen. So sieht es ein bundesweit einmaliger Tarifvertrag zwischen Verdi und der Charité vor. Die Gewerkschaft will Stress und Behandlungsfehler reduzieren. Verdi wirft der Charité-Spitze nun vor, zwar mehr Beschäftigte angestellt, dafür aber viel weniger Leasing-Kräfte eingesetzt zu haben. Die Stationen seien immer noch zu knapp besetzt. Die Charité will reagieren und weitere 70 Neue anstellen – was Geld kostet.

Dazu kommt der Protest an der Charité-Tochter CFM. Am Montag demonstrierten CFM-Kollegen in Mitte vor der Sitzung des Charité-Aufsichtsrats, dem auch Bürgermeister Müller angehört. Der Senat muss entscheiden, ab wann die CFM ganz dem Land gehören soll: Boten, Wachleute und Reiniger waren 2006 aus dem Charité-Tarifsystem entlassen worden, um bei der CFM, die zu 49 Prozent privaten Firmen gehört, zu niedrigeren Löhnen anzufangen. Charité-Tarif für alle CFM-Mitarbeiter würde bis zu 28 Millionen Euro im Jahr mehr kosten – wofür das aktuelle Jahresplus nicht ausreicht.

Müller wird Druck in die Bundespolitik tragen müssen

Einhäupl wird bei Müller also Druck machen. Und der SPD-Senatschef wird den Druck in die Bundespolitik tragen müssen. Denn formal gilt deutschlandweit folgende Regel: Die Bundesländer finanzieren Gebäude und Technik, die Krankenkassen bezahlen Medikamente und Personal. Dies jedoch nach fixen Sätzen. Sollte die Charité also mehr Pflegekräfte und noch dazu die CFM-Kollegen beschäftigen, erhöhen die Kassen ihre Zahlungen erstmal nicht.

Am liebsten wären allen wohl ein Bundesgesetz – der Charité-Tarif, wonach etwa in der Nachtschicht keine Schwester mehr allein Dienst hat, könnte dafür Vorlage sein. Verbündete gibt es. Im Saarland haben Klinikbeschäftigte, Krankenhausbosse und Gesundheitsministerin Monika Bachmann, CDU, zuletzt gemeinsam verbindliche Personalvorgaben für die Krankenstationen gefordert. Am Montag äußerte sich dazu der für die Charité zuständige Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach (SPD). Er plädiert nicht nur für den zügigen Rückkauf der CFM, sondern auch dafür, dass der Charité-Tarifvertrag für mehr Personal als „notwendige Verbesserung“ in der Pflege umgesetzt wird. „Darauf werden wir achten.“ Problematisch sei allerdings der Mangel an Fachkräften.

Universitätskliniken haben es, auch das wird Einhäupl gern wiederholen, besonders schwer. Sie müssen in ihren Rettungsstellen gebrochene Nasen behandeln, was von den Kassen kaum vergütet wird. Und in ihren Spezialstationen für Hochrisikopatienten vorsorgen. Die Charité unterhält laut Gesetzt etwa die Sonderisolierstation für die gesamte Region. Die 20-Betten-Station auf dem Virchow-Campus in Wedding steht zwar meist leer, muss aber ständig einsatzbereit sein – etwa, falls ein Patient mit Ebolaverdacht auftaucht. Dafür gibt es zwar Landeszuschüsse, die andere Kliniken nicht bekommen.

Trotzdem wird Einhäupl auf mehr Geld drängen. Auch ihn haben Hinweise von Charité-Mitarbeitern, die anonym bleiben wollen, erreicht. Demnach ist der modernisierte Bettenturm in Mitte zwar wie geplant neu eröffnet worden. Die Technik aber soll nicht so funktionieren, wie erwartet. Hintergrund könnte, man ahnt es, das knappe Geld sein.

Rückblick: Vom Pesthaus zur Universitätsklinik

Pest-Lazarett. Die Charité um 1740.
Pest-Lazarett. Die Charité um 1740.
© Wikipedia

Anfang des 18. Jahrhunderts bedrohte eine Pestepidemie aus Ost-Europa auch Berlin. Für alle Fälle befahl König Friedrich I. am 14. November 1709 den Bau eines Lazaretthauses vor den Toren der Stadt. Die Arbeiten begannen wenige Monate später, doch die Pest verzog sich wieder, und so diente die Anlage zunächst als Armen- und Arbeitshaus sowie als Garnisonslazarett. Erst der Soldatenkönig, der auch den Namen Charité (Barmherzigkeit) stiftete, wandelte sie 1727 in ein Bürger-Hospital um. Die medizinische Versorgung blieb noch lange fragwürdig, erst im 19. Jahrhundert begann der Aufstieg zu einer auch international anerkannten Einrichtung.

Verbunden war er mit Namen wie Rudolf Virchow, Robert Koch oder auch Ferdinand Sauerbruch – eine kleine Auswahl nur aus einer langen Reihe renommierter Mediziner, die an der Charité geforscht, gelehrt und geheilt haben. Die NS-Zeit, in der jüdische Mitarbeiter entlassen wurden, unterbrach diese ruhmreiche Traditionslinie. In der DDR war die im Ostteil der Stadt gelegene Klinik die angesehenste im Land. Nach der Wiedervereinigung wurde die Berliner Krankenhauslandschaft wiederholt umstrukturiert. Seit 2003 sind die medizinischen Fakultäten von Humboldt- und Freier Universität unter dem Namen „Charité – Universitätsmedizin Berlin“ vereinigt – und erneut zu einer Institution von weltweitem Rang geworden.

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