Notquartiere in Berlin: Tunnel am Alex wird nun doch nicht für Obdachlose geöffnet
Ein geschlossener Fußgängertunnel am Alexanderplatz sollte für Obdachlose im Winter geöffnet werden. Doch die Verkehrssenatorin findet ihn "denkbar ungeeignet".
Regine Günther fand deutliche Worte: „Wir fangen nicht an, Menschen in Höhlen unterzubringen“, sagte die Verkehrssenatorin (parteilos, für Grüne) dem Tagesspiegel. Der Fußgängertunnel am Alexanderplatz sei „denkbar ungeeignet“, um Obdachlosen an kalten Wintertagen einen Schlafplatz zu bieten. Heißt im Klartext: Der 2008 geschlossene Tunnel wird nicht geöffnet. Die Sozialverwaltung wollte den Tunnel aus DDR-Zeiten wie berichtet als Notquartier für Obdachlose nutzen. Dem Vernehmen nach hat Alexander Fischer, Staatssekretär für Soziales, der Verkehrsverwaltung in einem Brief geschrieben, dass man „ernsthaftes Interesse habe, den Tunnel so schnell wie möglich zu öffnen“.
Die Antwort aber wird lauten: Nein. Es sei „völliger Wahnsinn“, diesen Tunnel für Menschen nutzen zu wollen, hieß es am Montag aus der Verkehrsverwaltung. Die Zugänge seien zubetoniert worden, es gebe nur einen Noteingang über eine Stahlleiter. Unter der Erde gebe es keinerlei sanitäre Anlagen, keine Lüftung und keinen Brandschutz. Regelrecht gefährlich seien Hochspannungsleitungen im Tunnel. Dies habe eine Begehung mit Vertretern der BVG, der Polizei, der Feuerwehr und beider Verwaltungen ergeben. Es sei völlig unbegreiflich, dass die Sozialverwaltung an diesem Tunnel festhalte, hieß es im Hause der grünen Verkehrssenatorin Regine Günther.
Der Wunsch-Ort der Sozialverwaltung war am Montag durch einen Artikel im Tagesspiegel bekannt geworden. Eine Sprecherin von Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) gab am Montag zu, dass die Feuerwehr Sicherheitsbedenken zu Protokoll gegeben habe. Diese und andere Probleme müssten einfach gelöst werden, heißt es im Hause Breitenbach. Nach Informationen des Tagesspiegels nennt Sozialstaatssekretär Alexander Fischer den Bau in dem Schreiben an die Verkehrsverwaltung selbst nur „sehr bedingt geeignet“.
Der Tunnel stand auf der Liste von 30 Objekten, die die BVG an die Sozialverwaltung übermittelt hatte. Diese wurden in den vergangenen Wochen von Feuerwehr und Senatsverwaltungen auf ihre Eignung für Obdachlose überprüft. Ergebnis: Alle anderen schieden sofort als zu klein und zu unsicher aus, übrig blieb der Alex.
„Wir fahren U-Bahn, wir sind keine Sozialarbeiter“
Wie berichtet, hatte die BVG im September bekanntgegeben, im Winter keine Bahnhöfe mehr für Obdachlose öffnen zu wollen. Die BVG hatte Sicherheit und Hygiene als Begründung genannt. Statt wie einst ein paar Personen pro Nacht hätten im vergangenen Winter regelmäßig mehrere Dutzend übernachtet. Viele Jahre lang hatte sich die Berliner Politik auf die BVG verlassen, die bei niedrigen Temperaturen im Winter drei Stationen für Obdachlose geöffnet ließ. Viele Obdachlose lehnen Heime grundsätzlich ab, andere wollen sich nicht von ihrem Hund trennen. Mit allen Folgeproblemen wie Reinigung war die BVG alleine gelassen worden. „Wir fahren U-Bahn, wir sind keine Sozialarbeiter“ – dieser Satz war in den vergangenen Jahren immer wieder zu hören gewesen.
Die Entscheidung der BVG war dennoch unter anderem von der Caritas als „unmenschlich“ kritisiert worden. Die Verkehrsverwaltung nannte im Gegenzug am Montag den Fußgängertunnel „menschenunwürdig“ für Obdachlose.
Die DDR hatte das weitläufige Tunnelsystem am Alex in den 60er Jahren angelegt, wie im Westen sollten Autos freie Fahrt haben, störende Fußgänger wurden in den Untergrund verbannt. Allein das System nordöstlich des U-Bahnhofs ist 500 Meter lang und hat fünf Ausgänge. Den Autotunnel in der Grunerstraße mussten Fußgänger mit Rolltreppen unterqueren. 2008 wurde das Tunnelsystem von der Verkehrsverwaltung mit der Begründung „gefährlich, dunkel und schmutzig“ geschlossen.