Wegen Teilnahme der AfD: Tumulte bei Gedenkveranstaltung für NS-Opfer
Es sollte ein stilles Gedenken sein. Doch Antifaschisten wollten nicht hinnehmen, dass die AfD daran teilnimmt. Etwa 120 Polizisten sicherten die Veranstaltung.
Begleitet von massiven Protesten haben Vertreter mehrerer Parteien in Berlin-Marzahn der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Sie legten rund um eine Erinnerungsstele für ermordete Zwangsarbeiter auf dem Parkfriedhof Kränze ab. Unter den Teilnehmern war mit Petra Pau (Linke) auch die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages. Sie hat ihren Wahlkreis im Bezirk Marzahn-Hellersdorf.
Die Proteste wiederum richteten sich gegen die Beteiligung der AfD an dem Gedenken. Die Partei war vertreten durch mehrere Mitglieder der AfD-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) sowie die beiden Abgeordnetenhausmitglieder Jeannette Auricht und Gunnar Lindemann. Auch sie haben beide ihren Wahlkreis im Bezirk und gehören zum Vorstand des Bezirksverbandes. Auricht war tags zuvor erneut in den vom Landesschiedsgericht der Partei bestellten Notvorstand auf Landesebene aufgerückt.
Am Rande der als „stilles Gedenken“ gedachten Veranstaltung kam es zu tumultartigen Szenen. Zunächst waren den rund 200 Teilnehmern an einer von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) organisierten Kundgebung der Zutritt zum Friedhof verwehrt worden.
Als die Gedenkfeier eigentlich schon beginnen sollte, waren aber auch noch BVV-Vorsteherin Kathrin Henkel (CDU) sowie mehrere Mitglieder des Heimatvereins Marzahn-Hellersdorf ausgesperrt. BVV und Heimatverein hatten die Veranstaltung organisiert. Ein Ausschluss der im Bezirksparlament vertretenen AfD war deshalb nicht möglich.
Gedenken findet erst verspätet statt – und dann verkürzt
Erst mit rund 15 Minuten Verspätung öffnete die Polizei den Zugang zum Friedhof. „Um ein Betreten zu ermöglichen und dennoch ein Aufeinandertreffen mit einzelnen Teilnehmenden des stillen Gedenkens am Gedenkort zu verhindern sowie damit potenzielle körperliche Konfrontationen zu verhindern, musste der Zugang kurzfristig reglementiert werden“, teilte die Polizei dazu am Samstagabend mit.
Das Gedenken fand schließlich in verkürzter Form statt. Am Rande kam es wiederum zu Tumulten. Immer wieder versuchten Gegendemonstranten, bis zur Stele vorzudringen. Beamte der Polizei verhinderten dies vehement und zwangen dabei auch nach eigener Auskunft Angehörige und Hinterbliebene von Holocaust-Opfern zur Umkehr.
Dennoch wurde der von der AfD-Fraktion niedergelegte Kranz zwischenzeitlich von der Stele entfernt und dabei beschädigt. Die Polizei war der Mitteilung vom Samstagabend zufolge mit bis zu 120 Beamtinnen und Beamten im Einsatz.
Marzahn-Hellersdorf will über andere Organisation nachdenken
Während die Veranstaltung selbst nach gut 20 Minuten beendet war, gab es für den Polizeieinsatz auch im Nachhinein Widerspruch. Klaus-Jürgen Dahler (Linke), stellvertretender Vorsteher der BVV, kritisierte das Vorgehen der Beamten scharf und erklärte, seiner Meinung nach werde es ein Gedenken in der Form nicht noch einmal geben. "Wir werden darüber beraten müssen", erklärte Dahler und nannte eine Änderung der Organisationsstruktur als eine der Optionen.
Denkbar sei, das Gedenken künftig von einem Bündnis organisieren zu lassen. Dieses könnte dann entscheiden, wer an der Veranstaltung teilnehmen dürfe und wer nicht. Die AfD solle nicht dazugehören, erklärte Dahler.
Ähnlich äußerten sich auch Kathrin Henkel und Nadja Zivkovic (CDU), Stadträtin für Wirtschaft, Straßen und Grünflächen. Nach dem Ende der Veranstaltung zeigten sich beide erleichtert, stellten aber fest, dass der Rahmen eines stillen Gedenkens nicht würdig sei.
Zivkovic sagte, schon nach den Ereignissen im vergangenen Jahr hätte ein Umdenken stattfinden sollen. Damals waren die Organisatoren von Protesten gegen die Teilnahme der AfD am Gedenken überrascht worden. Allerdings waren es damals noch weit weniger Demonstranten auf den Parkfriedhof gekommen als am Samstag. In Erwartung größerer Proteste hatte die CDU-Stadträtin bereits am Donnerstag in der BVV angekündigt, notfalls das Hausrecht auf dem Friedhof durchsetzen zu wollen.
Die AfD wiederum nahm die Proteste zum Anlass, das "fehlende Demokratieverständnis" der Teilnehmer zu kritisieren.
Ihr Abgeordneter Lindemann unterstellte den Demonstranten, auf den Gräbern der Toten "herumgetrampelt" zu sein und erklärte, es habe sich dabei um "gewaltbereite Antifa-Störer" gehandelt. Ein anderer Vertreter der Partei bezeichnete die Teilnehmer an den Protesten gar als "Ratten".
Inzwischen ziehen die Ereignissen auch bundesweit Kreise. Linkspartei-Chef Bernd Riexinger kommentierte via Twitter, dass die Polizei Mitgliedern des VVN-BdA am Gedenken hindere, während die AfD daran teilnehme, könne "doch nicht wahr sein". Die AfD habe "auf diesem Friedhof nichts verloren. Das Verhalten Polizei ist unerträglich!", schrieb Riexinger. Anne Helm (Linke), Mitglied des Abgeordnetenhauses, nannte die Vorfälle am Rande des Gedenkens "unerträglich".
Aus der Grünen-Bundestagsfraktion meldete sich die Berliner Abgeordnete Canan Bayram zu Wort. Sie bezeichnete das Vorgehen der Polizei via Twitter als "völlig unverständlich" und forderte den Innenausschuss des Abgeordnetenhauses dazu auf, die Vorgänge rund um die Gedenkveranstaltung aufzuklären.