Mehr Steuereinnahmen im Mai: Trifft die Coronakrise Berlins Finanzen doch nicht so hart?
Es gibt Anzeichen, dass Berlin besser durch die Krise kommt als befürchtet. Nach einem dramatischen Einbruch im April stiegen die Steuereinnahmen im Mai stark an.
Berlin leidet unter der Coronakrise auch finanziell. Aber es gibt Anzeichen dafür, dass es weniger schlimm kommt als befürchtet. So stiegen die Steuereinnahmen im Mai deutlich an, nach einem dramatischen Einbruch im April, als nur 1,04 Milliarden Euro in die Landeskasse flossen. Im Mai waren es schon wieder 1,69 Milliarden Euro, wie der Steuerstatistik der Finanzverwaltung zu entnehmen ist.
Ausschlaggebend für die leichte Erholung sind wachsende Einnahmen aus der Lohn- und Einkommensteuer, aber auch die Gewerbesteuer erholte sich, nachdem die Erlöse aus dieser wichtigen Quelle im März und April fast ins Bodenlose gefallen sind.
Ob sich der positive Trend fortsetzt, als Zeichen wirtschaftlicher Erholung, werden die Sommermonate zeigen. Bei der Gewerbesteuer hilft zudem der Bund, der im Rahmen seines Konjunkturpakets den Kommunen einen Teil der Ausfälle bei der Gewerbesteuer ausgleicht. Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) rechnet hier mit einem Zuschuss von 170 Millionen Euro.
Entscheidend wird aber sein, wie sich die Umsatzsteuer in Berlin entwickelt. Denn über diese Steuer findet ab 2020 der Länderfinanzausgleich statt.
Seit dem Lockdown Mitte März schrumpfte diese zentrale Einnahmequelle besorgniserregend zusammen, doch im Mai erholte sich in Berlin auch die Umsatzsteuer wieder. Wenn auch auf niedrigem Niveau. Von Januar bis Mai blieben die Einnahmen aus dieser Steuer um etwa 1,3 Milliarden Euro hinter dem Haushaltsplan 2020 zurück.
Zum Vergleich: Bei der Lohn- und Einkommensteuer beträgt das Defizit in den ersten fünf Monaten des Jahres rund 200 Millionen Euro, bei der Gewerbesteuer sind es rund 175 Millionen Euro.
Finanzverwaltung rechnet damit, dass Geld nachträglich reinkommt
Überraschend liegt auch die Grunderwerbsteuer bis Mai mit etwa 70 Millionen Euro unter Plan. Doch die Finanzverwaltung rechnet damit, dass dieses Geld nachträglich reinkommt. Der Immobilienmarkt in Berlin zeigt sich durch Corona ziemlich unbeeindruckt.
Vorausgesetzt, dass die Berliner Wirtschaft und der Arbeitsmarkt in den Sommermonaten noch die Folgen von Corona zu verkraften hat, sich im Herbst langsam erholt und ein ordentliches Weihnachtsgeschäft hinlegt, lässt sich die Prognose wagen: Berlin wird nicht drei Milliarden Euro verlieren, wie die bundesweite Steuerschätzung Mitte Mai vorhersagt, sondern mit etwas Glück „nur“ zwei Milliarden Euro. Die positiven und negativen Auswirkungen des Konjunkturpakets des Bundes eingerechnet.
Diese geringeren Steuerausfälle könnte Berlin vielleicht sogar aus eigener Kraft ausgleichen. Haushaltsexperten der Koalition gehen davon aus, dass die öffentlichen Ausgaben (Personal, Verwaltung, Investitionen) im laufenden Jahr bis zu zwei Milliarden Euro geringer ausfallen als ursprünglich geplant. Das wäre genug Geld, um die Corona-bedingten Mindereinnahmen bei den Steuern auszugleichen.
Was wird die Corona-Bekämpfung kosten?
Neue Schulden müsste der Finanzsenator dann nur in überschaubarem Umfang machen. Machen wir die Rechnung auf, was die Corona-Bekämpfung in Berlin 2020 nach aktuellem Wissensstand kosten wird: Bis Ende Mai hat der Senat im „Kameralen Monitoring Covid-19“ rund 2,89 Milliarden Euro für gesundheits- und wirtschaftspolitische Maßnahmen aufgelistet, die zur Bekämpfung der Pandemie „und der Abmilderung ihrer Folgen“ notwendig sind. Davon zahlt der Bund 2,5 Milliarden, das Land Berlin die restlichen 390 Millionen. Für das gesamte Jahr geht der Senat derzeit von „Corona-Ausgaben“ in Höhe von rund 800 Millionen Euro aus.
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Darüber hinaus haben die Koalitionsfraktionen SPD, Linke und Grüne im ersten Nachtragshaushalt 500 Millionen Euro für zusätzliche Hilfen für die Wirtschaft, für Familien, Vereine und Verbände reserviert.
Insgesamt würde der Haushalt also mit Corona-bedingten Ausgaben von 1,3 Milliarden Euro belastet, die über Kredite finanziert werden müssten. Viel Geld, aber deutlich weniger als jene sechs Milliarden Euro, die der Senat auf Drängen der Regierungsfraktionen auf dem Kapitalmarkt aufnehmen soll.
Rot-Rot-Grün stellt sich ein zweites dickes Sparschwein hin
Falls es dabei bleibt, würde „auf Pump“ ein gewaltiges Polster von 4,7 Milliarden Euro aufgebaut, das nach dem Willen von SPD, Linken und Grünen einer dauerhaften Rücklage „zur Bewältigung der Notlage, ihrer Folgen und zur Beseitigung der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ zugeführt werden soll.
Neben dem landeseigenen Investitionsfonds SIWA (in dem seit 2015 rund vier Milliarden Euro angesammelt, aber erst 1,3 Milliarden ausgegeben wurden) stellt sich Rot-Rot-Grün ein zweites dickes Sparschwein hin. Dieses Mal nicht gefüttert mit Jahresüberschüssen, sondern mit zusätzlichen Schulden.
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Wenn das Land Berlin den Kreditrahmen von sechs Milliarden Euro tatsächlich voll ausschöpft, wird der Schuldenberg der Hauptstadt auf die Rekordhöhe von 63,5 Milliarden Euro steigen. Im September wird es eine vorgezogene zweite Steuerschätzung für Bund und Länder geben.
Auf dieser Grundlage wird der Finanzsenator eine neue Prognose für den Haushalt 2020 vorlegen. Wenn die Zahlen dann tatsächlich günstiger ausfallen, könnte die Koalition ihre großzügige Schuldenpolitik noch einmal überdenken.
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