Wer profitiert wie vom Konjunkturpaket?: Wie der Wumms der Regierung wirken soll
Das Bundeskabinett hat das 130-Milliarden-Programm zur Ankurbelung der Konjunktur beschlossen. Ein Überblick über die Maßnahmen und wem sie nutzen.
Der Wumms muss sein, aber Olaf Scholz will sich wenigstens nicht sofort selbst zitieren. „Wir wollen aus der Krise raus mit voller ... Kraft“, sagt der Finanzminister mit kleiner Kunstpause. Aber dann kommt er doch, der Schlüsselbegriff, mit dem Scholz das Konjunkturpaket der Koalition schon vor einigen Tagen vorstellte: „Und es bleibt dabei: Unsere Maßnahmen haben Wumms.“
Am Freitag hat das Bundeskabinett den Hauptteil des 130-Milliarden-Euro-Pakets auf den Weg gebracht, das Deutschlands Wirtschaft aus dem Corona-Stillstand heraushelfen soll.
Die Sondersitzung folgte nur eine Woche nach dem Koalitionsbeschluss. Genauso schnell soll es weitergehen: Nächste Woche beginnt der Bundestag mit den Beratungen, am 29. Juni wollen Bundestag und Bundesrat endgültig beschließen.
Für Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ist dieses Tempo Teil der Strategie. Wenn das Land rasch an allen Ecken wieder durchstartet, hoffen sie, verstärkt der Aufschwung sich quasi selbst. Eine zweite Virus-Welle oder zögerliche Käufer und Investoren könnten ihn dagegen abwürgen.
Der Wirtschaftsminister betont denn auch, das Paket sei „der richtige Schritt in die richtige Richtung zur rechten Zeit“. Jetzt müssten aber auch alle die befristeten Vergünstigungen nutzen. Denn niemand könne wollen, dass aus dem Wumms „versehentlich ein Bumms“ werde.
Geringere Mehrwertsteuer
Am 1. Juli geht sie runter: Die Umsatzsteuer wird für ein halbes Jahr geringer sein. Der Normalsatz wird von 19 auf 16 Prozent gesenkt, der verminderte Satz – der vor allem auf Lebensmittel erhoben wird – von 7 auf 5 Prozent. Die Regierung erhofft sich dadurch einen regelrechten Konsumkick. Bürger und auch Unternehmen sollen zum Kaufen angereizt werden, damit die Wirtschaft wieder wächst.
Dabei setzt die Koalition darauf, dass der Handel quer durch alle Branchen die Steuersenkung nicht nur umsetzt, sondern durch eigene Aktionen ergänzt. Tatsächlich werben erste Firmen schon jetzt mit Mehrwertsteuernachlass und zusätzlichen Rabatten um Kunden.
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Die werden die Steuersenkung am ehesten bei größeren Anschaffungen merken. Wer ein Auto oder ein teureres Elektrogerät kauft, kann nennenswerte Summe sparen. Im Supermarkt oder im Restaurant um die Ecke sind die Differenzen natürlich gering
Auf die Sorge der Anbieter, wie sie es denn schaffen sollen, alle Preise wegen Centbeträgen neu auszuzeichnen, hat Altmaier reagiert: Ein allgemeiner Preisrabatt direkt an der Kasse, wie er als Ausnahme für Pauschalnachlässe schon bisher erlaubt war, wird jetzt vorübergehend zum Normalfall erklärt.
Ob alle Händler da folgen, ist unklar. Aber die Umsatzsteuersenkung hat ja auch einen zweiten möglichen Effekt: Gerade in den Branchen, die zuletzt wegen des Lockdowns geringere oder gar keine Umsätze hatten, wirkt sie als kleine Steuererleichterung im weiteren Jahresverlauf. Wer die Mehrwertsteuersenkung nicht an den Kunden weitergibt, weil die Geschäftssituation das nicht hergibt, kann sie sozusagen für sich behalten, denn es muss ja nur der jetzt ermäßigte Satz an den Fiskus abgeführt werden.
Einmaliger Kinderbonus
300 Euro für jedes Kind sollen die Sonderbelastung von Familien mildern, die sich in der Zeit geschlossener Schulen und Kitas besonders schwer taten. Ausgezahlt wird der Bonus in zwei Stufen zu je 150 Euro im September und Oktober mit dem Kindergeld.
Um den Anspruch darauf zu haben, reicht es schon aus, wenn das Kind im laufenden Jahr für mindestens einen Kalendermonat Kindergeld bekommt. Damit erhalten ihn auch Eltern, deren schon etwas älterer Nachwuchs gerade aus dem Kindergeldanspruch hinauswächst.
Hilfe für Alleinerziehende
Noch einmal einen Sonderbonus erhalten Alleinerziehende. Der wirkt sich bei der Steuererklärung aus: Der spezielle Steuerentlastungsbetrag für Alleinerziehende wird für zwei Jahre von 1908 auf 4008 Euro mehr als verdoppelt.
Reform der Kraftfahrzeugsteuer
Auf den ersten Blick wirkt die Umstellung der Kfz-Steuer eher wie eine Kaufbremse, bedeutet sie doch Mehrkosten für jeden, der sich künftig einen Geländewagen oder ein SUV kauft. Schwere Pkw stoßen besonders viel klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) aus. Der neue am CO2 orientierte Klimaaufschlag trifft sie deshalb besonders.
Der Nullpunkt soll bei 95 Gramm CO2 je Kilometer liegen. Eigentümer von Autos, die mehr ausstoßen, müssen einen Aufschlag zahlen, der in sechs Stufen von zwei bis auf vier Euro ansteigt. Der Höchstsatz ist ab 195 Gramm CO2 fällig.
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Trotz dieser Mehrbelastung, findet die Regierung, passt die Maßnahme in ihr Kaufrausch-Paket. Denn sie setze weitere Anreize für jeden, beim nächsten Autokauf noch mehr auf Umweltfreundlichkeit zu achten. Das kann aber auch ein Diesel oder Benziner sein, wenn er nur klein genug ist. Für diese Kleinwagen kam in letzter Minute noch eine Kfz-Steuersenkung um 30 Euro pro Jahr in das Paket, wenn ihr CO2-Ausstoß unter der 95-Gramm-Marke bleibt.
Unterstützung für Unternehmen
Um Firmen einen Anreiz zu geben, ohnehin nötige Investitionen jetzt vorzuziehen, sollen sie große Anschaffungen zu günstigeren Bedingungen abschreiben dürfen. Für bewegliche Güter, die 2020 oder 2021 angeschafft werden, gibt es wieder eine degressive Abschreibung von bis zu 25 Prozent.
Der Kauf von Kraftfahrzeugen, Maschinen oder Bürogeräten rechnet sich damit deutlich früher als mit der sonst geltenden linearen Abschreibung. Große wie kleine Unternehmen, die sich trotz der schlechteren Konjunktur solche Anschaffungen leisten können und keine Kreditprobleme haben, bekommen so einen nicht geringen Vorteil. Damit Firmen sich bei Dienstwagen mit privater Nutzungsmöglichkeit stärker für ohnehin schon bevorzugt behandelte E-Mobile entscheiden, wird zugleich der steuerrelevante Höchstbetrag beim Kaufpreis auf 60.000 Euro erhöht.
Der zweite „Wumms“ für Unternehmer vor allem im Mittelstand ist die Möglichkeit, Verluste in der Coronakrise mit Gewinnen aus Vorjahren bei der Steuerzahlungen zu verrechnen. Dieser Verlustrücktrag ist bisher schon sehr begrenzt möglich. Jetzt wird für 2020 verfünffacht und kann bis zu zehn Millionen Euro reichen. Das sorgt für mehr Liquidität in betroffenen Betrieben.
Da aber viele Unternehmen weiterhin unter den Corona-Maßnahmen leiden oder praktisch brachliegen wie in der Veranstaltungsbranche, hat das Kabinett am Freitag auch die Verlängerung der Überbrückungshilfen für kleine und mittlere Unternehmen beschlossen. Nun stehen für den Zeitraum von Juni bis August pro Unternehmen, abhängig vom Umsatzausfall, bis zu 150000 Euro an Zuschüssen bereit. Insgesamt stellt die Regierung in diesem Programm noch einmal 25 Milliarden Euro bereit.
Nachtragsetat wird nötig
Der von Scholz und Altmaier bereits angekündigte zweite Nachtragshaushalt für 2020 soll erst nächsten Mittwoch im Kabinett vorliegen. Sein Umfang ist noch umstritten. Scholz will eigentlich nicht viel mehr als 30 Milliarden Euro einstellen, zumal noch nicht klar ist, ob die 157 Milliarden Euro aus dem ersten Nachtragsetat vom März tatsächlich ausgeschöpft werden müssen.
Noch sind 40 Prozent dieses Etats nicht abgeflossen oder wenigstens schon verplant. Altmaiers zweites Zuschussprogramm kann bisher mit den vorgesehenen Mitteln für die erste Runde finanziert werden. In der Union dagegen peilt man für den zweiten Nachtragsetat eher ein Puffer-Volumen von etwa 50 Milliarden Euro an.
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