Seuchen-Verdacht bestätigt: Totes Wildschwein in Brandenburg war mit Schweinepest infiziert
Im Spree-Neiße-Kreis ist die Tierseuche bei einem Wildschweinkadaver nachgewiesen worden – und damit erstmals in Deutschland. Nun tagen die Krisenstäbe.
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) hat am Donnerstagmorgen bestätigt, dass das im brandenburgischen Spree-Neiße-Kreis gefundene tote Wildschwein mit der Afrikanischen Schweinepest infiziert war. Damit ist die Afrikanische Schweinepest erstmals in Deutschland nachgewiesen worden.
Währenddessen tagen in Potsdam und in mehreren Brandenburger Landkreisen die Krisenstäbe. Nach ersten Tagesspiegel-Recherchen sind wohl vor allem auch Schweinemastbetriebe im an Spree-Neiße grenzenden Landkreis Oder-Spree betroffen.
Ministerin Klöckner sagte, es bestünde kein Anlass zur Panik, da man auf die Situation vorbereitet sei und bereits rechtliche Voraussetzungen geschaffen habe, um eine effektive Eindämmung und Bekämpfung der nur für Schweine tödlichen Seuche zu ermöglichen. Dabei gehe es zunächst darum, ein „Restriktionsgebiet“ zu definieren, also den Bereich, in dem besondere Maßnahmen nötig sind.
Klöckner stellte zunächst einen Sechs-Punkte-Plan vor, der in Verantwortung des Landes Brandenburg umgesetzt wird. Dazu gehört die Einschränkung des Personen- und Fahrzeugverkehrs, die Absperrung des betroffenen Gebiets, die Einschränkung von Jagdaktivitäten und von der Nutzung landwirtschaftlicher Flächen, die verstärkte Suche nach Fallwild, also weiteren Kadavern sowie die verstärkte Jagd auf Wildschweine.
Klöckner betonte während der Pressekonferenz, dass der Fund eines einzelnen Wildschweins in einer einzigen Region „nicht heißt, dass Deutschland als komplett infiziert gilt“. Genau das ist allerdings die Frage. Bislang waren Behörden und Experten immer davon ausgegangen, dass mit dem ersten Fund eines infizierten Wildschweins die gesamte Bundesrepublik den Status „tierseuchenfrei“ verliert, was den Export von deutschem Schweinefleisch extrem einschränken könnte.
China könnte nun ein Importverbot erlassen
Vor allem China, wohin große Mengen geliefert werden, könnte nun ein Importverbot erlassen. Man sei deshalb mit China, aber auch auch mit anderen Ländern und Organisationen Europas und der Welt bereits seit der vergangenen Nacht in engem Kontakt, sagte Klöckner.
„Die Afrikanische Schweinepest ist für den Menschen ungefährlich“, sagte Klöckner am Donnerstag außerdem. Vom Verzehr von möglicherweise kontaminiertem Fleisch gehe keine Gefahr für den Menschen aus. Für Schweine sei die Seuche fast immer tödlich.
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Der Kadaver des Wildschweins war wenige Kilometer von der deutsch-polnischen Grenze entfernt im Landkreis Spree-Neiße gefunden worden. Das Friedrich-Loeffler-Institut, das als nationales Referenzlabor Verdachtsfälle abklärt, brachte den endgültigen Nachweis.
In einer Pressekonferenz am Donnerstag kündigte Brandenburgs Landwirtschaftsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) Schritte nach dem Schweinepest-Fall an. Im Umkreis von 15 Kilometern soll es Jagd- und Ernteverbote geben.
Seit Monaten kursiert die Schweinepest in Polen
Ein Übertreten der Tierseuche nach Deutschland wird seit längerem befürchtet. Seit mehreren Monaten kursiert die Afrikanische Schweinepest in Polen. Im März wurde im Nachbarland ein daran gestorbenes Wildschwein nur etwas mehr als zehn Kilometer vor der Grenze zu Deutschland entdeckt. Als Ursache für die Verbreitung in Europa wird die illegale Entsorgung von Speiseabfällen vermutet, die den Erreger enthielten.
Brandenburg hatte in den Kreisen Oder-Spree und Spree-Neiße sowie in der Stadt Frankfurt (Oder) einen 120 Kilometer langen Elektroschutzzaun an der Grenze errichtet. Er soll Wildschweine aufhalten. Ein fester Schutzzaun im Kreis Spree-Neiße ist geplant. Auch am sächsischen Grenzverlauf wurde ein Zaun gebaut.
Für das Krisenmanagement sind die örtlichen Behörden zuständig. Wird die Schweinepest bei einem Wildschwein festgestellt, wird nach Angaben des Bundesministeriums ein „gefährdeter Bezirk“ festgelegt und eine Pufferzone eingerichtet. Hausschweine und Schweinefleisch dürfen dann aus diesen Gebieten - bis auf Ausnahmen - nicht herausgebracht werden.
Verbraucherschutz-Verwaltung: Berliner sollten jetzt noch aufmerksamer sein
Am Donnerstag äußerte sich auch die Berliner Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz zum Schweinepest-Nachweis in Brandenburg: „Da Berlin durch das Geschehen im Augenblick nicht unmittelbar betroffen ist, bleiben die in Berlin für den Ernstfall vorgesehenen Strukturen, wie beispielsweise die Einrichtung eines besonderen Einsatzstabes, weiter im Stand-By-Modus“, hieß es. Die Zuständigkeit für die operative Tierseuchenbekämpfung liege bei den Bezirken, so die Senatsjustizverwaltung.
Berliner sollten jetzt noch aufmerksamer sein „in Bezug auf das Verbringen und die Entsorgung von Schweinefleischerzeugnissen“. Man wisse aus den Erfahrungen aus Osteuropa, dass nicht durchgegarte Fleischerzeugnisse wie Rohschinken oder Salami eine der Hauptinfektionsquellen darstellen würden, aber auch Fahrzeuge, Menschen und Hunde könnten „eventuell anhaftendes Virus unerkannt verbreiten“.
Um zu vermeiden, dass der Erreger in Berliner Wildschwein- oder Hausschweinbestände eingeschleppt wird, sollten mehrere Hinweise beachtet werden, appellierte die Verwaltung.
Hinweise der Berliner Verbraucherschutzverwaltung zum Schutz vor der Afrikanischen Schweinepest:
- Lebensmittelreste dürfen keinesfalls in der freien Natur verbleiben, sondern sollten sicher über geschlossene Abfallbehälter entsorgt werden.
- Bitte bringen Sie keine tierischen Erzeugnisse aus Ländern und Regionen mit, in denen die Afrikanische Schweinepest verbreitet ist (das Baltikum, Belgien, Bulgarien, Rumänien, Ukraine, Polen, Tschechische Republik).
- Bitte füttern Sie keine Wildschweine.
- Bitte sorgen Sie als Hundebesitzer dafür, dass Wild von Ihrem Hund nicht gehetzt wird. Meiden Sie Spaziergänge in den betroffenen Gebieten in Brandenburg. Beachten Sie die amtlichen Hinweise und Beschilderungen.
- Bitte verhindern Sie als Schweinehalter den Kontakt zwischen Ihren Hausschweinen und Wildschweinen.
In Berlin würden derzeit regelmäßig von tot aufgefundenen Wildschweinen Proben auf das Virus untersucht, hieß es aus der Verwaltung. Wer ein totes Wildschwein entdecke, solle das zuständige Forstamt oder Veterinäramt des Bezirks informieren.
Sorge bei Schweinebauern wächst
Nach dem Schweinepest-Nachweis in Brandenburg wächst bei Schweinebauern die Sorge vor wirtschaftlichen Auswirkungen. „Ein ASP-infiziertes Wildschwein in Deutschland hat grundsätzlich Folgen für alle Schweinebauern in ganz Deutschland“, sagte der Geschäftsführer der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands, Torsten Staack, der Deutschen Presse-Agentur.
Wie stark die wirtschaftlichen Folgen ausfielen, hänge maßgeblich davon ab, inwieweit Märkte geöffnet bleiben würden. „In Europa ist das klar der Fall. Bislang ist aber noch unklar, wie sich Abnehmer in Drittlandsmärkten - also insbesondere China - verhalten“, sagte Staack.
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Zwar sei der wichtigste Absatzmarkt für Schweinefleisch der deutsche Markt, betonte Staack. Es gebe aber auch wichtige Absatzmärkte in Drittländern, etwa in Asien. „Würde deutsches Fleisch für Asien gesperrt werden, könnten entsprechende Mengen nicht dorthin abfließen und hierfür müssten natürlich andere Absatzkanäle erschlossen werden. Das würde dann im Inland mit Sicherheit zu Preisdruck führen“, sagte Staack.
Preisturbulenzen für die Schlachtbetriebe könnten die Folge sein. Bedingt durch die Corona-Krise und die hohen Sicherheitsmaßnahmen könnten viele Betriebe „ohnehin nur mit angezogener Handbremse“ produzieren. Schon jetzt gebe es ein leichtes Überangebot an lebenden Schweinen.
Die Schweinezüchter fordern nun, den Fokus auf die Eindämmung der Schweinepest zu legen. „Es muss alles dafür getan werden, dass sich die Schweinepest nicht weiter ausweitet“, sagte Staack. Mit Krisenplänen und Übungen habe man sich in den vergangenen Jahren auf den Krisenfall einstellen können. „Da fängt man jetzt nicht bei Null an“, sagte Staack. „Wir haben den Eindruck, dass wir in Deutschland daher gut aufgestellt sind.“
Polen, Ungarn und Rumänien in diesem Jahr mit meisten ASP-Fällen
Von der Afrikanischen Schweinepest (ASP) ist nach Erkenntnissen des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) in Greifswald in diesem Jahr bislang hauptsächlich Osteuropa betroffen. Die Infektion sei bisher bei gut 8300 Wildschweine nachgewiesen worden, davon rund 3450 in Ungarn und rund 3150 in Polen, teilte das FLI am Donnerstag auf Anfrage mit.
Zudem sei ASP europaweit in 747 Hausschwein-Beständen gefunden worden, mit 597 lägen die meisten in Rumänien. Allein in der vergangenen Woche seien in Rumänien 32 Ausbrüche gemeldet worden. Über die Anzahl der betroffenen Hausschweine gebe es keine Erkenntnisse, sagte ein FLI-Sprecherin.
Die Gesamtzahl der gefundenen Wildschweine mit ASP lag im vergangenen Jahr noch bei 6373. In Belgien waren es 482. Die betroffenen Hausschwein-Bestände gab das Institut für 2019 mit 1911 an. Alleine in Rumänien habe die Zahl bei 1728 gelegen. (mit dpa)