Hohenzollern-Chef zu NS-Verstrickungen: „Tiefpunkt unserer fast 1000-jährigen Familiengeschichte“
Das Abgeordnetenhaus beschließt die Berliner Linie zu Forderungen der Hohenzollern nach Kunstschätzen – und Georg Friedrich Prinz von Preußen reagiert.
Nächster Akt im Hohenzollern-Konflikt: Während Berlins Abgeordnetenhaus jetzt klar auf eine gerichtliche Klärung drängt, spricht sich Georg Friedrich Prinz von Preußen erneut für einen Vergleich mit der öffentlichen Hand über seine Forderungen nach Entschädigungen und tausenden Kunstschätzen aus Museen der Hauptstadtregion aus.
Er unterstütze die Forderung, "bedeutende Kulturgüter für die Öffentlichkeit zu erhalten", versichert der Chef des Hauses Hohenzollern in einer am Donnerstag verbreiteten persönlichen Erklärung zu dem rot-rot-grünen Beschluss des Berliner Parlamentes. Aber er sei "weiterhin überzeugt, dass mit einer außergerichtlichen Einigung das beste Ergebnis für die Berliner Museen erzielt werden könnte."
Zugleich räumt der Nachfahre des letzten deutschen Kaisers NS-Verstrickungen seiner Vorfahren ein. "Meine Familie und ich stehen unabhängig von der Eigentumsthematik zur historischen Verantwortung des Hauses Hohenzollern. Die Zeit von 1930 bis 1935 war in politischer und moralischer Sicht der Tiefpunkt unserer fast 1000-jährigen Familiengeschichte."
Zuvor hatte das Parlament mit den Koalitionsstimmen von SPD, Linke und Grünen einen Beschluss gefasst, demzufolge der jahrelange Konflikt mit den Hohenzollern gerichtlich geklärt werden sollte. Der Senat wird aufgefordert, „das öffentliche Interesse und Eigentum an diesem strittigen Kulturerbe zu verteidigen und darauf hinzuwirken, dass das von der Erbengemeinschaft selbst angestrengte Gerichtsverfahren zügig zu Ende geführt wird.“ Außerdem soll der Senat sämtliche Forderungen der Hohenzollern offenlegen, die eine Entschädigung für enteignete Immobilien und tausende Kunstschätze aus Museen als Eigentum reklamieren.
CDU wirft Rot-Rot-Grün "politische Haltungskampagne" vor
Während Koalitionsredner etwa den jüngst von den Hohenzollern angedrohten möglichen Rückzug von Leihgaben aus der Hauptstadtregion kritisierten, hielt der CDU-Abgeordnete Robbin Juhnke der Koalition eine „politische Haltungskampagne“ vor. Er sprach sich für eine Verhandlungslösung aus, um Sammlungsgegenstände für Museen zu sichern. Und zwar auch aus Solidarität mit Brandenburg, das viel stärker betroffen sei.
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Es werde in die „kommunistische Mottenkiste gegriffen, um antiaristokratische Ressentiments zu schüren“, argumentierte die AfD. Der FDP-Abgeordnete Stefan Förster äußerte Verständnis für den rot-rot-grünen Kurs, der auch auf Transparenz ziele. Die Hohenzollern hätten „viel Porzellan“ zerschlagen, sagte Förster. Andere Adelsfamilien, die in die Mark zurückgekehrt seien, hätten sich nach der Wiedervereinigung anders verhalten.
Preußen-Prinz: Bin zu weitreichenden Zugeständnissen bereit
In seiner Erklärung äußert sich Georg Friedrich Prinz von Preußen wie in jüngsten Interviews kompromissbereit. "Bereits seit den 1950er Jahren stellte mein Großvater Prinz Louis Ferdinand den staatlichen Museen im damaligen West-Berlin bedeutende Kunstgegenstände aus unserer privaten Kunstsammlung unentgeltlich zur Verfügung. Auch ich fühle mich dieser Tradition verpflichtet", schreibt der Hohenzollern-Chef.
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In den Gesprächen mit dem Bund, Berlin und Brandenburg geht es nach seinen Worten "unter anderem darum, die seit fast 30 Jahren ungeklärten Eigentumsfragen an rund 15.000 Kunstgegenständen" abschließend zu regeln. "Nur für einen Teil der Kunstwerke ist dabei die Frage relevant, welche Rolle mein Urgroßvater Wilhelm Prinz von Preußen, der frühere Kronprinz, in der Endphase der Weimarer Republik gespielt hat." Und er "unterstütze die Forderung, die Bürgerinnen und Bürger transparent über den Gegenstand und den Fortschritt der Gespräche zur Sicherung unseres gemeinsamen Kulturgutes zu informieren".
Nach Klagewelle: Parlament betont Meinungsfreiheit
Vor dem Hintergrund des juristischen Vorgehens der Hohenzollern gegen Historiker und Medien setzt sich Berlins Parlament im rot-rot-grünen Beschluss „mit Nachdruck“ für die freie Ausübung der Wissenschafts-, Presse- und Meinungsfreiheit ein.
Wie berichtet, hat Georg Friedrich Prinz von Preußen am Berliner Landgericht seit 2019 über 80 Verfahren gegen Medien, Historiker und Politiker angestrengt, nachdem diese sich zu seinen Forderungen geäußert hatten, deren Ausmaß Tagesspiegel und "Spiegel" im Sommer 2019 enthüllten. Er hatte die Klagewelle damit erklärt, allein gegen Falschinformationen vorzugehen. Allerdings hatte am Dienstag das Oberlandesgericht Hamburg den für ihn arbeitenden Medienanwalt verurteilt, gegen den Historiker Stephan Malinowski öffentliche Unterstellungen wie "Desinformation" zu unterlassen.
Wie Malinowskis Anwalt Marcellus Puhlemann in einem Gastbeitrag für diese Zeitung publik machte, waren die Hohenzollern seit 2015 massiv juristisch gegen Malinowski vorgegangen. In einem Gutachten für das Land Brandenburg war Malinowski 2013 zum Ergebnis gekommen, dass die Hohenzollern der NS-Dikatur erheblich Vorschub geleistet haben, was nach Rechtslage in der Bundesrepublik eine Entschädigung für zwischen 1945 und 1949 in der damaligen sowjetischen Besatzungszone enteignete Immobilien und eine Rückgabe von deren damaligen Inventar ausschließen würde.
In seiner Erklärung versichert Georg Friedrich Prinz von Preußen unter Verweis auf den aus seiner Sicht politisch-moralischen Tiefpunkt der Familiengeschichte in den Jahren 1930 bis 1935 auch: "Daher unterstütze ich ausdrücklich eine kritische Aufarbeitung durch Historikerinnen und Historiker." Ob das auch für unabhängige historische Forschungen gilt, die nicht im Auftrag des Hauses Hohenzollern erfolgen, bleibt abzuwarten.