Schulbau in Berlin: Tennisclub soll Schule weichen
Berlin muss kräftig bauen und sanieren, um auf die wachsende Schülerzahl zu reagieren. Die Hürden sind immens. Zwei Beispiele aus Mitte und Pankow.
Bauen, bauen, bauen muss Berlin, um genügend Platz für den Schulunterricht zu schaffen. Soviel steht fest wegen der 86.000 zusätzlichen Schüler. Nun zeigen zwei weitere Beispiele aus Mitte und Pankow, mit welchen Problemen es die Bezirke und der Senat zu tun bekommen – und wie sich die Beteiligten gegenseitig unter Druck setzen.
Beispiel Mitte. Hier bahnt sich ein Konflikt an, weil Senatsbaudirektorin Regina Lüscher verlangt, dass der Bezirk dem multikulti Tennisclub TC Mitte die Außenanlage kündigt. Seitdem Sport- und Bildungsstadtrat Carsten Spallek (CDU) Lüschers Schreiben den zuständigen Ausschüssen zur Kenntnis gab, herrscht helle Aufregung. Der Verein ist bekannt für seine gute Arbeit im sozialen Brennpunktgebiet zwischen Kreuzberg und Mitte.
Spallek bezweifelt die Notwendigkeit der Kündigung
Lüscher argumentiert, an der Adalbertstraße sei eine Grundschule geplant, deren Freifläche nicht reiche. Deshalb sei „die Auflösung der Tennisanlagen unumgänglich". Andernfalls sei die weitere Planung „nicht möglich“. Anders ausgedrückt: Falls Spallek nicht kündigt, könnte der Senat jederzeit behaupten, dass der Bezirk an der Schulraumnot selbst schuld sei.
So einfach ist es aber offenbar nicht. Spallek sieht es als längst nicht erwiesen an, dass auf dem großen Gelände nicht beides möglich ist. Er will erstmal verschiedene Möglichkeiten für die Flächenplanung klären. Dazu zählt auch die teilweise Nutzung der Tennisanlage durch die Schule. Im Übrigen sagt Spallek, er sorge sich um die Rechte der BVV, wenn der Senat sich im Rahmen der Schulgründung derart verhalte: "Werden wir zu bloßen Befehlsempfängern degradiert?", fragt Spallek.
Der TC Mitte will kämpfen - mal wieder
Der Tennis-Verein ist kampferprobt, es gab früher schon Versuche, ihn zu verdrängen. „Tausende Unterschriften“ habe man damals gesammelt, berichtet Vereinsvorsitzende Ina Streubel. Sie selbst ist Lehrerin und Therapeutin und arbeitet mit Hörbehinderten zusammen, die auch im Verein spielen. Ansonsten ist der TC Mitte dafür bekannt, dass er 27 Nationen unter seinem Dach versammelt. Die Spieler kommen ebenso aus Vorschulgruppen der benachbarten Kitas wie aus der Humboldt-Uni.
Und Vorstandsmitglied Fred Bruss fügt im Hinblick auf Beschlüsse der Betroffenenvertretung in der Luisenstadt hinzu, dass Lüschers Aktion „allen Lippenbekenntnissen des Senats zur Bürgerbeteiligung Hohn spricht“. Bereits an diesem Montag will der Vorstand zusammenkommen, um über die Protestplanungen zu beratschlagen, am Mittwoch werden die Sportverbände hinzugezogen.
In Pankow geht es um ein Gymnasium
Beispiel Pankow. Zwischen Weißensee und Prenzlauer Berg ist die Schulraumnot mindestens so groß wie in Mitte. Ein akuter Fall ist das übermäßig nachgefragte Weißenseer Primo-Levi-Gymnasium, das in zwei unsanierten Gebäuden mit zu kleinen Klassenräumen an der Woelckpromenade und Pistoriusstraße untergebracht ist. Fehlender Brandschutz, veraltete Elektroanlagen, klapprige Fenster machen die Sanierung unumgänglich. Allerdings ist sie kaum umsetzbar, weil es kein freies Gebäude gibt, in das der Schulbetrieb so lange ausgelagert werden könnte: Andernfalls würde es aber Jahre dauern, die Schule zu sanieren. Bildungsstadtrat Thorsten Kühne (CDU) warnt davor, dieses Problem auf die leichte Schulter zu nehmen: "Baufreiheit ist nicht trivial", lautet seine Erfahrung.
Der Grundstückspreis ist das Problem
Die Lösung des Problems könnte nahe liegen: Neben dem Gebäude an der Woelckpromenade befindet sich ein freies Grundstück. Die Schule hatte daher gefragt, ob man dort nicht ein neues Schulgebäude errichten könnte. Das bisherige Zweitgebäude mit kleineren Klassenräumen könnte dann zu einer der dringend benötigten Grundschulen umgebaut werden.
Schönheitsfehler dieses Vorschlags: Das 5000-Quadratmeter- Grundstück soll zuletzt für zwölf Millionen Euro den Besitzer gewechselt haben. Zusammen mit dem erforderlichen 15-Millionen-Neubau wäre man schon bei 27 Millionen, während die Sanierung der beiden Bestandsgebäude „nur“ 24 Millionen kosten soll, sagt Stadtrat Kühne. Er befürchtet, dass es dem Senat zu teuer wird: "Der Grundstückspreis ist das größte Problem", steht für Kühne fest.
Wäre eine Öffentlich-Private-Partnerschaft die Lösung?
Und dann gibt es da auch noch den Eigentümer, der eigentlich Wohnungen bauen wollte, der sich aber bei einem Gespräch mit Kühne bereit erklärt habe, auf einen Schulbau umzuschwenken, was allerdings neue Fragen aufwerfen würde - etwa zu den Konditionen einer solchen Öffentlich-Privaten-Partnerschaft, die vom Senat wohl kritisch gesehen würde. Dennoch gibt Schulleiter Uwe Schramm die Hoffnung nicht auf: Für diesen Dienstag hat er Abgeordnete und Bildungs-Staatssekretär Mark Rackles (SPD) eingeladen, um die Chancen abzuwägen. Mal sehen, wer kommt.
Susanne Vieth-Entus