Reaktion auf Zwangsversetzung: Tempelhofer Schule könnte jeden fünften Lehrer verlieren
Nach einer Zwangsversetzung gibt es massenweise Versetzungsanträge: Viele Kollegen wollen sich nicht mit der Situation an der Johanna-Eck-Schule abfinden.
Die Tempelhofer Johanna-Eck-Schule steuert auf ein massives Personalproblem zu: Mindestens jeder fünfte Lehrer hat einen Umsetzungsantrag gestellt und will im Sommer gehen. Dies berichteten übereinstimmend mehrere Pädagogen dem Tagesspiegel. Der meistgenannte Grund ist die Zwangsversetzung eines langjährigen Kollegen, der seine Schüler, darunter etliche Flüchtlinge, kurz vor den Abschlussprüfungen verlassen musste. Weitere Lehrer kündigten ihren Weggang im kommenden Jahr an.
Aus dem Kollegium ist zu hören, dass aktuell 15 Lehrer zu den Sommerferien gehen wollen. Da die Schule laut Schulporträt rund 60 Lehrer hat, wäre das sogar ein Viertel der Belegschaft. Die Behörde von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) präsentierte am Mittwoch aber etwas andere Zahlen: „Zurzeit liegen 13 Umsetzungsanträge vor“, teilte Sprecherin Beate Stoffers mit, insgesamt habe die Schule „65 Lehrkräfte auf der Lehrerliste“. Dies würde bedeuten, dass „nur“ 20 Prozent verloren gingen.
Problematisch ist dabei, dass es sich um voll ausgebildete Lehrer mit großem Erfahrungsschatz in der Arbeit mit geflüchteten Schülern handelt: Die Johanna-Eck-Schule ist auf Sprachförderung und Integration spezialisiert. Da der Lehrermarkt leergefegt ist, dürfte es kaum möglich sein, versierte Lehrer als Ersatz zu bekommen. Stattdessen müssten Quereinsteiger die Lücken füllen, wird befürchtet.
Dem zwangsversetzten Lehrer wurde vorgeworfen, Stimmung gegen die Schulleiterin zu machen. Sie hat allerdings auch andere Kollegen gegen sich: Sie werfen ihr vor, das erfolgreiche Konzept der Schule „kaputtgemacht“ zu haben. Die Behörde steht aber hinter der gut vernetzten Rektorin: Als bekannt wurde, dass über sie ein kritischer Zeitungsbericht erscheinen sollte, wurde kolportiert, dass es in der Schule „Rassismus“ und „schwarze Kassen“ gebe. Der zweite Vorwurf wurde bereits entkräftet, der erste schwebt noch. Auch durch diesen Angriff fühlen sich die Lehrer verletzt. Ob die Bildungsverwaltung die Anträge auf Umsetzung genehmigt, steht noch nicht fest: „Entscheidungen sind hier noch nicht erfolgt“, hieß es seitens der Bildungsverwaltung.
"Ungeheurer Verlust an Qualität"
Verbeamteten Lehrern kann rein rechtlich zweimal ein Wunsch auf Versetzung verwehrt werden, Angestellte haben mehr Freiheiten. Dem Vernehmen hat die Schulleiterin nach außen hin positiv auf die Versetzungsanträge reagiert. Sie erhoffe sich dadurch weniger "Gegenwind" aus dem Kollegium, wird kolportiert. Ob dies der Wahrheit entspricht, war nicht zu erfahren: Die Schulleiterin gebe der Presse keine Auskünfte, teilte ihre Verwaltungsleiterin am Mittwoch kategorisch mit, als der Tagesspiegel um Stellungnahme bat. Anfragen würden generell an die Pressestelle der Bildungsverwaltung weitergeleitet.
Die Kritiker der Schulleiterin beklagen den "ungeheuren Verlust an Qualität", der durch den Weggang der erfahrenen Kollegen passiere. Empört sind sie aber vor allem darüber, dass man den Schülern kurz vor dem Abschluss quasi über Nacht ihren Klassenlehrer nahm, als er zwangsversetzt wurde.
Nach Tagesspiegel-Informationen hatte die Schulleiterin gegenüber ihren Vorgesetzten darauf beharrt, dass eine Zusammenarbeit mit dem zwangsversetzten Lehrer nicht mehr möglich sei, weil er immer wieder den Schulfrieden störe und gegen sie Stimmung mache.
In einem anderen Fall musste die Schulleiterin gehen
Bildungs-Staatssekretär Mark Rackles (SPD) hatte sich selbst um den Konflikt an der Sekundarschule gekümmert, und kam dabei offenbar zu dem Schluss, dass nicht die Schulleiterin das Problem sei sondern die Kollegen, die sich nicht mit den neuen Gegebenheiten arrangieren wollten. Auch als sich 2017/18 ein Großteil der Kollegen krank meldete, um gegen die Zwangsversetzung ihrer damaligen Konrektorin zu protestieren, wich Rackles nicht zurück.
Dass es auch ganz anders geht, hatte Rackles selbst demonstriert, als er 2012 noch frisch im Amt war. Damals hatten sich elf Lehrer des Johannisthaler Montgolfier-Gymnasiums krank gemeldet. Am Ende wurde die Schulleiterin an eine andere Schule versetzt, nachdem sich Rackles ein Bild von der Lage gemacht hatte.
Eine derartige Version schien an der Johanna-Eck-Schule offenbar undenkbar. Zu den Gründen kursieren unterschiedliche Annahmen. Manche Beobachter meinen, dass sich die alten Kollegen zu viel "erlaubt" hätten: Vorschriften seien jahrelang unterlaufen worden. Daher sei es nicht infrage gekommen, die neue Schulleiterin, die sich den alten Gepflogenheiten widersetzt habe, von der Schule abzuziehen.
Eine andere Theorie lautet, die neue Schulleiterin könne sich wegen ihrer guten Beziehungen zur Bildungsverwaltung alles erlauben.
Deutlicher Rückgang bei den Anmeldungen
Inzwischen zeigt sich der Niedergang an vielen Stellen - auch am Verlust bei den Anmeldezahlen: Zu den besseren Zeiten war die Schule gut nachgefragt, soll sogar zweimal mehr Anmeldungen als Plätze gehabt haben, wie Pädagogen berichten. Inzwischen sind davon nur rund 40 Anmeldungen übrig. Das sind nochmal weniger als im Vorjahr, als die Stimmung schon zu kippen begonnen hatte.
Welchen Anteil an dem Rückgang die im Jahr 2018 - vermutlich aus Kreisen der Bildungsverwaltung - kolportieren Berichte über angeblichen Rassismus hatten, ist schwer zu sagen. Die Vorwürfe verunsicherten nicht nur die Familien sondern auch den Großteil des Kollegiums, das sich früher als andere in Berlin auf die Fahnen geschrieben hatte, jeder Art von Rassismus entgegenzutreten: Die Empörung über diese Vorwürfe hält bis heute an.