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Die Tempelhofer Johanna-Eck-Schule nutzt die Sommerferien für Renovierungsarbeiten.
© Kitty Kleist-Heinrich
Update

Johanna-Eck-Schule in Berlin-Tempelhof: Eine Berliner Schule im Ausnahmezustand

Seit 2016 gibt es schwere Konflikte an der einst hoch gelobten Sekundarschule. Jetzt wurden sie publik - gespickt mit dubiosen Vorwürfen und einem "Maulkorb".

An der Tempelhofer Johanna-Eck-Sekundarschule wird seit fast zwei Jahren ein Stück aufgeführt: Es lautet: „Wie schaffe ich es, einen Konflikt nicht zu lösen, sondern immer weiter zu verschärfen“. Der letzte Akt scheint in weiter Ferne.

Die Geschichte, die erzählt werden muss, weil die gegnerischen Protagonisten ihre jeweilige Sicht der Dinge nicht mehr für sich behalten wollen, handelt von einem Haufen Bargeld, einer neuen Schulleiterin und Rassismusvorwürfen. Brisant ist das Ganze zusätzlich, weil es sich an einer der angesehensten Schulen der Stadt abspielt, denn die Johanna-Eck-Schule ist nicht nur viel gelobt und ausgezeichnet, sondern hat auch eine besondere Vorgeschichte: Der harte Kern des Kollegiums stammt noch aus der Werner-Stephan-Hauptschule, die bekannt war für ihre exzellente Arbeit – so exzellent, dass ihr Leiter Siegfried Arnz vor über zehn Jahren in die Senatsverwaltung für Bildung geholt wurde. Unter Arnz, der inzwischen pensioniert ist, und seinen Mitstreitern wurde die Werner-Stephan-Schule zur ersten Schule Berlins, die sich „Schule ohne Rassismus“ nennen durfte.

13.000 Euro im Schultresor

Zwar wurde die Werner-Stephan-Schule im Rahmen der Sekundarschulreform mit einer Realschule fusioniert und heißt seitdem „Johanna-Eck-Schule“, aber die Prämissen blieben unverändert, was sich vor allem in der erfolgreichen Arbeit mit Migranten und Geflüchteten niederschlug. Auch Arnz' Nachfolgerin Hannelore Weimar stammte noch aus dem alten Team. Als Weimar vor zwei Jahren in den Ruhestand ging, folgte ihr Mengü Özhan-Erhardt, die einen sehr guten Draht in die Bildungsverwaltung haben soll. Kurz nach Dienstantritt fand sie im Sekretariat einen Tresor mit einem hohen Bargeldbetrag – die Rede ist von 13.000 Euro. Zwar wurde schnell klar, dass sich hier niemand persönlich bereichern wollte. Vielmehr handelte es sich um Geld, das von Eltern für Bücher eingesammelt, aber nicht ausgegeben worden war. Allerdings ist unbestritten, dass es gegen Vorschriften verstößt, wenn eine Schule derartig hohe Summen gewissermaßen hortet. Weimars Stellvertreterin, die ihren Posten zunächst auch unter Özhan-Erhardt innehatte, wurde inzwischen versetzt. In der Sache wird dem Vernehmen nach disziplinarrechtlich ermittelt oder vorermittelt.

Rassismus aus dem Kollegium?

Mit dem Auffinden des Geldes und der Versetzung der Stellvertreterin war es allerdings nicht getan, denn der besagte „harte Kern“ des alten Kollegiums fand es absurd, dass in der Folge von „schwarzen Kassen“ die Rede war. „Wir hatten den Eindruck, dass die Sache mit dem Geld, von dem wir Anderen nichts wussten, instrumentalisiert wurde, um uns in Misskredit zu bringen“, berichtet einer der Lehrer. Aber es gab noch mehr Vorwürfe gegen die ehemalige Schulleitung: So seien mehr Schüler für den Religionsunterricht angemeldet worden, als es überhaupt Schüler an der Schule gab: Die dadurch zusätzlich verfügbaren Lehrerstunden seien etwa in die Schulstation geflossen.

Was aber die Atmosphäre an der Schule mehr belastete als die Vorwürfe, sei die Art und Weise gewesen, wie die neue Schulleiterin mit den aufgedeckten Missständen umgegangen sei, heißt es. Bereits Anfang 2017 war das Verhältnis so zerrüttet, dass ein erster Schlichtungsversuch ergebnislos verlief, wie die „Berliner Zeitung“ berichtet. Aber das war nicht alles: Die Antidiskriminierungsbeauftragte der Bildungsverwaltung, Saraya Gomis, erschien im Sommer 2017 in der Schule. Der Grund: Özhan-Erhardt sei wegen ihrer türkischen Wurzeln von Kollegen diskriminiert worden.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt platzte auch den Kollegen der Kragen, die sich bis dahin eher neutral verhalten hatten: „Die im Kollegium vorhandenen Probleme haben nichts mit dem Migrationshintergrund von Frau Özhan-Erhard zu tun“, betont Reiner Haag, einer der angesehensten und langjährigsten Lehrer der Schule.

"Affengeräusche" zur Begrüßung?

„Absurd“ sei der Diskriminierungsvorwurf, sagen auch andere Mitarbeiter der Schule, die die Vorgänge kennen. Ihre Empörung wurde noch größer, als ihnen Saraya Gomis bei einer Dienstbesprechung keine konkreten Beispiele für die angeblich diskriminierenden Äußerungen gegen Özhan-Erhardt nennen wollte.

Eine - inzwischen ebenfalls versetzte - Lehrerin ärgerte sich dem Vernehmen nach über die Vorgänge und das Verhalten der Schulleitung dermaßen, dass sie ein Plakat malte: "Affentheater statt Unterricht" war da zu lesen. Dazu trug sie eine Affenmaske. Zudem wurde über die BZ/Bild kolportiert, dass sie mit ihren Schülern im Ethikunterricht ein übles "Diskriminierungsspiel“ gespielt habe, bei dem Gomis namentlich auftauchte. Dazu gibt es allerdings auch eine andere Darstellung, wonach es sich lediglich um einen Zettel gehandelt habe, der nicht im Unterricht benutzt, sondern als Zeichen des Protests nur im Lehrerzimmer ausgelegt worden sei, wie eine Lehrkraft berichtet.

Doppelter Diskriminierungsvorwurf

Aber das ist noch nicht alles: Die Sprecherin der Bildungsverwaltung, Beate Stoffers, berichtete dem Tagesspiegel am Sonntag, dass Gomis beim Betreten der Schule von oben aus dem Treppenhaus „bespuckt“ worden sein soll. Sie bestätigte auch die Darstellung aus BZ/Bild, wonach jemand „Affengeräusche“ gemacht und „getrampelt“ habe, als Gomis erschien. Die betreffende Person sei aber „weggehuscht“ und daher nicht zu erkennen gewesen, hieß es weiter. In der Folge tauchte ein neuer Vorwurf auf, nämlich der, dass Gomis selbst, deren Vater aus dem Senegal stammt, an der Schule rassistisch beleidigt worden sei. In diesem Zusammenhang wurden dann auch die Affenmaske und das Plakat mit dem "Affentheater" als rassistische Äußerung gewertet.

Auch ein ehemaliger Personalrat meldet sich

Gegen diese Deutung gibt es Einwände aus dem Kollegium: „Meine Kollegen und ich wehren uns entschieden gegen die Rassismusvorwürfe. Niemand von uns hat Affengeräusche gemacht, gespukt oder mit den Füßen getrampelt“, beharrt Haag. Niemand im Kollegium sei „so primitiv“. Er kritisiert, dass die Bildungsverwaltung zu spät einen Vermittler eingesetzt habe - ein Vorwurf, über den der Tagesspiegel bereits im Juli berichtet hatte. Statt zu schlichten, sei das Kollegium „in Sippenhaft genommen und die Situation verschärft worden – zum Schaden der Schule und aller Beteiligten“. Auch der langjährige Personalrat Norbert Gundacker, der bis zum Sommer an der Schule arbeitete, betont, dass es in all den Jahren „keinen Funken Diskriminierung“ gegeben habe. Daher ist das Geschehen für ihn „höchst unerklärlich“.

Der nächste Schlichtungsversuch - und ein "Maulkorb"

Inzwischen wurde ein neuer Versuch der Schlichtung gestartet. Ergebnis: offen.

Die Voraussetzungen sind ungünstig: Nach einer Dienstbesprechung am Montagmorgen berichteten Lehrer, dass die Schulleitung "Maulkörbe" verteilt habe: Die Kollegen sollten sich über den Konflikt nicht gegenüber den Medien äußern. Eine Nachfrage in der Bildungsverwaltung, ob diese Darstellung stimme, wurde bis Montagabend nicht beantwortet.

"Wie ein Pulverfass"

"Es fühlt sich an wie ein Pulverfass", fasste eine Lehrkraft die Stimmung auf der Dienstbesprechung zusammen. Was die Kollegen umtreibe, sei nicht zuletzt die Frage, wer den "Unsinn" in Bezug auf den angeblichen Rassismus jetzt plötzlich an die BZ/Bild gegeben habe. Da in dem besagten Artikel der Tresor der Schule zu sehen war und Details genannt werden, die nur aus der Verwaltung kommen können, meinte eine ehemalige Elternvertreterin: "Es werden Rauchbomben geworfen, um von der Fehlentscheidungen der Obrigkeit und den Schwächen der Schulleitung abzulenken".

Auch Jens Großpietsch, ein inzwischen pensionierter höchst angesehener Berliner Schulleiter, meldete sich zu den Vorgängen an der Johanna-Eck-Schule zu Wort: "Erfolg zählt nicht. Im Mittelpunkt steht nicht der Schüler, sondern ob man untertänig ist. Eigenständige Entwicklung ist nicht gern gesehen", schrieb Großpietsch am Sonntag auf Twitter nach einem Bericht der Berliner Zeitung über die "Schulrebellen von Tempelhof".

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