Ukraine-Flüchtlinge in Berlin: Tegel nimmt die ersten 250 Geflüchteten auf, Wärmezüge am Hauptbahnhof
Immer mehr Flüchtlinge kommen nach Berlin, der Senat organisiert die Aufnahme neu. Die Unterkunft am alten Flughafen geht in Betrieb. Freiwillige üben Kritik.
Allein 2600 ukrainische Kriegsflüchtlinge haben die Nacht von Freitag auf Sonnabend am Hauptbahnhof verbracht. Sie seien dort in Wärmezügen und in den beiden Zelten untergebracht worden, sagte Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) dem Tagesspiegel. Die meisten seien auf der Durchreise zu Verwandten in anderen Städten nach Berlin gekommen. Die Situation am Hauptbahnhof ist weiter schwierig, da teilweise binnen Minuten Hunderte von Flüchtlingen die Hauptstadt erreichen.
„Wir müssen aus Sicherheitsgründen dort die Situation der vielen Ankommenden entzerren. Deshalb werden die Abläufe so umgestellt, dass es was zu essen auf die Hand gibt, und es dann möglichst schnell weitergeht zu den Unterkünften“, sagte Kipping. Das Land hat das Catering-Unternehmen der Messe Berlin beauftragt, 10.000 Lunchpakete am Tag einzupacken und Suppe bereitzustellen.
In den Messehallen übernachten seit Donnerstagnacht Flüchtlinge. 900 bis 1000 Betten sind dort aufgestellt für eine kurzfristige Unterbringung. Am Samstag sollen auch noch eine dritte und vierte Halle in Betrieb gehen. Sie sind gedacht für Flüchtlinge, die erst spät am Abend oder in der Nacht ankommen.
Erstmals verbringen laut 250 Kriegsflüchtlinge am ehemaligen Flughafen Tegel die Nacht von Sonnabend auf Sonntag. Die Kapazität der Notunterkunft dort liegt bei 3000 Plätzen. Neben dem Ankunftszentrum in Reinickendorf sollen in Tegel zudem bis zu 10.000 Flüchtlinge aus der Ukraine registriert und in andere Bundesländer verteilt werden. Die geplante Eröffnung dieses zweiten Ankunftszentrums am Sonntag oder Montag wird sich allerdings verzögern.
„Wir haben den Bund um Unterstützung bei der Registrierung im Ankunftszentrum Tegel und für die Bus-Logistik gebeten“, sagte Kipping. Außerdem fehlten noch weitere Dusch- und WC-Container. Bei der Bus-Logistik gehe es nicht darum, Busse anzumieten, sondern zu organisieren, wohin die Flüchtlinge gebracht werden. Ferner plant der Senat als „Notlösung“, 500 Übernachtungsplätze im Terminal 5 in Schönefeld einzurichten.
20.000 Flüchtlinge durch Land und Bettenbörse untergebracht
Bislang wurden in Berlin rund 20.000 Ukraine-Flüchtlinge vom Land Berlin oder über eine Bettenbörse des Vereins Karuna untergebracht. Die Zahl derjenigen, die privat unter anderem bei den rund 13.000 in Berlin lebenden Ukrainer untergekommen sind, ist nicht bekannt. Bei der Bettenbörse sind rund 315.800 Übernachtungsmöglichkeiten registriert.
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Ehrenamtliche Helfer:innen kritisieren, dass keine Vermittlung stattfindet und deren Expertise nicht berücksichtigt werde. Die Sozialverwaltung weist dies zurück und sagt, Repräsentanten der Ehrenamtlichen seien in regelmäßige, wöchentliche Gespräche einbezogen.
Karuna-Vorstand Jörg Richert erklärte dem Tagesspiegel, man habe am Hauptbahnhof wegen des großen Ansturms keine Vermittlung zwischen Privatleuten und Flüchtlingen mehr durchführen können. Künftig werde es ein nachprüfbares Verfahren geben. Karuna werde die Vermittlung von Plätzen in Tegel wieder aufnehmen. Zunächst sollen vulnerable Gruppen wie behinderte oder pflegebedürftige Menschen sowie Personen, deren Weiterreise erst Tage später stattfinden kann und Familienmitglieder, die auf der Flucht getrennt wurden, vermittelt werden.
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Um Flüchtlinge vor Missbrauch bei privaten Unterbringungsangeboten zu schützen, setzt die Polizei am Hauptbahnhof, dem Zentralen Omnibusbahnhof und im Ankunftszentrum auch verdeckte Ermittler ein. Eine für Kinderschutz zuständige Ermittlungsgruppe des Landeskriminalamtes ist dort ebenfalls im Einsatz.
Die EU hat sich darauf verständigt, den Ukrainern „vorübergehenden Schutz“ zu gewähren. Sie sieht zunächst einen Schutzstatus für ein Jahr vor. Einen Asylantrag müssen die Betroffenen nicht stellen. Sie können sich als Touristen visafrei in Deutschland bewegen. Die Sozialämter in den Bezirken sind gehalten, Leistungen für bedürftige Kriegsflüchtlinge zu gewähren. (mit dpa)