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Sattel weg! Auf diesem Klepper reitet kein Cowboy mehr in den Sonnenuntergang.
© Jens Kalaene/dpa

Kriminalität in Berlin: Teert und federt Fahrraddiebe!

Wer Zweiräder klaut, entwendet nicht nur Privateigentum, er zerstört auch, was wir Alltag nennen. Für das gleiche Delikt hat man Pferdediebe früher gehängt. Ein drakonisches Plädoyer.

Warum nochmal wurden Pferdediebe im Wilden Westen gehängt? Selbst wenn man heutigen Fahrraddieben mehr Milde gönnt, lohnt es sich, einen Moment über die Frage nachzudenken. Eine Kleinigkeit ist es schließlich nicht, sich des Rads eines Fremden zu bemächtigen, der sich mit einem Schloss ziemlich unmissverständlich gegen einen solchen Übergriff verwahrt. Längst handelt es sich auch nicht mehr um Einzeltäter, die einen Drahtesel „wegfinden“, weil ihr eigener ihnen auf dieselbe Weise abhandenkam, was sie als Akt ausgleichender Gerechtigkeit verklären. Es ist organisierte Kriminalität. Ganze Herden von Fahrrädern werden eingesammelt, hundert verschwinden allein in Berlin pro Tag. Vor allen in den letzten drei Jahren ist die Zahl der als geklaut gemeldeten Räder dramatisch angestiegen.

Zwar ist ein in der Anonymität der Großstadt geklautes Fahrrad für die Straßen selbst nicht verloren, es fährt ja nur ein anderer damit herum, doch ist das womöglich zu positivistisch gedacht. Denn was hilft’s einem selbst, wenn man plötzlich schockiert vor der Leere eines eben noch da gewesenen Fahrrads steht – und aufgeschmissen ist. Alle Pläne dahin. Ein fein justierter Tagesablauf zerstört. Kinder, die zum verabredeten Zeitpunkt nicht abgeholt werden, Einkäufe, die unerledigt bleiben. Menschen, die man lieb hat, warten und warten umsonst. Denn, hey, ihr Arschgeigen mit den Bolzenschneidern und Vereisungssprays, es gibt da für uns noch einen Alltag zu bewältigen! Und es ist heute kein bisschen weniger mies, seines Fahrrads beraubt zu werden, als es das für den Plakatierer Antonio in „Fahrraddiebe“ war, dem Film von Vittorio De Sica. Der ließ seinen um die berufliche Existenz gebrachten Helden am Ende selbst zum Fahrraddieb werden. Eine Menge stellte ihn, überwältigte und schlug ihn. Nur die Tränen seines Sohnes retteten ihn vor dem Lynchmob.

In Potsdam setzt man auf Härte

Härte zahlt sich nämlich leider aus. In Potsdam, das bis zum vergangenen Jahr eine der höchsten Diebstahlraten in Deutschland hatte (1249 geklaute Fahrräder auf 100 000 Einwohner) setzte man eine Soko auf das Problem an. Seither hat sich die Aufklärungsquote mehr als verdoppelt, auf 24 Prozent, und die Aktivität der Diebe ging – wenn auch nur leicht – zurück. Das Signal: Fahrraddiebstahl ist kein Bagatelldelikt.

Was früher Brandzeichen waren, sind nun ins Metall geprägte Rahmennummern. Die Polizei bietet zusätzlich Aufkleber mit Registrierungen an, die in einem zentralen Register vermerkt sind. Es gibt GPS-Sender, mit denen man das eigene Edelrad orten kann. Das ist alles hilfreich. Aber es müsste klarer werden, dass es Besitz gibt und – wie im Wilden Westen – „unantastbaren Besitz“.

Pferde waren letzteres, weil Mobilität Überleben bedeutete. Auch waren sie der Teil des Eigentums, den ein Reiter der Obhut der Öffentlichkeit anvertrauen musste. An diesem Punkt hat sich nichts geändert. Auch Fahrräder lassen wir frei herumstehen, gesichert nur durch ein bisschen lächerlichen Stahl. Mit keinem anderen privaten Gegenstand würden wir ähnlich arglos umgehen.

Der Verkauf muss Konsequenzen haben

Umso wichtiger ist es, dass der Missbrauch des leichten Zugangs drakonisch bestraft wird. Da das Aufknüpfen der Täter aus naheliegenden Gründen nicht mehr angezeigt erscheint – darüber hinaus werden Fahrraddiebe praktisch nie auf frischer Tat ertappt –, wäre es wichtig, den Gebrauchtmarkt auszutrocknen. Etwa durch die Einführung von Fahrradbriefen. Auch müsste der Verkauf der Beute Konsequenzen haben, die im Verhältnis zu ihren Folgen stehen. Wer ein Fahrrad ohne Eigentumsnachweis veräußert oder ein solches kauft, ohne die Provenienz zu überprüfen, gehört mindestens geteert und gefedert. Denn er macht sich mitschuldig am Angriff auf ein ziemlich kostbares Gut: den öffentlichen Raum. Um nicht weniger geht es. Der Verlust des Rades mag für den Einzelnen schmerzhaft sein, doch geht vor allem etwas anderes flöten: die Ordnung, die wir als unser aller Bewegungsraum betrachten. Das kann niemand wollen. Das Recht des Bolzenschneiders darf nicht siegen.

Dieser Text erschien als Rant im Tagesspiegel-Samstagsmagazin Mehr Berlin.

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