Tag der Pressefreiheit: Tausende Zuschauer bei Solidaritätskonzert
Aus Protest gegen die Inhaftierung von Journalisten in der Türkei kamen Künstler und Journalisten für ein Konzert am Brandenburger Tor zusammen. Es bildete sich eine einzigartige Allianz.
Die Einzigartigkeit der Veranstaltung am Brandenburger Tor unterstrich Moderatorin Doris Akrap gleich zu Beginn: "Heute ist eine historische Allianz zusammengekommen". Damit meinte sie nicht nur das breite Bündnis, das zum Tag der Pressefreiheit ein Solidaritätskonzert für inhaftierte Journalisten in der Türkei organisiert hatte - neben der Initiative #FreeDeniz beteiligten sich auch Reporter ohne Grenzen, Amnesty International und das Kulturforum Türkei Deutschland.
Historisch einzigartig dürfte vor allem die Allianz der Medienpartner sein. Ein Transparent hinter der Bühne führte linke Zeitungen wie "taz" und "Jungle World" ebenso auf wie die Springerprodukte "Bild" und "Welt". Unter dem Motto "Auf die Presse" kamen sie für ein gemeinsames Anliegen zusammen: Das Eintreten für die Pressefreiheit und die Freilassung des seit dem 27. Februar 2017 inhaftierten deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel.
Pluralität als Stärke
"Wir machen das, obwohl wir heute, gestern und morgen unterschiedliche Meinungen haben", sagte Akrap, "aber gemeinsam wollen wir ein lautes Zeichen geben, das bis nach Istanbul, möglichst bis nach Peking reicht". Die Pluralität spiegelte sich auch bei den ungefähr 3000 Zuschauern wider: Vorbeikommende Passanten standen neben politische Aktivisten, Punker neben Anzugträgern.
Publizist Michel Friedman zitierte in seiner Eröffnungsrede Thomas Jefferson, Gründervater der USA: "Wenn ich zu wählen hätte zwischen einem Land mit einer Regierung, aber ohne Zeitung, und einem Land mit Zeitung, aber ohne Regierung, dann würde ich mich für das Land ohne Regierung entscheiden." Die inhaftierten Journalisten in der Türkei hätten "nichts anderes getan, als ihren Beruf auszuüben". Ebenso scharf kritisierte er die Medienfeindlichkeit des US-Präsidenten Trump und die zunehmenden Repressionen in Polen und Ungarn. Die Freiheit des Denkens sei "der Sauerstoff eines modernen, aufgeklärten Menschen".
Bands und Künstler unterstützen Pressefreiheit
Die Intendantin des RBB Patricia Schlesinger pflichtete ihm bei: Der Tag der Pressefreiheit sei "auch ein Tag der Selbstvergewisserung" für Journalisten. Und eine Warnung, denn "auch in diesem Land werden Medienvertreter bepöbelt, bespuckt und angegriffen". Im Laufe des Abends erschienen auf Leinwänden immer wieder die Namen der in der Türkei Inhaftierten. Sie wechselten sich ab mit Solidaritätsbekundungen von Prominenten, darunter Sänger Udo Lindenberg, die Tagesthemen-Moderatoren Caren Miosga und Ingo Zamperoni, RTL-Moderator Peter Kloeppel und Schriftstellerin Sibylle Berg. Auch Gabriele del Grande, ein italienischer Journalist, der bis vor wenigen Tagen in der Türkei im Gefängnis saß, meldete sich zu Wort, um seine Solidarität zu bekunden.
Gerahmt wurden die politischen Botschaften durch ein hochkarätiges musikalisches Rahmenprogramm. Bekannte Künstler wie Antilopen Gang, The Notwist, Die Sterne und Peter Licht verliehen den Forderungen der Redner mit ihren Darbietungen Nachdruck. Der Comedian Oliver Polak erinnerte an die NS-Vergangenheit des symbolträchtigen Veranstaltungsortes: "Berlin war mal die Hauptstadt des Wegsehens, heute Abend ist sie die Hauptstadt des Hinsehens."
Brief von Deniz Yücel
Gegen Ende der Veranstaltung gab es aber auch kritische Töne. Taz-Chefredakteur Georg Löwisch warnte vor einer Ikonisierung Yücels: "Deniz' Name findet sich mittlerweile auf Buttons, Stickern und in Hashtags. Er ist so etwas wie die Mutter Teresa des deutschen Journalismus geworden". In diesem "Weichzeichnungsprozess" gehe aber unter, dass Yücel stets Wert darauf gelegt habe, unbequem zu bleiben. Der abschließende Höhepunkt war ein Grußwort des inhaftierten Journalisten, das Moderatorin Akrap verlas. Darin kam auch Yücels ungebrochene Zuversicht zum Ausdruck: "Wir wurden eigentlich nicht verhaftet. Wir wurden als Geiseln genommen. Ihr Ziel war es, über uns die Gesellschaft einzuschüchtern. Es ist ihnen nicht gelungen. Wir haben keine Angst."