Bundesweite Razzia gegen Schleuserbande: Tausend Nicht-EU-Bürger in Logistikzentren ausgebeutet – neun Verhaftungen
Eine Bande soll Leiharbeiter nach Deutschland eingeschleust haben. Ermittler beschlagnahmen Millionensummen. Ein Schwerpunkt ist in Berlin und Brandenburg.
Seit dem frühen Mittwochmorgen sind die Behörden bundesweit gegen eine mutmaßliche Schleuserbande vorgegangen, die Migranten mit falschen Papieren nach Deutschland holte und für wenig Geld in Logistikzentren illegal arbeiten ließ. Die Staatsanwaltschaft Berlin sprach von „international organisierter Schwarzarbeit“ durch eine russisch-deutsche Bande.
Bundespolizei und Zoll durchsuchten mehr als 50 Wohnungen, Geschäftsräume, Logistikzentren sowie die Wohnunterkünfte von Arbeitern in zwölf Bundesländern. Schwerpunkt der Razzia waren Berlin und Brandenburg, dort wurden 18 Objekte durchsucht. In Berlin und Brandenburg wurden je drei Haftbefehle vollstreckt, weitere in Bremen sowie Niedersachsen.
Verhaftet wurden acht Männer im Alter von 32 bis 62 Jahren und eine 42 Jahre alte Frau. Der mutmaßliche Kopf der Bande, ein 49-jähriger Mann, sowie ein 62-jähriger Steuerberater wurden in Bremen festgenommen, ein 47-Jähriger in Niedersachsen.
Zugleich wurden Vermögen in Höhe von 19 Millionen Euro per richterlichem Arrestbeschluss beschlagnahmt. In Deutschland und im Ausland wurden mehr als 80 Bankkonten gesichert, die Ermittler zogen zudem diverse Immobilien, hochwertige Kraftfahrzeuge und weitere Luxusgüter ein. Daneben beschlagnahmten die Beamten umfangreiches Beweismaterial, darunter Unterlagen, Speichermedien und Mobiltelefone sowie Bargeld in Höhe von ca. 90.000 Euro.
2200 Einsatzkräfte bei bundesweiter Razzia
Bei dem Großeinsatz wurden auch 275 Personen festgestellt, die mutmaßlich von der Bande als Leiharbeiter nach Deutschland geschleust worden waren. Bei diesen Personen sei der "Aufenthaltsstatus unklar", es bestehe "der Verdacht des unerlaubten Aufenthaltes und der unerlaubten Arbeitsaufnahme", erklärten die Behörden.
Nach Angaben der Bundespolizei am Mittag waren 2200 Kräfte der Bundespolizei, des Zolls und des Technischen Hilfswerks an dem Einsatz beteiligt.
In Berlin wurden Objekte in Hohenschönhausen im Bezirk Lichtenberg, Charlottenburg-Wilmersdorf und Steglitz-Zehlendorf durchsucht. Dabei wurden in Charlottenburg-Wilmersdorf und Steglitz-Zehlendorf drei Haftbefehle vollstreckt. In Brandenburg wurden in Oranienburg und Hohen Neuendorf drei weitere Männer verhaftet. Zudem rückten die Beamten in Bergfelde (Oberhavel) bei einer Unterkunft für die Arbeiter und in einem Logistikzentrum an.
Perfides System mithilfe eines Firmengeflechts entwickelt
„Es sind gemeinsame Ermittlungen gegen 20 Beschuldigte“, sagte ein Sprecher der Bundespolizei. „Ihnen wird banden- und gewerbsmäßiges Einschleusen von Ausländern, Urkundenfälschung, organisierte Schwarzarbeit, illegale Beschäftigung und Geldwäsche vorgeworfen.“
Die Bande soll nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft Berlin mithilfe eines Firmengeflechts ein perfides System entwickelt haben. Die Staatsanwaltschaft sprach von einem konspirativen Geflecht im In- und Ausland. Für ihre Geschäfte soll die Bande Leiharbeitsfirmen im Baltikum und in Deutschland gegründet und Leiharbeiter aus Nicht-EU-Staaten angeheuert haben - vor allem aus der Ukraine und aus Moldawien.
In großen Logistikzentren geschuftet
Um die Einreise und die Arbeit der eigentlichen visapflichtigen Menschen in der EU zu ermöglichen, soll die Bande Dokumente und Ausweispapiere gefälscht haben. Damit soll sie vorgetäuscht haben, dass die Arbeiter EU-Bürger sind. So sollen etwa Ukrainer und Moldawier mit gefälschten polnischen Ausweisen ausgestattet worden sein, damit durften sie einfach einreisen und in Deutschland arbeiten.
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Die illegal eingereisten Arbeiter sollen dann mit den falschen Papieren zu den Unternehmen in Deutschland geschickt worden sein. Dort sollen die Menschen massiv ausgebeutet worden sein, sie mussten in großen Logistikzentren schuften. Die Bande soll Teile des versprochenen Lohns einbehalten haben. Die Arbeiter mussten – so der Stand der Ermittler – für die Einschleusung, die Vermittlung an große Logistikunternehmen, die falschen Dokumente und die Unterkünfte zahlen.
Bis zu 1000 Arbeitnehmer nach Deutschland geschleust
"Die Bande generiert für sich einen nicht unerheblichen Vermögensvorteil aus einbehaltenen Arbeitsentgelten sowie dem Nichtabführen von Sozialabgaben", teilte die Staatsanwaltschaft mit. "Bisherige Überprüfungen legen den Verdacht nahe, dass bis zu 1000 Arbeitnehmer über das durch die Bande betriebene Firmengeflecht dem hiesigen Arbeitsmarkt zugeflossen sind."
Mit ihrem Firmengeflecht soll die Bande in zahlreichen Bundesländern aktiv gewesen sein. Das Netzwerk war nach Angaben aus Ermittlerkreisen streng und hierarchisch organisiert. Die Führung der Bande soll für jede Region eine Art Statthalter eingesetzt haben, der dann mit den Logistikunternehmen die Geschäfte abwickelte.
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Der Statthalter für Berlin und Brandenburg soll von Charlottenburg aus das Netzwerk jahrelang gesteuert haben. Gegen ihn und seine Frau, die die Geschäftsbücher geführt haben soll, lagen Haftbefehle vor.
Die Ermittler von Bundespolizei und Zoll waren auf das perfide System durch Kontrollen in verschiedenen Logistikzentren gestoßen. Dort seien "mehrere Drittausländer einer Erwerbstätigkeit nachgegangen" und hätten sich "mit totalgefälschten EU-Identitätsdokumenten ausgewiesen".
„Die heutigen Maßnahmen in Berlin und weiteren Bundesländern sind ein wichtiges Zeichen: Der Rechtsstaat ist wachsam“, teilte die Berliner Gewerkschaft der Polizei am Mittwoch mit. „Es ist unglaublich perfide, mit der Not von Menschen Geld machen zu wollen, ihre Hilflosigkeit und den Wunsch nach einem besseren Leben schamlos auszunutzen.“