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Chris ist seit fünf Jahren obdachlos. Eigentlich sammelt er Pfand und Geldspenden am Boxhagener Platz.
© Robert Klages

Zehn Euro und Essen für Obdachlose: Taskforces sollen in der Coronakrise Spenden verteilen

Die Krise schweißt zusammen: Ab Dienstag werden Teams von Sozialarbeitern Geld an Obdachlose verteilen. Zudem entstehen überall in der Stadt Spendenzäune.

Zehn Euro für jeden obdachlosen Menschen in Berlin: Ausgezahlt wurde in Bar, am Montagmorgen am Pavillon der Karuna Sozialgenossenschaft auf dem Boxhagener Platz in Friedrichshain. Dazu gab es eine Bohnensuppe mit Würstchen und Getränke. Rund 100 Obdachlose hatten sich auch schnell am „Boxi“ eingefunden und bildeten eine Schlange. Der Sicherheitsabstand von 1,5 Meter wurde dabei, trotz aufgestellten Hinweisschildes, nicht immer eingehalten. Der Abstand dient dazu, die Verbreitung des Coronavirus zu verlangsamen.

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Daher wird Karuna nach Rücksprache mit der Polizei am Dienstag darauf verzichten, das Geld am Boxi auszuteilen. „Das schaffen wir nicht mehr“, sagte Jörg Richert, Geschäftsführer der Karuna Sozialgenossenschaft, am Montagmittag erschöpft dem Tagesspiegel. In dem Pavillon wir es weiterhin Essen und Getränke geben, täglich von 10 bis 13 Uhr.

Die 10 Euro sollen von nun an in sogenannten Taskforces verteilt werden. Am Montag waren bereits 7 Teams unterwegs. Die Sozialarbeiter und Jugendliche beim Bundesfreiwilligendienst wollen das Fieber der Obdachlosen messen und ihre Telefonnummern erfragen, um diese in einer Datenbank zu speichern. Damit die Leute im Notfall zu erreichen sind. Zudem sollen die Teams die Obdachlosen über das Coronavirus informieren. Die 10 Euro sollen unabhängig davon ausgeteilt werden, ob die Person ihre Daten verraten oder sich untersuchen lassen möchte.

„Wir scannen ganz Berlin und wollen wissen, wo sich Gruppen bilden“, so Richert. „Eine Eingrenzung der Kontakte unter Obdachlosen ist unmöglich. Deshalb sollten Obdachlose bei Verdacht sofort und unmittelbar in eines der zukünftigen Quarantänezentren für Obdachlose der Stadt und in anderen Wohnunterkünften Aufnahme finden.“ Ab sofort hat Karuna eine 24/7 berlinweite S.O.S.- Corona Hotline für Obdachlose geschaltet: 0157 80 59 78 70, sie wird derzeit in der Stadt plakatiert.

„Wir brauchen auch Versorgung auf der Straße“

Rund 1000 Betten in Hotels stünden laut Richert bereits zur möglichen Quarantäne zur Verfügung, es werde noch über die Konditionen verhandelt. Richert ist sich auch sicher, dass Berlin das Kältehilfeprogramm für Obdachlose verlängern wird, also Notunterkünfte nach Ablauf der Kältehilfe am 31. März geöffnet bleiben können.

„Wir brauchen auch Versorgung auf der Straße“, so Richert weiter. Aufgrund der Corona-Pandemie sind zahlreiche Einrichtungen für Obdachlose, wie die Tafeln und Suppenküchen, derzeit geschlossen, das Sammeln von Pfandflaschen und Betteln ist kaum noch möglich. „Gleichzeitig aber steigt die Solidarität unter den Leuten in Berlin“, findet Richert. Eine Organisation aus Hamburg schickte 1000 Euro und viele Institutionen in Berlin helfen.

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Das Essen am Karuna-Pavillon kommt von „Wolle“ und seiner „Kulturkombüse“ und wird von der Stadt Berlin finanziert. Die 10 Euro in Bar verteilt Karuna einzig und allein aus Spendengeldern. Diese werden über Die Webseite betterplace.org entgegengenommen. 20 000 Euro wurden laut Karuna bereits eingenommen. „Damit kommen wir natürlich noch nicht weit“, so Richert.

Der "Gabenzaun" am Boxhagener Platz: Zwei Anwohnerinnen helfen zwei Obdachlosen. 
Der "Gabenzaun" am Boxhagener Platz: Zwei Anwohnerinnen helfen zwei Obdachlosen. 
© Robert Klages

Zahlreiche Berlinerinnen und Berliner können aber auch anders, durch Sachspenden helfen: Überall in der Stadt, von Moabit bis Neukölln, sind „Spendenzäune“ entstanden. Ohne persönlichen Kontakt zu den Obdachlosen haben zu müssen, kann man hier alles Mögliche an den Zaun binden: Schuhe, Essen, Geld, Kleidung, Schlafsäcke, Hygieneartikel, Hundefutter und vieles mehr baumeln auch an einem Bauzaun am Boxhagener Platz neben dem Karuna-Pavillon – in beschrifteten Tüten.

Zwei Junge Frauen in Jogginghosen sitzen neben dem Spendenzaun und rauchen mit den Obdachlosen Chris und „Panza“. Die Anwohnerinnen haben mitgeholfen, den Zaun zu initiieren, die Idee stamme aus Hamburg. Der 33-jährige Chris, seit fünf Jahren obdachlos, sammelt sonst Spenden auf der Wiese am Boxhagener Platz oder an den anliegenden Cafés. 25 Euro im Schnitt pro Tag mache er eigentlich, an einem sonnigen und freundlichen Tag wie diesem Montag. Aber da alles geschlossen ist und die Leute zuhause bleiben, ist er froh, dass es den Spendenzaun und den Karuna-Pavillon gibt.

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