Begegnung im Kiez: Tag des Flohmarkts in Berlins Hinterhöfen
Entrümpeln und die Nachbarn besser kennenlernen: In mehr als 100 Hinterhöfen in der ganzen Stadt finden heute Kiez-Flohmärkte statt.
Frühjahrsputz! Alles muss raus: die TKKG-Kassetten der Kinder, die Jogginghose des Ex, der nie benutzte Mixer, zwei Aschenbecher aus unseligen Kettenraucherzeiten, Schallplatten, die Yu-Gi-Oh-Karten des Sohnes, Filmplakate, selbstgemachte Aquarelle, tonnenschwere Ausstellungskataloge.
Wer jetzt die Wohnung entrümpelt und seine Habseligkeiten auf einem der Flohmärkte anbieten möchte, kann an diesem Sonntag seine Nachbarn glücklich machen. 130 Hinterhöfe vor allem in Friedrichshain, Kreuzberg und Neukölln, einige auch in Rummelsburg, Schöneberg und Mitte, laden von 12.30 Uhr bis 17 Uhr neugierige Flaneure und Nachbarn ein vorbeizukommen. Dabei geht es nicht allein darum, eine Schwarzpressung der Stones preisgünstig abzustauben, sondern auch und vor allem, die Nachbarn kennen zu lernen, über das Feilschen ins Gespräch zu kommen. Natürlich können auch Waffeln mit heißen Kirschen, Salate, vegane Kuchen und Kaffee angeboten werden.
"Nicht von Profis dominiert"
„In einer Welt voller Nicht-Orte wollen wir Orte schaffen, in denen ein Wir-Gefühl entstehen kann, und der Hinterhof kann ein solcher Ort sein“, sagt Mitbegründer Volker Siems von der Nachbarschaftsinitiative Polly & Bob, die schon mit der Nacht der singenden Balkone und mit den Singing Wohnzimmers bekannt geworden ist.
„Wir wollen einen Flohmarkt, der wirklich noch ein Flohmarkt ist und nicht von professionellen Händlern dominiert ist“, sagt Siems. Seinem Aufruf sind bisher vor allem junge Leute aus Friedrichshain, Kreuzberg und Neukölln gefolgt. Es ist Glückssache, wie viele Besucher von außerhalb dann schließlich den Weg in die Höfe finden. Doch wer am Sonntag seinen Tisch im eigenen Hof aufstellt, wird zumindest seine Nachbarn kennenlernen - „das haut auf jeden Fall hin“, sagt Siems. Bei der Premiere im Herbst beteiligten sich 40 Häuser, jetzt im Frühling hat sich die Zahl verdreifacht.
Dutzende Flohmärkte stadtweit
Flohmärkte boomen allerorten in Berlin. Etwa fünfzig Flohmärkte gibt es derzeit in der Stadt, seit Michael Wewerka vor knapp 40 Jahren den ersten Flohmarkt am Sophie-Charlotte-Platz organisierte. Daraus wurde später der weithin bekannte Markt an der Straße des 17. Juni. Erfolgreiche Neugründungen wie der Flohmarkt Nowkölln am Maybachufer zwischen Friedel- und Pannierstraße am jedem zweiten Sonntag (nächster Termin 3. Mai) oder der Kreuzboerger Flowmarkt in den Prinzessinnengärten am Moritzplatz (nächster Termin 26. April) haben ihren besonderen Charme durch die gute Mischung von Privatleuten und professionellen Händlern, zudem durch Live-Bands und DJs. Schnäppchenjäger und Flaneure, die einfach die besondere Stimmung genießen, mischen sich auf einem guten Flohmarkt. Ein Hipster wird sich für die mechanische Schreibmaschine begeistern, die neu gegründete WG für eine Retro-Lampe für die Küche.
Auch der Kreuzberger Nachtflohmarkt im SO 36 (ein Mittwoch in der Mitte eines Monats) genießt wegen cooler Nachbarschaft und guter Musik längst Kultstatus. Flohmarkt-Klassiker sind weiterhin der Markt am Mauerpark, der Trödelmarkt an der Straße des 17. Juni, der Antik- und Buchmarkt am Bodemuseum und der Flohmarkt am Rathaus Schöneberg.
Wer jetzt im Frühling aufmerksam durch seinen Kiez geht, wird gelegentlich auf die Urform des Flohmarkts treffen: Kinder, die auf dem Gehweg ein Tuch ausgebreitet haben, auf dem ihr ausrangiertes Kuscheltier liegt, alte Schulbücher und eine einbeinige Barbiepuppe. Die Kleinen kommen im Verkaufsgespräch sofort zur Sache: „Kaufst du mir was ab?“
Sonntag der Berliner Hinterhofflohmärkte 26. April 12 bis 17 Uhr. Die komplette Liste aller Flohmärkte gibt es hier:
Weitere Informationen zu dieser und kommenden Veranstaltungen unter: http://blog.pollyandbob.com/