Hakenkreuze, Rassismus, Holocaust-Leugnung: Studierende der Berliner Polizei teilten in Chatgruppe extremistische Inhalte
Die Polizei ist auf eine Chatgruppe gestoßen, in der sich Studienanfänger menschenverachtend ausgetauscht haben sollen. Der Hinweis kam aus den eigenen Reihen.
Rassismus, Hakenkreuze, Holocaust-Leugnung: Bei der Berliner Polizei ist erneut eine Chatgruppe aufgetaucht, in der "menschenverachtende Nachrichten" ausgetauscht wurden. Das teilte die Polizei am Mittwoch mit.
26 Studienanfängerinnen und Studienanfänger sollen demnach der Gruppe angehören. Gegen sieben hat die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren unter anderem wegen des Verdachts der Volksverhetzung und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen eingeleitet. Sie absolvieren ein Studium für den gehobenen Polizeivollzugsdienst. Einem Beschuldigten wird die Verbreitung von Tierpornografie mit einem Post vorgeworfen.
Ursprünglich habe die Gruppe nur dem "Austausch allgemeiner Informationen" gedient, hieß es seitens der Polizei. Was aber sonst noch Gegenstand der Unterhaltung war, berichtete die Staatsanwaltschaft am Nachmittag: Den Beschuldigten werde vorgeworfen, jeweils eine oder mehrere Nachrichten, sogenannte Memes, mit menschenverachtendem Inhalt versandt zu haben.
Einige davon hätten sich "in rassistischer oder sonst verächtlichmachender Art unter anderem gegen Asylsuchende gerichtet", erklärte die Staatsanwaltschaft. Auch Hakenkreuze seien dabei verschickt worden. Andere sollen den Völkermord an den Juden verharmlost haben.
Eine Dienstkraft der Polizei hat die Vorgänge der Mitteilung zufolge zur Anzeige gebracht. Am Mittwoch wurden deshalb Durchsuchungen vorgenommen und Smartphones beschlagnahmt, die nun ausgewertet werden müssen. Der polizeiliche Staatsschutz ermittelt in der Angelegenheit.
Nach Polizeiangaben wurden auch Disziplinarverfahren eingeleitet, die wegen der vorrangigen strafrechtlichen Ermittlungen erst einmal ruhen müssen. Allerdings würden bereits weitere dienstrechtliche Maßnahmen geprüft, heißt es in der Mitteilung.
Erst kürzlich wurde eine rechtsextreme Chatgruppe bekannt
Bei der Gruppe soll es sich nicht um die Chatgruppe mit rechtsextremen Inhalten handeln, die durch einen Tipp aus der Polizei an das ARD-Magazin "Monitor" öffentlich geworden war. Vor zwei Wochen hatten Recherchen des ARD-Magazins eine erste Chatgruppe von 25 Berliner Polizisten publik gemacht, in der sich Beamte regelmäßig rassistisch geäußert haben. Häufig in Form von vermeintlichen Witzen, heißt es in dem Bericht. Kollegen hätten die Äußerungen häufig mit Zustimmung kommentiert. Zwei Beamte wandten sich schließlich an die ARD.
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Die Berliner Polizei hatte daraufhin mit der "Monitor"-Redaktion Kontakt aufgenommen, um den Sachverhalt aufklären zu können. Redaktionsleiter Georg Restle lehnte es jedoch ab, Informationen weiterzugeben oder über die Quellen des Magazins Auskunft zu geben. Der Schutz von Informantinnen und Informanten ist im Journalismus ein hohes Gut.
Am vergangenen Freitag hatte schließlich der für politisch motivierte Straftaten zuständige Staatsschutz beim Landeskriminalamt (LKA) in einer E-Mail an alle Mitarbeiter um interne Unterstützung gebeten. Der Betreff lautete: „Chatgruppe mit rassistischen und homophoben Inhalten in der Berliner Polizei“. Es gehe um eine „mehrköpfige Chatgruppe von Berliner Polizeibediensteten“.
Der LKA-Beamte bittet darin alle Beschäftigten der Berliner Polizei, bei der Aufklärung behilflich zu sein. Niemand müsse sich selbst belasten, es gebe aber eine Auskunftspflicht von Zeugen.
Polizeipräsidentin Slowik: "Hinweise von großer Bedeutung"
Dass nun ein Kollege intern auf die neue Chatgruppe hingewiesen hat, nahm Polizeipräsidentin Barbara Slowik dankbar auf. "Solche Hinweise aus dem Kreis der Kolleginnen und Kollegen sind für mich von großer Bedeutung", wurde sie in der Mitteilung der Polizei zitiert. "Sie stellen unter Beweis, dass der Eid, den wir leisten, nicht nur ein Lippenbekenntnis ist, sondern nahezu alle von uns diesen mit viel Herz, großem Engagement und in Verantwortung gegenüber der Allgemeinheit erfüllen."
Nur durch den Hinweis sei es nun möglich, "konkret diejenigen ausfindig zu machen, deren Einstellung nicht mit der Rolle und dem Selbstverständnis der Polizei Berlin vereinbar ist", teilte Slowik weiter mit. Neben dem Strafverfahren würden weitere, jedoch nicht näher genannte Maßnahmen "unverzüglich sowie konsequent" ergriffen.
Innensenator Geisel: Abwehrkräfte der Polizei "deutlich gewachsen"
Erst zu Wochenbeginn hatte die Senatsinnenverwaltung mitgeteilt, Berlin werde sich an einer länderübergreifenden Studie zum Thema Extremismus bei der Polizei beteiligen. Der Zeitplan soll demnach am 26. Oktober beim Treffen der SPD-Innenminister besprochen werden. "Wir finden die Idee einer Studie sinnvoll und beteiligen uns deshalb gemeinsam mit Niedersachsen und anderen SPD-geführten Bundesländern daran.", sagte ein Sprecher der Innenverwaltung.
Innensenator Andreas Geisel lobte am Mittwoch den Umgang mit dem neuen Fall innerhalb der Polizei. "Es ist gut, dass die Polizei mit solchen Vorfällen in den eigenen Reihen transparent umgeht", teilte der SPD-Politiker mit. "Dass hier sowohl die Aufdeckung als auch die konsequenten umfassenden Ermittlungen durch die Polizei sofort selbst erfolgten, zeigt die deutlich gewachsenen Abwehrkräfte der Polizei Berlin in Bezug auf diese Thematik." Wer als Polizist seinen Eid auf das Grundgesetz geleistet habe, müsse sich auch an dessen Werte halten und für sie einstehen. "Wer das nicht tut, muss mit den beruflichen und strafrechtlichen Konsequenzen rechnen."