Berlin will Corona-Regeln verschärfen: Strengerer Einlass, mehr Tests – aber keine Obergrenzen zu Weihnachten
Testpflicht für alle, Kontaktbeschränkungen, Verbot großer Veranstaltungen – Berlin will schärfere Corona-Maßnahmen, wartet aber noch auf den Bund.
Das Land Berlin wird kommende Woche über striktere Corona-Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen und eine Testpflicht unabhängig vom Impfstatus beraten. Das sagte der Regierende Bürgermeister, Michael Müller (SPD), nach der Senatssitzung am Dienstag. In welchen Bereichen der Einlass verschärft, Kontaktbeschränkungen wieder eingeführt oder eine Testpflicht unabhängig vom Impfstatus erhoben werden soll, wolle man bis kommenden Dienstag beraten, sagte Müller.
"Dinge, die wir uns aus gutem Grund und vollen Herzens zugetraut haben, weil wir eine entspannte Situation hatten", sagte Müller, und nannte Clubnächte, Veranstaltungen mit Tausenden Besuchern und volle Stadien als Beispiele, "die Dinge sehe ich im Moment nicht, weil die Situation eben nicht entspannt ist."
Kontaktbeschränkungen im Familienbereich, wie eine Haushaltsobergrenze an Weihnachten, sehe er aber nicht. Wenn man sich in Berlin für strengere Zutrittsregeln entscheidet, müsse auch im Bund diskutiert werden, Bürgertests wieder kostenlos anzubieten.
Schon jetzt, so forderte es Kalayci, müssten die 2G-Regeln in Berlin besser kontrolliert werden. Nachweise über Impfung oder Genesung würden vor allem in der Gastronomie zu wenig kontrolliert. Oft müsse man "ja fast den Impfnachweis aufdrängen in der Gaststätte", sagte die Senatorin. Konkreter wurden Müller und Kalayci in Bezug auf strengere Corona-Regeln nicht. Berlin wartet die Beschlüsse auf Bundesebene ab.
Senat wartet auf neuen Rahmen des Bundes
"Wir müssen davon ausgehen, dass der Bundestag die epidemische Notlage, so wie wir sie bisher kannten, nicht fortführen wird", sagte Müller. Das sei nachvollziehbar. "Die Notlage darf man nicht zum Sankt-Nimmerleinstag fortführen, schon gar nicht, wenn sie mit Grundrechtseinschränkungen verbunden ist." Geplant ist ein Auslaufen Ende November.
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Der Senat wisse aber, dass er jenseits der Notlage weiterhin Maßnahmen umsetzen müsse und dafür einen entsprechenden Rechtsrahmen brauche, sagte Müller. Der Bundestag werde dazu Vorgaben formulieren. Dann wisse man, welche Handlungsoptionen auf Landesebene bestehen.
Mit Blick auf die aktuellen Infektions- und Krankenhauszahlen sagte Müller, dass er für Lockerungen keinen Spielraum sehe. Die Sieben-Tage-Inzidenz in Berlin war zuletzt in die Höhe geschnellt: Während sie zu Beginn der vergangenen Woche noch bei 114,9 lag, betrug sie am Dienstag dem Lagebericht der Senatsgesundheitsverwaltung zufolge, bereits bei 156,1. Wiederholt wurden mehr als tausend Neuinfektionen pro Tag registriert.
Auch in den Krankenhäusern macht sich diese Zunahme inzwischen bemerkbar: Die Zahl der Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen nahm im selben Zeitraum von 93 auf 117 zu. Die Krankenhäuser der Hauptstadt warnen inzwischen vor einer Überlastung und rechnen damit, planbare Operationen absagen zu müssen.
Müller: Kein Spielraum für Sonderveranstaltungen und Modellprojekte
"Wir haben eine besorgniserregende Situation", sagte der Regierende Bürgermeister. Das gelte nicht nur für Gemeinden in Deutschland, die eine Sieben-Tage-Inzidenz von 400 oder 500 haben. Auch in Berlin steckten sich viele Menschen an - insbesondere Schüler:innen und Jüngere. In diesem Bereich sei die Inzidenz auf mehr als 300 gestiegen. Man müsse sich jetzt vorbereiten für die Wintermonaten man stehe nur Wochen vor den "eigentlich harten Monaten". "Wir gehen zum heutigen Zeitpunkt davon aus, dass wir (…) keinen Spielraum haben für Sonderveranstaltungen, Modellprojekte" oder weitere Lockerungen, sagte Müller.
"Die vierte Welle ist nicht nur die Welle der Ungeimpften", fügte die Gesundheitssenatorin hinzu. Bisher seien in der Hauptstadt mehr als 8600 Impfdurchbrüche registriert worden. Ein Impfschutz sei kein Garant gegen eine Ansteckung.
4,4 Prozent der Berliner:innen haben die Booster-Impfung bekommen
Dreifach geimpft sind 4,4 Prozent der Berliner:innen, wie Kalayci unter Berufung auf Daten des Robert-Koch-Instituts sagte. Damit liege Berlin über dem Bundesschnitt (2,5 Prozent). Bei den über 60-Jährigen hätten bereits 15 Prozent die Auffrischimpfung erhalten (Bund: 6,3 Prozent). Die Berliner Impfzentren, in denen die Booster-Impfung auch angeboten wird, sollen zunächst bis Ende Januar offen bleiben, sagte die Senatorin.
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Danach müsse man gucken, wie deren Finanzierung weiter sichergestellt werden könne. "Wir müssen das auf Bundesebene erörtern", sagte Kalayci an die Adresse von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Dessen "Hick-Hack" zeige, dass es Bundesebene keinen Plan gebe, auf den sich die Länder einstellen könnten.
Auffrischimpfungen für alle Berliner:innen möglich
Die Senatorin erinnerte daran, dass sich in Berlin alle Menschen, deren vollständige Impfung mindestens sechs Monate zurückliegt, ein drittes Mal impfen lassen können. Diese Info sei nicht neu; sie sei aber nicht optimal kommuniziert worden. Für die dritte Impfung könne man sowohl in die Impfzentren gehen als auch zum Arzt oder in einen Impfbus.
Ausgenommen von der Sechs-Monats-Regel sind die Menschen, die mit dem Impfstoff von Johnson & Johnson immunisiert wurden. Diese können sich schon nach vier Wochen die Auffrischung holen. "Wir haben uns auch auf die Impfungen von unter 12-Jährigen vorbereitet", sagte Kalayci. Auch das könne künftig neben den Arztpraxen in den Impfzentren gemacht werden.
Auffrischimpfungen durch mobile Teams des Landes habe es in 180 von 282 vollstationären Pflegeheimen gegeben, sagte die Senatorin. 101 Einrichtungen hatten angegeben, die Booster-Impfungen über ihre Ärzte und Ärztinnen vorgenommen zu haben. Ein Pflegeheim stehe noch aus.
Senatorin hat "null Verständnis" für ungeimpftes Pflegepersonal
Eine Impfpflicht für das Personal von Pflegeheimen muss aus Sicht von Kalayci auf Bundesebene diskutiert werden. Angesichts mehrerer Todesfälle in einem Brandenburger Seniorenheim, in der die Hälfte des Personals nicht geimpft war, sagte sie: "Ich habe null Verständnis für einen Menschen, der mit vulnerablen Gruppen arbeitet und sich nicht impfen lässt." Das sei nicht nur eine individuelle Entscheidung. In Berlin müsse sich das Pflegepersonal täglich testen lassen, sofern es nicht geimpft sei.