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Kurzer Tag. Spätverkaufsläden müssen sonntags in der Regel um 16 Uhr schließen.
© dpa

Privatfehde in Prenzlauer Berg: Streit um Spätkauf-Öffnungszeiten

Kleinkrieg am Kollwitzplatz: Ein Bauarbeiter zeigte 48 Verstöße von Spätverkaufsläden gegen Sonntagsschließzeiten an. Ein Händler wehrte sich – und outete den Beschwerdeführer samt Telefonnummer.

In Prenzlauer Berg eskaliert der Streit um die Öffnungszeiten der Spätverkaufsläden: Ein 58-jähriger Bauarbeiter hat nach eigenen Angaben 48 Geschäfte ausfindig gemacht, die sonntags bis in die Nacht ihre Lebensmittel, Alkoholika und Zigaretten, Zeitschriften und Haushaltswaren verkaufen. Die Adressenliste ging dem Ordnungsamt und dem Gewerbeaußendienst beim Landeskriminalamt (LKA) zu. Nach Kontrollen wurden gegen mehrere Händler bereits Bußgelder verhängt.

Verstöße gegen das Berliner Ladenöffnungsgesetz seien in Prenzlauer Berg an sich nicht neu, sagt der fürs Ordnungsamt zuständige Pankower Stadtrat Torsten Kühne (CDU): „Das Thema ist seit mindestens drei Jahren virulent.“ So böten Läden rund um den Mauerpark sonntags oft „Grillwaren nach 20 Uhr“ an. Bei Schwerpunktkontrollen des Ordnungsamts seien zuletzt rund 50 Shops aufgefallen. Die Bußgelder beginnen in der Regel bei 150 Euro, können aber bis zu 2500 Euro betragen, falls der Händler uneinsichtig bleibt. Im Extremfall kann der Laden sogar geschlossen werden, was in den vorigen drei Jahren vier Mal geschehen ist.

Sonntags dürfen Läden bis 16 Uhr öffnen, wenn sie „ausschließlich“ Blumen, Zeitschriften, Backwaren und Milchprodukte anbieten. Bis 20 Uhr kann Reisebedarf verkauft werden – darunter Andenken, Stadtpläne, Postkarten, Zigaretten und Lebensmittel „zum sofortigen Verzehr“.“ Aber die meisten Läden seien „Mischgeschäfte mit größerem Sortiment“, sagt Kühne. „Und Alkohol geht gar nicht.“

Im Ordnungsamt kennt man Anwohner Bernd G., der nahe dem Helmholtzplatz wohnt: „Er ist mehrmals vorstellig geworden, auch lautstark und nachdrücklich“, sagt der Stadtrat. Der Bauarbeiter betont, ihm gehe es um „Gerechtigkeit“. Das Gesetz müsse für alle gelten, es „kann nicht sein, dass manche sich daran halten und andere nicht“. Die Verstöße habe er bei Fahrradtouren notiert.

Der Laden „Kollwitz 66“ in der Kollwitzstraße startete eine Gegenkampagne: „Wir bedauern, dass die bisherige liberale Praxis gegenüber ,Spätis‘ in Berlin dank einer Einzelperson offenbar beendet werden soll“, stand auf einem Aushang im Schaufenster. Dieser enthielt auch den Namen des Beschwerdeführers samt Telefonnummer, obwohl diese nicht im Telefonbuch steht. Ein Foto des Aushangs gelangte ins Online-Netzwerk Facebook. Seitdem „klingelt die ganze Nacht das Telefon“, beklagt G., der die Polizei alarmierte. Das Protestschreiben wurde aus dem Schaufenster entfernt, kursiert aber noch immer im Internet. Der Inhaber von „Kollwitz 66“ war nicht für Nachfragen erreichbar.

Die Tradition langer Verkaufszeiten reicht in Prenzlauer Berg bis zu den einstigen DDR-Spätverkaufsstellen zurück. Nach der deutschen Einheit galten deren Sonderrechte nicht mehr. In den 90er Jahren klagten Imbissbetreiber gegen Spätverkaufshändler, um zu verhindern, dass diese Bier oder Schnaps abends billiger verkaufen als die Imbissbuden. Seit 2006 erlaubt das Ladenöffnungsgesetz von Montag bis Sonnabend den Verkauf aller Waren rund um die Uhr.

Also geht es nur noch um Verstöße an Sonntagen, die dem Ordnungsamt in der Regel von Konkurrenten aus dem örtlichen Einzelhandel angezeigt werden. Die Privatermittlungen des Bauarbeiters sind dagegen eine Neuheit. Bei „Kollwitz 66“ ist sonntags jetzt um 16 Uhr Schluss. Und Stadtrat Kühne kündigt für das Frühjahr bereits weitere Kontrollen an.

Cay Dobberke

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