Neues Ladenöffnungsgesetz: Geschäfte sollen rund um die Uhr öffnen können
Mehr Service erwartet – aber nicht mehr Jobs. Neues Ladenöffnungsgesetz ist bundesweit Vorreiter.
In keinem anderen Bundesland darf man künftig so lange einkaufen gehen wie in Berlin. Das Abgeordnetenhaus hat am Donnerstagabend das neue Ladenöffnungsgesetz verabschiedet, das bereits in den nächsten Tagen in Kraft treten könnte. Es sieht vor, dass alle Geschäfte an Werktagen rund um die Uhr geöffnet sein dürfen sowie an Adventssonntagen von 13 bis 20 Uhr. Zusätzlich können Läden an bis zu sechs weiteren Sonntagen pro Jahr öffnen: Vier Sonntage kann die Senatsverwaltung zu Anlässen wie Grüne Woche oder Loveparade freigeben. An zwei Sonntagen dürfen Läden außerdem bei Firmenjubiläen oder Festen öffnen.
Auf Drängen der Linkspartei/PDS und des linken SPD-Flügels war das Gesetz zuvor um Regelungen ergänzt worden, die die Arbeitnehmer im Einzelhandel besser schützen sollen. So müssen Beschäftigte mit Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen auf Verlangen „von einer Beschäftigung nach 20 Uhr bzw. an verkaufsoffenen Sonn- und Feiertagen freigestellt werden“. Außerdem dürfen Arbeitnehmer nur an zwei Adventssonntagen im Jahr arbeiten. Die Abgeordneten stimmten mit großer Mehrheit für das Gesetz, nur die Grünen und einzelne Abgeordnete der CDU waren dagegen.
Die Gewerkschaft Verdi und die Kirchen prüfen eine Verfassungsklage gegen die Öffnung an den Adventssonntagen. Die Kirchen sehen den verfassungsrechtlich garantierten Schutz des Sonntags „in einem gesamten Monat komplett ausgehebelt“. Dies sei „ein Angriff auf die Werte der Gesellschaft und der Familie“.
Einig sind sich Gegner und Befürworter der Neuregelung darüber, dass sie kaum zu mehr Arbeitsplätzen führen wird. „Niemand sollte einen Beschäftigungsschub oder ein Wirtschaftswachstum durch längere Öffnungszeiten erwarten“, sagte Hubertus Pellengahr, Sprecher des Hauptverbandes des deutschen Einzelhandels. Er sieht den Nutzen vor allem darin, den Kunden mehr Service zu bieten. Ähnlich argumentierten gestern auch mehrere Redner im Abgeordnetenhaus.
Die Gewerkschaft Verdi befürchtet eine weitere Splittung von Vollzeitstellen in Teilzeitbeschäftigung und Mini- Jobs. Schon heute arbeiteten im Einzelhandel mehr als die Hälfte der Beschäftigten Teilzeit, sehr oft in Beschäftigungsverhältnissen mit Verdienstmöglichkeiten bis 400 Euro. Als vor zehn Jahren die Geschäftszeiten auf 20 Uhr ausgeweitet wurden, habe das nicht mehr Jobs gebracht. Zu diesem Ergebnis kam 1999 auch ein Bericht der Bundesregierung: Danach waren in den drei Jahren seit der Reform sechs Prozent der Arbeitsplätze verloren gegangen, lediglich die Zahl derjenigen, die nur wenige Stunden arbeiten, sei gestiegen. Die Hoffnungen des Handels auf höhere Umsätze hätten sich auch nicht erfüllt.
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