Intervention von zwölf Kulturschaffenden: Streit um die Pläne am Checkpoint Charlie
Ein Platz für alle – das wünschen sich zwölf Urgesteine der Berliner Kulturszene für den Checkpoint Charlie. Doch ihr Vorgehen könnte Investor Trockland nützen.
Zwei Panzer, versenkt im Berliner Untergrund, die täglich aus dem Nichts erscheinen und die Friedrichstraße blockieren: Das russische Gefährt und der amerikanischer tank machen die Konfrontation am Checkpoint Charlie vor bald 60 Jahren erfahrbar. Zwei bewegliche C-förmige Tribünen mit Besuchergruppen nähern sich von Osten und Westen kommend einander – oder driften auseinander, je nachdem, wie die Menschen interagieren. Tägliche Inszenierungen zum Kalten Krieg und dessen Überwindung am „Ort der Freiheit und Demokratie“, für den Berlin und der Checkpoint stehen. Statt pädagogischer Musealisierung interaktive Inszenierungen. Das sind neue Ideen eines Dutzend Kulturschaffender, mobilisiert von Ex-Kulturstaatssekretär Tim Renner, für die Brachen östlich und westlich der Friedrichstraße Ecke Zimmerstraße.
Je nach Ausgang des wirtschaftspolitischen Krimis um das Grundeigentum könnten diese als Zwischennutzung zur Vorbereitung von Renditeimmobilien dienen oder aber zur innovativen Gestaltung öffentlichen Raums für alle Menschen und Vollendung des Bebauungsplans als „C-Plan“.
Rückblick. Vor gut zwei Jahren wendeten Kulturpolitiker, Architekten und Planer das Schicksal der zwei letzten Bauflächen am Checkpoint Charlie: Was zuvor in Hinterzimmern der sozialdemokratisch geführten Senatsverwaltung für Finanzen mit dem Bauträger gedealt worden war, wurde neu verhandelt in einem öffentlichen Verfahren unter Beteiligung von Experten. Wo ursprünglich eine Filiale der Hotelkette „Hard Rock“ entstehen sollte – eine Gewerbeimmobilie mit Zugang zu einem unterirdischen Museum des Kalten Krieges, außerdem Wohnungen und Büros –, war in dem neuen Bebauungsplan nun ein Stadtplatz für alle und ein frei gestellter Museumsbau vorgesehen.
Doch nun, wenige Tage vor Ende der öffentlichen Auslegung, hat Renner, ein SPD-Mann wie der Finanzsenator, zwölf Urgesteine der Berliner Kulturszene wachgerüttelt und für eine „Intervention“ gewinnen können.
Sein Ziel: Mehrheiten im Abgeordnetenhaus zu schaffen, um den Bebauungsplan zu stoppen. Bauträger Trockland, der dem Besitzer der Grundstücke, dem Insolvenzverwalter, diese abkaufen will, begrüßt Renners Vorstoß – und bezahlte die Spesen des „Workshops“.
Die kommerziellen Interessen an diesem Störfeuer des Planverfahrens manifestierten sich vor dem Workshop in Gestalt von Heskel Nathaniel, Manager der Trockland-Gruppe. Die Stimmung im Senat zugunsten dessen bunter Pläne war nach einem ersten Einschreiten von Kulturschaffenden um den früheren Kultursenator Thomas Flierl (Linke) gekippt: Die Öffentlichkeit wurde beteiligt, außerdem wurden heikle Partner von Trockland bekannt, Familienmitglieder des verstorbenen turkmenischen Autokraten Saparmurad Niyazov. Dieser ersten Rolle folgt also nun eine zweite kunstvolle rückwärts, inszeniert von Tim Renner. Ob dem „Rat der Zwölf“ die politische Dimension seines Tuns bewusst ist?
Durchaus, wie der Workshop zeigte, zumindest gilt das wohl für Architekt Daniel Libeskind und Kuratorin Yasha Young. Letztere warf in die Debatte um die gefährliche Gemengelage die Forderung nach öffentlichem Eigentum an den Grundstücken ein. Sie setzte in anderen Städten vitale Museumprojekte durch und kennt die Fallstricke. Ihren Vorstoß begleitete der zweite Politiker im Kreis, Notker Schweikhardt (Grüne), mit einem düsteren Raunen über die vielen Millionen, die das Land dafür bezahlen müsste. Vehement forderte er indes, den Bebauungsplan zu kippen.
Das könnte Trockland in die Hände spielen, denn die Uhr tickt und wenn es kein Baurecht bis Jahresfrist gibt, dürften nach Baugesetzbuch sehr bald Renditeklötze bis an den Straßenrand die Lücken füllen, in ähnlicher Beliebigkeit wie benachbarte Blöcke.
Einer möglichen Vereinnahmung von Kunst und geballter Kreativ-Power der zwölf Kreativen stellte sich Daniel Libeskind entgegen. Dabei hatte Trockland den namhaften Architekten geworben und Spesen übernommen. Libeskind aber meint, es gehe „um die Menschen“, wenn Stadt verhandelt wird und der Checkpoint sei der Ort schlechthin für Berlins „Agora“, wie die Versammlungs- und Marktplätze bei den alten Griechen hießen. Vor allem muss hier Platz für den Austausch von Meinungen und Interessen sein, ein Ort der Selbstorganisation für die „Community“, um eines der „C“-Wörter zu nennen, die der „C-Plan“ meint. Der Titel verweist auf den vorangegangenen, administrativ verfügten „B-Plan“.
Die Teilnehmer des Workshops fassen es so zusammen: „Es geht infolgedessen primär nicht um eine materielle Verwertung der Fläche, sondern um eine am Gemeinwohl orientierte Nutzung.“
Am Gemeinwohl orientierte Nutzungen sind allerdings eher selten auf dem Immobilienmarkt, wo Bauflächen ein Handelsgut sind. Aber es gibt Ausnahmen. Zwei der Teams im Workshop nannten als gute Beispiele für die Ziele bei der Checkpoint-Entwicklung das Holzmarkt-Areal am Spreeufer nahe dem Ostbahnhof. Ein Ort für alle – das jedenfalls zählt zu den Absichten der Genossenschaft hinter dem Holzmarkt, ihr Vorstand Ania Pilipenko brachte das Beispiel ein. Dass die Grundstücke wiederum Eigentum einer Schweizer Genossenschaft sind, ist kein Zufall, sondern eine Voraussetzung für die Nutzung des Ortes durch Filmemacher, Musiker, Maler und Manufakturen, die Alternativen zum Einerlei der Handelsketten schaffen. So gesehen ist der Holzmarkt die verstetigte Zwischennutzung, die sonst nur Marktverwertungen und Renditedruck vorausgehen und dann verschwinden, so wie „Bar25“ und „Kater Holzig“.
Dabei leuchtet Berlin deshalb so hell in der Welt, wegen dieser „Orte gelebter Demokratie“, wie Jochen Sandig vom Radialsystem sie nennt. Solche „radikalen Öffnungen“ städtischer Räume gegen die Zudringlichkeiten des Marktes haben die zwölf Kulturvertreter im Sinn, wenn sie „diese eine Idee“ für den Checkpoint fordern. Und das ist ohne öffentlichen oder jedenfalls gemeinnützigen Grundbesitz schwer vorstellbar.
Zumal die im Workshop skizzierte tägliche Bespielung des Ortes eine „Kuratierung“ erfordert, das heißt: Geld. Dieses fließt ohnehin, da der B-Plan eine Musealisierung vorsah. Hier fordert die Gruppe, dass das „Museum nicht getrennt vom Rest des Areals und dem öffentlichen Platz gedacht werden darf, sondern ein lebendiger Teil der Gesamtstruktur ist“. Vorstellbar seien Inszenierungen der Erinnerung mit neuen Medien, die spielerisch Menschen in Bewegung und Begegnung bringen.
Man ahnt die Anziehungskraft, die dieser Ort ausüben würde. Und dass dafür Platz geschaffen werden muss: „Unser Ausgangspunkt ist eine komplette und dauerhaft verkehrsberuhigte Zone eines Teils der Friedrichstraße an dieser Kreuzung, um den Frozen Moment des Kalten Kriegs räumlich erlebbar zu machen.“