In die Parade gefahren: Streit um den Christopher Street Day in Berlin wird schärfer
Der Streit um den Christopher Street Day und seine Umbenennung in „Stonewall Berlin“ wird immer schärfer. Mit einem Nebeneffekt: Die bekannte Marke ist schon verschwunden.
Die Auseinandersetzung um die künftige Ausrichtung von Berlins größter Veranstaltung gegen die Diskriminierung von Homosexuellen verschärft sich. Dabei kommen überraschende Details zutage. So ist die 2003 vom Berliner CSD e.V. eingetragene Wort-Bildmarke „CSD“ kürzlich beim Deutschen Patent- und Markenamt gelöscht worden. Das damit verbundene Logo benutzt der Verein allerdings schon lange nicht mehr. Parallel dazu ließ der Verein den Begriff „Stonewall“ als Marke schützen – die Veranstaltung soll künftig „Stonewall Berlin“ heißen. So beschloss es eine Mitgliederversammlung Ende Januar.
Die vom Tagesspiegel öffentlich gemachte Umbenennung und interne Neuausrichtung des CSD (Christopher Street Day) haben in der Szene einen erbitterten Streit provoziert, der jetzt auch juristisch ausgetragen wird. So hat CSD-Mitglied Henry Jaworek eine Abmahnung von seinem Verein bekommen. Anlass ist Jaworeks Facebook-Seite „Stonewall Berlin“. Dort fordert er, den Namen CSD beizubehalten. Kritiker werfen dem Vereinsvorstand vor, Umbenennung und Neuorientierung vollzogen zu haben, ohne Mitglieder und schwullesbische Gemeinschaft genug einzubeziehen.
Die Führung des nach eigenen Angaben knapp 100 Mitglieder starken CSD-Vereins weist das zurück. Alle Änderungen seien auf der Mitgliederversammlung beschlossen worden, sagt Geschäftsführer Robert Kastl. Und die Abmahnung gegen die Facebook-Seite sei notwendig, weil zu viele Menschen den Eindruck erweckten, sie verträten den CSD oder jetzt eben „ Stonewall Berlin“ – und damit oft nur Geld verdienen wollten.
Auf Szene-Websites wird seit Wochen über den CSD-Vorstand geschimpft, kürzlich beschwerten sich wie berichtet auch die schwul-lesbischen Organisationen der Parteien über den CSD-Vorstand. Sie fordern mehr Mitbestimmung über den Kurs der Parade und der damit verbundenen Veranstaltungen. So hätte der Verein die geplante Umbenennung in „Stonewall Berlin“ früher offenlegen sollen, sagt der CDU-Politiker Stefan Evers. Er findet es „verlogen“, dass der Verein einerseits ankündigt, die Veranstaltung politischer zu machen und sich andererseits eine Marke wie „Stonewall“ sichert, um damit Geld zu verdienen.
Die Gegner des aktuellen CSD-Kurses reiben sich vor allem an Robert Kastl. Der 43-Jährige ist seit 14 Jahren Mitorganisator und seit 2008 Geschäftsführer des CSD. Seine Kritiker werfen ihm vor, mit einem kleinen Kreis von Vertrauten den Kurs zu bestimmen, Partner durch schroffes Auftreten und ultimative Forderungen zu verprellen und auf intransparente Weise Geld zu verdienen. Kastl gehört auch die Firma Publicom, die beim CSD Werbeflächen vermietet. Das sei nicht verwerflich, kontert Kastl. Als CSD-Geschäftsführer habe er eine halbe Stelle und verdiene gerade mal 1750 Euro brutto im Monat. Der Umsatz von Publicom liege im Jahr bei knapp über 100 000 Euro. „Der Interessenkonflikt ist uns bekannt“, sagt Kastl. Gerade deswegen lege er Wert darauf, alles offenzulegen.
Der CSD-Verein nahm laut Finanzübersicht im vergangenen Jahr knapp 314 000 Euro ein, hatte aber auch Ausgaben von knapp 297 000 Euro. Den Vorwurf, er verprelle Gesprächspartner durch undiplomatisches Auftreten, kontert Kastl mit der Aussage, dass dies oft durch die Gegenseite provoziert werde. Auch in diesem Jahr läuft es auf einen Konflikt über die Abschlusskundgebung am 21. Juni hinaus, die nach dem Willen des CSD-Vereins am Brandenburger Tor stattfinden soll – zeitgleich zur WM-Fanmeile, die an diesem Tag voraussichtlich Hunderttausende zum selben Ort lockt.
Gespannt schauen Vorstand und Kritiker dem 26. Februar entgegen. Da findet ein CSD-Forum statt, die basisdemokratische Plattform des Vereins. Es dürfte kontrovers werden. Der neue Name und die Vereinsstruktur stehen aber nicht mehr zur Abstimmung.