Arbeitsniederlegungen in Berlin: Streik soll Schulen, Kitas und Ämter lahmlegen
Die Gewerkschaft rechnet Dienstag und Mittwoch mit einer großen Streikbeteiligung an Berliner Kitas und Schulen. Erstmals wirbt sie auch auf Arabisch und Englisch für Verständnis.
Zwei Tage im Ausnahmezustand – das erwartet Familien diese Woche, sofern sie öffentliche Kitas und Schulen besuchen: Mehrere Gewerkschaften haben alle öffentlich Beschäftigten zu Arbeitsniederlegungen aufgerufen und somit auch knapp 30.000 Lehrer, Erzieher und Sozialpädagogen. Viele Schulen haben bereits den Eltern mitgeteilt, dass sie am Dienstag und Mittwoch noch nicht einmal eine Notbetreuung aufrecht erhalten können. Zudem ist mit Verkehrsbeeinträchtigungen zu rechnen.
Seit Tagen werben die Gewerkschaften um Verständnis für den umfangreichen zweitägigen Streik und die damit verbundenen Einschränkungen. „Wir haben erstmals auch einen Elternbrief auf Arabisch und Englisch geschrieben“, berichtet die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Doreen Siebernik. Damit soll erreicht werden, dass auch die Flüchtlingsfamilien rechtzeitig informiert sind. Zudem gibt es die Elternbriefe wie immer auf Deutsch und Türkisch, und es wurde – wie schon vor zwei Jahren – ein Schülerbrief zum Runterladen auf die GEW-Homepage gestellt.
„Liebe Schülerinnen, liebe Schüler, wir streiken!“, heißt es da und dass die Beschäftigten in Berlin viel schlechter als etwa in Brandenburg bezahlt würden.
Gefordert wird auch eine tiefgreifende Veränderung im Tarifvertrag
Siebernik rechnet mit einer großen Streikbeteiligung – ähnlich wie bei der letzten Tarifrunde vor zwei Jahren: Neben den Erziehern und Lehrern sind noch weitere 70.000 Beschäftigte aus den Verwaltungen aufgerufen – vom Forstamt bis zum Bauamt über die Hochschulen bis hin zu den Senatsbehörden. Verdi hat diese Berufsgruppen aber nur für Dienstag zum Streik aufgerufen, während die Lehrer, Erzieher und Sozialpädagogen an beiden Tagen streiken sollen.
Es geht um viel – und um viel Verschiedenes bei diesen Streiks. Zum einen fordern die Gewerkschaften sechs Prozent mehr Lohn. Darüber hinaus wollen die Gewerkschaften aber auch eine sehr grundsätzliche und tiefgreifende Veränderung und zwar, dass in den Tarifvertrag deutscher Länder (TV-L), der in Berlin gilt, eine zusätzliche Gehaltsstufe aufgenommen wird. Denn im TV-L gibt es nur fünf sogenannte Entwicklungsstufen, während es im Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD), der etwa in Brandenburg gilt, sechs Stufen gibt. Das führt dazu, dass Erzieher in Brandenburg nach einigen Berufsjahren etwa 400 Euro mehr verdienen als in Berlin.
Angesichts des Erziehermangels kann Berlin es sich nicht leisten, Beschäftigte an das Nachbarland zu verlieren. Die zusätzliche Stufe könnte auch den immer wieder beklagten Besoldungsunterschied zwischen den angestellten und den verbeamteten Lehrern mindern.
Für eine starke Streikbeteiligung spricht auch, dass bereits beim Warnstreik der Erzieher und Sozialpädagogen am 25. Januar rund 4000 Beschäftige im Ausstand waren. Laut GEW hatte sich da schon der Landeselternausschuss der Kindertagesstätten mit den Streikenden solidarisiert. Der Landeselternsprecher für die Schulen, Norman Heise, appellierte im Gespräch mit dem Tagesspiegel „an beide Seiten, sich schnell zu einigen“.
Dienstag und Mittwoch werden Verkehrsbeeinträchtigungen erwartet
Das allerdings dürfte schwierig werden, zumal nicht nur für Berlin verhandelt wird, sondern auf Bundesebene. Und die übrigen Bundesländer haben andere Interessen als Berlin, das – etwa durch die Nicht-Verbeamtung der Lehrer – stärker auf eine Erhöhung der Angestelltengehälter angewiesen ist, um seine Personalnot zu lindern. Das gilt auch für den Baubereich: Solange die Baufachleute in den Bezirken so wenig verdienen, ist es – etwa für Bundesbehörden – leicht, sie abzuwerben, denn der Bund zahlt besser. Für Berlin sitzt Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) mit am Verhandlungstisch, den Vorsitz hat sein niedersächsischer Amtskollege.
An beiden Streiktagen werden Verkehrsbeeinträchtigungen erwartet: Am Dienstag ist der zentrale Treffpunkt der Streikenden um 9.45 Uhr auf dem Alexanderplatz, anschließend geht es zur Kundgebung am Pariser Platz. Am Mittwoch ist die City West betroffen.
Nach Angaben von Verdi sind in Berlin und Brandenburg insgesamt über 200.000 Beschäftigte unmittelbar von den aktuellen Tarifverhandlungen betroffen und mittelbar außerdem noch die Beamten, denn die Gewerkschaften fordern für sie eine „zeit- und inhaltsgleiche“ Übernahme des Tarifergebnisses.