Corona beeinflusst Berliner Kriminalstatistik: Straftaten auf historischem Tief – aber Zuwachs bei Kinderpornografie
Die Kriminalität in Berlin ist auf dem niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung – auch wegen der Pandemie. Ein wechselhaftes Bild gibt es bei Sexualtaten.
In Berlin ist die Kriminalitätsbelastung auf ein historisches Tief gesunken. Die sogenannte Häufigkeitszahl, also die Zahl der Straftaten pro 100.000 Einwohner, ging im vergangenen Corona-Jahr auf den niedrigsten Wert seit der Wiedervereinigung zurück, sagte Innensenator Andreas Geisel (SPD) am Freitag bei der Vorstellung der Kriminalitätsstatistik. Die Zahl fiel von 14.086 auf 13.739.
Die Zahl der Straftaten insgesamt ging um 1,8 Prozent auf 504.142 Fälle zurück. Der Anteil der aufgeklärten Straftaten – bei dem Berlin bundesweit meist Schlusslicht ist – stieg von 44,7 auf 46,1 Prozent. Die Polizei hat im vergangenen Jahr 136.053 Tatverdächtige und damit 651 weniger als im Jahr zuvor ermittelt.
Durch die Corona-Pandemie habe sich die Kriminalität in Berlin grundsätzlich verändert, der Vergleich mit den Vorjahren sei daher nur bedingt möglich, sagte Geisel.
Taschendiebstahl, Raubüberfälle, Autodiebstahl und Wohnungseinbrüche seien deutlich zurückgegangen. Weil Touristen wegblieben, die Menschen im Homeoffice seien, seltener mit Bus und Bahn unterwegs seien und es keine Großveranstaltungen gebe, hätten sich die Gelegenheiten für Kriminelle verändert.
Die Pandemie habe die Polizei „vor besondere, zum Teil völlig neuartige Herausforderungen gestellt“ – aber auch die Kriminellen, sagte Geisel. So gebe es neue Formen des Enkeltricks, bei dem ältere Leute um ihre Ersparnisse gebracht werden. Statt in Wohnungen brechen Kriminelle nun häufiger in Keller und Dachböden ein. Und wegen verstärkter Kontrollen wurden mehr Drogendelikte erfasst.
Mehr als 41 Millionen Euro durch Corona-Subventionsbetrug
Auch der Warenbetrug im Internet hat zugenommen. Durch Subventionsbetrug bei Corona-Hilfsgeldern für Firmen und Selbstständige entstand laut Polizei ein bislang erfasster Schaden von mehr als 41 Millionen Euro – bei einer ausgezahlten Summe in Höhe von zwei Milliarden Euro.
Knapp 3000 Betrugsfälle seien bislang bekannt, die Zahlen würden weiter steigen. Geisel sagte, der Senat habe sich im Frühjahr 2020 bewusst für unbürokratische Hilfe entschieden trotz der bekannten Gefahr von Betrug und Missbrauch.
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Die Kriminalstatistik ist zunächst ein Arbeitsnachweis der Polizei, sie gibt nur Auskunft darüber, wie viele Straftaten registriert wurden. Ob die ermittelten Verdächten tatsächlich die Täter waren, müssen Gerichte entscheiden.
Zudem gibt es eine hohe Dunkelziffer von Taten, die nie angezeigt werden. Das dürfte auch bei häuslicher Gewalt ein Rolle spielen. 16.327 Menschen – und damit 682 oder 4,4 Prozent mehr als im Vorjahr – wurden als Opfer von Gewalt in der Familie oder der Partnerschaft erfasst. Rund 70 Prozent davon waren Frauen oder Mädchen, knapp 30 Prozent Jungen oder Männer.
Ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Pandemie und häuslicher Gewalt lasse sich aus der Statistik nicht ableiten, sagte Geisel. Wenn Kindertagesstätten und Schulen geschlossen seien, könnten aber seltener Gewaltfälle entdeckt werden.
Polizeipräsidentin Barbara Slowik sagte: „Unsere Zahlen allein bilden nicht die Realität ab.“ Die Berichte der Gewaltschutzambulanz zeigten, dass es in dem Bereich einen Anstieg und ein großes Dunkelfeld gebe.
Rückgang bei schweren Vergewaltigungen
Bei Sexualstraftaten hielt der seit Jahren verzeichnete Anstieg 2020 an – und erreichte den höchsten Stand seit 2011. Die Zahl der festgestellten Fälle stieg um 4,2 Prozent von 4809 auf 5011. Das Bild ist hier jedoch differenziert: Die größten Zuwächse gab es beim Besitz und Erwerb von Kinderpornografie mit 61 Prozent auf 376 Fälle.
Bei sexuellen Übergriffen und sexueller Nötigung nahm die Zahl um 13 Prozent auf 591 Fälle zu. Und bei sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen waren es 109 Fälle – 59 mehr als im Jahr zuvor. Deutlich höhere Fallzahlen gibt es bei schwerer Vergewaltigung, Belästigung sowie Verbreitung und Herstellung von Kinderpornografie, doch bei diesen Taten sind Rückgänge zu verzeichnen.
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Das selbe Bild zeigt sich bei Mord und Totschlag – 95 Fälle statt 106 im Vorjahr. Bei Raubstraftaten wie Überfällen auf Geschäfte, Passanten oder Autofahrer hält der seit 2012 erkennbare Rückgang an.
Zugenommen haben Raubüberfälle in Wohnungen, und zwar um 24 Prozent. Nahezu auf dem Niveau des Vorjahres bewegt sich die Zahl der Körperverletzungen. Registriert wurden etwas weniger schwere und gefährliche Gewalttaten auf Straßen und Plätzen.
Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamte hat deutlich zugenommen
Eine besondere Herausforderung für die Polizei waren die teils sehr aggressiven Proteste gegen die staatlichen Corona-Schutzmaßnahmen. Polizisten hätten von einem bisher unbekannten Aggressionspotenzial auch von Teilnehmern aus der bürgerlichen Mitte berichtet, sagte Geisel. Die Beamten seien erfahren im Umgang mit aggressiven Vermummten, „aber wenn sie von Familien mit Kindern angegriffen werden, ist das eine neue Qualität“, sagte Geisel.
Der Statistik zufolge hat die Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamte deutlich zugenommen. Die Zahl der sogenannten Widerstandstaten stieg um neun Prozent auf 2329, zudem wurden 1196 Angriffe auf Beamte gezählt, neun Prozent mehr als im Vorjahr.
7505 Polizisten wurden im Dienst „Opfer einer Straftat gegen die Freiheit und körperliche Unversehrtheit“, eine Zunahme um knapp 13 Prozent. Dabei seien 1559 Beamte verletzt worden. Allein 77 waren es bei der Corona-Demo Mitte November.
Politisch motivierte Kriminalität erreicht neuen Höchststand
Auf der anderen Seite führten die teils aggressiven Auseinandersetzungen auch zu mehr Strafanzeigen gegen Polizisten. In 564 Fällen wird wegen Körperverletzung im Amt ermittelt, 16 Prozent mehr als im Vorjahr.
Die Spannungen in der Gesellschaft zeigen sich auch daran, dass die politisch motivierte Kriminalität in Berlin einen neuen Höchststand erreicht. Es gab eine Zunahme um knapp ein Drittel auf fast 6000 Fälle – die höchste Zahl seit 2001. Viele der Straftaten hätten sich im Umfeld von Corona-Versammlungen ereignet, hieß es.
Bei politischen Gewaltdelikten gab es eine Zunahme von 44 Prozent auf 890 Fälle. Das geht vor allem auf den starken Anstieg um 67 Prozent bei linken Gewalttaten zurück.
Die Zahl rechtsextremer Straftaten stieg um ein Fünftel auf 2456 Fälle. Die Zahl linker Straftaten nahm um 50 Prozent auf 2128 Fälle zu. Die Zahl antisemitischer Straftaten stieg um ein Sechstel auf 352 Fälle, die zahl antisemitischer Gewaltdelikte sank von 34 auf zehn.
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