Nach Übergriffen bei Demo in Cottbus: Steuert eine Neonazi-Organisation die Proteste?
Der Verfassungsschutz prüft die Beteiligung der verbotenen Gruppe "Widerstandsbewegung in Südbrandenburg" an den Protesten. Auch gegen einen Feuerwehrmann ist ein Verfahren eingeleitet worden.
Der brandenburgische Verfassungsschutz prüft, ob die Anti-Flüchtlings-Proteste in Cottbus von einer verbotenen Neonazi-Organisation gesteuert werden. Das geht aus einer Antwort des Innenministeriums in Potsdam auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen-Fraktion im Landtag hervor. Konkret handelt es sich bei der infrage stehenden Neonazi-Gruppe um die im Jahr 2012 verbotene „Widerstandsbewegung in Südbrandenburg“, die auch als „Spreelichter“ bekannt geworden ist. Belastbare Erkenntnisse über eine Zusammenarbeit lägen zurzeit jedoch noch nicht vor, hieß es in der Antwort von Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD).
Klar ist nach Angaben des Innenministeriums aber auch: Die Organisatoren der Cottbuser Proteste des Vereins „Zukunft Heimat“ arbeiten mit anderen Rechtsextremisten zusammen. So nahmen Mitglieder der „Identitären Bewegung“ an den Demonstrationen teil und traten dort auch als Redner auf. Ähnliche Formen der Zusammenarbeit mit „Identitären“ gebe es bei Pegida oder der Initiative „Ein Prozent“.
Empörte Bürger auf der Straße
Das Moses-Mendelssohn-Zentrum (MMZ) mit Sitz in Potsdam hatte kürzlich in einer Studie festgestellt: Auch die brandenburgische AfD zeige nur „wenige Berührungsängste zu rechtsextremen Kräften im Protestmilieu“. Die Innenexpertin der Grünen-Landtagsfraktion, Ursula Nonnemacher, sagte: „Die unterschiedlichen Akteure schmieden fast schon an einer rechten Volksfront.“
Fakt ist aber auch: In Cottbus gingen am vergangenen Wochenende nicht nur Neonazis auf die Straße. Erheblichen Zulauf erfuhren die Proteste durch die jüngsten Auseinandersetzungen mit Beteiligung jugendlicher Syrer. Einer der Höhepunkte ereignete sich, als ein 16-jähriger Syrer einen gleichaltrigen Deutschen mit einem Messerschnitt im Gesicht verletzte. Bereits zuvor war der Täter durch gewalttätiges Verhalten aufgefallen. Ein Sprecher des Innenministeriums in Potsdam sagte: „Die Stimmung in Cottbus ist angespannt. Was sich da vollzieht, ist keine Kleinigkeit. Die Demo zeigt, dass wir es nicht nur mit Rechtsextremisten und der AfD zu tun haben, sondern auch mit vielen empörten Bürgern.“
Disziplinarverfahren gegen Feuerwehrmann
Bei der Demonstration des rechten Vereins „Zukunft Heimat“ am Sonnabend mit rund 1500 Teilnehmern sind, wie erst am Montag bekannt wurde, neben Journalisten auch Mitarbeiter des Vereins Opferperspektive attackiert worden – von rechten Hooligans. Die Berater, die Opfer rechter Gewalt unterstützen, halfen einer angegriffenen Journalistin, bei der Polizei Anzeige zu erstatten. Aus einer Gruppe rechter Hooligans soll es erst Rempler gegeben haben, die Mitarbeiter wurden gefilmt, später bepöbelt und bis zu einem Parkhaus verfolgt. Einer der Täter soll bereits im Sommer 2017 bei einer Demonstration von „Zukunft Heimat“ an einer Attacke beteiligt gewesen sein.
Gegen einen Cottbuser Feuerwehrmann ist indes ein Disziplinarverfahren wegen möglicher Verstoße gegen das Neutraliätsgebot eingeleitet worden. Er soll am Rande der Demonstration über den Lautsprecher seines Einsatzwagens die „Patrioten“ gegrüßt und seine Sympatien für die Demonstration bekundet haben. Auf der Facebook-Seite seines Arbeitgebers wird der Feuerwehrmann jedoch ungeniert gefeiert. „Meinen ausdrücklichen Dank dem mutigen Feuerwehrmann, der unsere Demo begrüßte“, schreibt ein Besucher auf der Seite der städtischen Berufsfeuerwehr. „Das war eine Top-Solidarisierung, und statt eines Disziplinarverfahrens, sollten eure Dienstherren endlich mal ohne Scheuklappen nachdenken.“ Ein anderer schreibt: „Vielen Dank an den Kameraden der gestern seinen (sic) Gewissen gefolgt ist (....). Cottbus dankt dir!!“ Es gibt Likes für die Einträge. Nur einer antwortet: „Nazis raus.“
Am Donnerstag wird sich in Potsdam der Innenausschuss des Landtags mit der Lage in der Lausitz-Stadt Cottbus beschäftigen. Wegen der Konflikte zwischen Deutschen und Syrern hatte Innenminister Schröter wie berichtet einen Zuzugsstopp für Flüchtlinge in die Stadt verhängt. (mit axf)
René Garzke, Marion Kaufmann