Fälschungen in Steglitz-Zehlendorf: Staatsanwalt prüft Anfangsverdacht in Berliner CDU-Affäre
Jetzt interessieren sich auch die Strafverfolgungsbehörden für die Manipulationsvorwürfe in Steglitz-Zehlendorf. Der Bundestagsabgeordnete Karl-Georg Wellmann wehrt sich derweil gegen Vorwürfe.
Es geht um Urkundenfälschung, Verleumdung, Falschaussage: Schlammschlacht in der Berliner CDU. Nach Tagesspiegel-Informationen prüft nun auch die Staatsanwaltschaft, ob in der Affäre um gefälschte Umfragebögen ein Anfangsverdacht vorliegt. Demnach wurde die Behörde von sich aus tätig, eine Strafanzeige liegt offenbar bisher nicht vor.
Offiziell bestätigte eine Sprecher lediglich, dass die Staatsanwaltschaft die Berichterstattung im Tagesspiegel und anderen Medien zum Thema aufmerksam verfolge.
Wie berichtet, bekämpfen sich die politischen Lager in den elf Ortsverbänden der Südwest-CDU mit 2200 Mitgliedern seit Jahren. Dabei bedient man sich auch unlauterer, möglicherweise strafrelevanter Maßnahmen. Jüngstes Beispiel: Rund 350 Umfragebögen wurden nachweislich gefälscht. Eine Untersuchungskommission kommt zu dem Ergebnis, dass vermutlich der Straftatbestand der Urkundenfälschung vorliegt und empfiehlt dem Landesverband unter anderem, Strafanzeige wegen des Verdachts der Mittäterschaft gegen den Bundestagsabgeordneten Karl-Georg Wellmann zu stellen.
Der will sich nun offenbar wehren. Wie Wellmann dem Tagesspiegel bestätigte, lässt er derzeit durch einen Anwalt prüfen, ob er gegen seinen Parteifreund und Kreisvorsitzenden in Steglitz-Zehlendorf, Thomas Heilmann, Strafanzeige wegen des Verdachts auf Falschaussage und Verleumdung stellen kann.
Heilmann nämlich hatte im Januar 2017 CDU-Landeschefin Monika Grütters über Auffälligkeiten bei der Mitgliederbefragung informiert. Die habe "den Justitiar der CDU Berlin, Ernst Brenning, gebeten, den Kreisverband als neutraler Sachwalter bei der Aufklärung dieses Sachverhaltes zu unterstützen", bestätigte CDU-Sprecherin Gina Schmelter.
Doch von da an liefen die Dinge wohl etwas außer Kontrolle.
Vorangegangen war ein alter Streit: Wellmann und der Kreisvorsitzende Thomas Heilmann treten bei der Wahl des Direktkandidaten im Südwesten gegeneinander an. Im Oktober sollte ein Kreisparteitag über die Einführung des Mitgliederprinzips entscheiden. Eine Zweidrittelmehrheit kam nicht zustande. Heilmann ließ per Kreisvorstandsbeschluss eine Mitgliederbefragung durchführen, mit der aber die Satzung nicht hätte geändert werden können. Die Mitglieder durften namentlich oder anonym für oder gegen die Einführung des Mitgliederentscheids abstimmen. Heilmann sprach sich dafür, Wellmann dagegen aus.
Wellmann suspendierte Mitarbeiter "mit sofortiger Wirkung"
Der Geschäftsstelle fiel auf, dass immer mehr anonyme Stimmzettel mit einem Nein zum Mitgliederprinzip auftauchten. Kreisgeschäftsführer Thomas Bretschneider entdeckte, dass diese Fälschungen seien. „Es handelte sich bei den gefälschten Umfragebögen um sehr gute Fälschungen“, schreibt die Untersuchungskommission in ihrem vom 10. März datierten Abschlussbericht, der dem Tagesspiegel vorliegt.
Ein Mitarbeiter von Karl-Georg Wellmann soll auf einem der gefälschten Bögen „offen mit Nein“ abgestimmt haben. Es war der einzige nicht anonym abgegebene Umfragebogen. Der Mitarbeiter hatte dies bei einer Befragung auch eingeräumt und erklärt, er wisse nicht, wie er an den gefälschten Bogen gekommen sei.
Wellmann teilte gestern dem Tagesspiegel mit, er habe den Mitarbeiter „mit sofortiger Wirkung“ suspendiert. Er missbillige „aufs Schärfste jedwede Manipulation“ der Mitgliederumfrage und verweist auf den Zwischenbericht vom 1. März,. Dort steht, es gebe keine Beweise gegen einen der beiden Wahlkreiskandidaten, an der Fälschung beteiligt gewesen zu sein. Außerdem mache die Fälschung einer Umfrage „für mich keinen Sinn“. Wellmann weist auf Druckdateien von Mitgliederfragebögen hin, die per Email an etliche Mitglieder geschickt worden sind. Dadurch seien „Manipulationen Tor und Tür“ geöffnet gewesen.
Die Kommission stellte dagegen fest, dass die Mail „nicht als Druckvorlage brauchbar“ war. Zudem sei die besagte Mail erst verschickt worden, als bereits hunderte gefälschte Bögen in der Kreisgeschäftsstelle angekommen waren.
Wellmann weist jegliche Verdächtigung von sich
Wellmann weist jegliche Verdächtigung von sich und hat einen Anwalt eingeschaltet, der eine Strafanzeige wegen vorsätzlicher Verdächtigung prüfen soll.
Heilmann sagte gestern: „Auch für Herrn Wellmann gilt die Unschuldsvermutung.“ Auf Mutmaßungen, wonach die Fälschungen Teil einer Intrige seiner Unterstützer gegen Wellmann sein könnten, antwortet Heilmann: „Die Fakten sprechen für das Gegenteil.“
Aus dem Landesverband heißt es lediglich, eine Bewertung stehe noch aus. „Wir gehen davon aus, dass die Bewerber für den Bundestagswahlkreis sich weiterhin als faire Wettbewerber erweisen.“ Die Wahl des CDU-Direktkandidaten für Steglitz-Zehlendorf findet am Sonntag statt.
Den Endbericht der Untersuchungskommission können Sie hier nachlesen.