NPD-Funktionär vor Gericht: Staatsanwalt: KZ-Tattoo ist Volksverhetzung
Beim Prozess gegen NPD-Funktionär Marcel Zech wegen einer KZ-Tätowierung ist am Dienstag die Anklage verlesen worden. Der Anwalt des Neoanzis kontert: Der Hauptzeuge habe sich selbst strafbar gemacht.
- Ronja Ringelstein
- Alexander Fröhlich
Im Prozess gegen den Brandenburger NPD-Funktionär Marcel Zech haben am Dienstag Staatsanwaltschaft, ein Zeuge und der Verteidiger ihre Sicht der Dinge präsentiert. Nach Ansicht des Staatsanwalts Torsten Lowitsch handelt es sich bei dem öffentlichen Auftritt Zechs mit seinem gut sichtbaren KZ-Tattoo in einem Spaßbad um Volksverhetzung. Zechs Tattoo auf dem Rücken über dem Hosenbund zeigt die Silhouette des Konzentrationslagers Auschwitz, dazu den Spruch „Jedem das Seine“ vom Haupttor des KZ Buchenwald. Zech, Jahrgang 1988, gelernter Glas- und Gebäudereiniger, sitzt für die rechtsextremistische NPD im Kreistag Barnim und ist Gemeindevertreter in Panketal. Er ist auch Mitglied der vom Verfassungsschutz als „neonationalsozialistisch“ eingestuften braunen Bruderschaft „Barnimer Freundschaft“. Der Verfassungsschutz spricht von einem „Nazi-Rocker-ohne-Motorrad-Symptom“.
Durch das "Zurschaustellen des Sinnbildes der Massenvernichtung der Juden im Dritten Reich" habe der Angeklagte den Völkermord gutgeheißen. Das erfülle den Straftatbestand, der in Paragraf 130 des Strafgesetzbuches wie folgt dargelegt ist: "Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost."
Bekannt geworden war der Auftritt zechs durch ein Foto, das ein Journalist gemacht und über Facebook verbreitet hatte, der am Dienstag als Zeuge gehört wurde. "Ich war der AUffassung, dass es so außergewöhnlich war, dass ich das dokumentieren musste", sagte er. Jeder in dem Spaßbad habe das Tattoo gesehen, niemand hab Anstoß daran genommen. "Umso mehr sah ich es als meine Pflicht an, es zu dokumentieren." Zudem bestätigte er, dass Zech einen tätowierten Reichsadler auf dem Bauch trage.
Der Zeuge sagte, er habe einen Bademeister auf das KZ-Tatto hingewiesen. Der habe gesagt, er könne daran nichts ändern, auch wenn er die durch das Tattoo vertretene Auffassung nicht teile. Eine Stunde später sprach der Zeuge dann zwei weitere Bademeister an, sagte er. Die hätten dann ihren Vorgesetzten eingeschaltet. "Ich hielt das öffentliche Interesse für überragend sagte der Zeuge.
Der Anwalt Zechs, der in der Neonazi-Szene gut vernetzte Wolfram Nahrath, sagt, der Zeuge habe sich aus seiner sich selbst strafbar gemacht. Das Verbreiten des Fotos im Internet sei eine "Straftat nach dem Kunsturhebergesetz." Daraufhin lächelte der Staatsanwalt nur müde und sagte: "Ich kenne das Gesetz."
Der Angeklagte, der auf seiner Hand eine Tätowierung der rechtsextremen „Barnimer Freundschaft“ trägt, ist mehrfach vorbestraft, unter anderem wegen Körperverletzung, Beleidigung, Fahren ohne Fahrerlaubnis und Amtsanmaßung.
Die Staatsanwaltschaft Neuruppin hatte bereits in der vergangenen Woche die Ermittlungen abgeschlossen und Anklage gegen den NPD-Mandatsträger wegen des Zeigens einer KZ-Tätowierung in der Öffentlichkeit erhoben.
Nun muss sich Zech vor dem Amtsgericht Oranienburg wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung verantworten. Das Amtsgericht Oranienburg ist dem Antrag Staatsanwaltschaft, Zech in einem beschleunigten Verfahren dem Prozess zu machen, gefolgt. Noch in diesem Jahr soll ein Urteil fallen. Für die öffentliche Verhandlung ist ein Termin kurz vor den Weihnachtsfeiertagen festgesetzt worden. Am Dienstag, 22. Dezember, um 9.30 Uhr beginnt der Prozess, für den nur ein Verhandlungstag anberaumt wurde.
Beschleunigtes Verfahren
Zech zählt auch zum engeren Umfeld des rechtsextremen Hip- Hop-Duos „A3stus“ des Berliner Neonazi-Rappers Patrick Killat und des rechten Liedermachers R.A.W. („Recht auf Wahrheit“), der Mitglied der Neonazi-Kameradschaft ist. Im Januar 2014 war Zech dabei, als das Duo vor einem Flüchtlingsheim in Berlin-Hellersdorf ein Musik-Propaganda-Video drehte, das erhebliches Aufsehen provozierte.
Beschleunigte Verfahren gibt es nur, wenn die Tat erst vor kurzer Zeit begangen worden, der Sachverhalt einfach und die Beweislage ganz eindeutig ist. Auch die Beweisaufnahme vor Gericht erfolgt vereinfacht. Bei beschleunigten Verfahren werden nicht mehr als ein Jahr Freiheitsstrafe verhängt. Für Volksverhetzung droht eigentlich eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren. Zech hat sich einen in der Neonazi-Szene prominenten Anwalt genommen: Wolfram Nahrath.
Macht sich der Volksverhetzung schuldig
Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft hat Zech eine Straftat begangen, indem er sein Tattoo in der Öffentlichkeit zur Schau stellte. Nach Paragraf 130 Strafgesetzbuch macht sich der Volksverhetzung schuldig, wer den unter den Nationalsozialisten begangenen Völkermord öffentlich „leugnet, verharmlost oder billigt“, auf eine Weise, „die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören“. Eine Volksverhetzung ist nur in der Öffentlichkeit möglich – solange der Mann Kleidung trägt, macht er sich also nicht strafbar. Durch eine Verurteilung würde faktisch ein Verbot für die Zukunft entstehen, das Tattoo wieder öffentlich zu zeigen.
Will er eine erneute Strafe vermeiden, müsste er das Tattoo in der Öffentlichkeit stets abdecken. Die KZ Auschwitz und Buchenwald waren der Inbegriff der Vernichtung eines ganzen Volkes, der Inbegriff der Nazi-Gräueltaten. „Wer sich so etwas für sein ganzes Leben in die Haut stechen lässt, bei dem kann man davon ausgehen, dass er all diese Gräueltaten konkludent, also stillschweigend, gutheißt“, sagt die Rechtsexpertin Doris Liebscher von der juristischen Fakultät der Humboldt Universität Berlin. Die Opfer würden durch das Tattoo verhöhnt.
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