Vereine verärgert über Coronaregeln: Sportverbände wollen gegen den Senat klagen
Die Kritik an der Senatssportverwaltung wächst. Verbände fordern Lockerungen für Kontakt- und Mannschaftssport.
Die Wut der Sportverbände, Vereine und der gewerblichen Tanz- und Fitnessclubs auf die Sportverwaltung wächst. Kategorisch würden Verbote für Mannschaftssport oder Kontaktsport ausgesprochen ohne Hygienekonzepte zu berücksichtigen, heißt es unisono. Der Landesruderverband, der Ruder-Club Tegel und zwei Privatpersonen wollen mit einer Klage vor das Verwaltungsgericht ziehen. Andere Sportverbände und -schulen überlegen sich ebenfalls juristische Schritte.
Und Sportpolitiker der Koalition ärgern sich über das Gebaren der Sportverwaltung. Man habe allmählich den Eindruck, Sportstaatssekretär Aleksander Dzembritzki (SPD) sei ein „Anti-Sport-Staatssekretär“, heißt es aus Koalitionskreisen. Am Sonntagnachmittag protestierten Vertreter von Verbänden, Vereinen und Sportschulen vor dem Roten Rathaus.
Daniela Wendland ist Initiatorin der Kundgebung und Inhaberin der Sportschule Senshu, die neben Kampfsportkursen auch Gesundheitssport, Tanzen oder Kinderfitness anbietet. „In allen anderen 15 Bundesländern ist Sport draußen ohne Auflagen wieder erlaubt. Warum genehmigt der Senat das nicht für Mannschaftssport wie Hockey, Rudern und Ballsportarten“, fragt sich Wendland. Und warum körpernahe Dienstleistungen wie Friseurbesuche oder Tattoo-Arbeiten erlaubt seien, aber kommerzielle Sportanbieter nicht mehr arbeiten dürften und in ihrer Existenz bedroht seien, könne nicht hingenommen werden.
Die Vereine wollen sich wieder um die Kinder kümmern
„Die Politik ignoriert uns konsequent“, sagt Wendland. Sport- und Fitnessclubs würden mit ihren Anliegen von der Wirtschafts- zur Sportverwaltung und weiter zur Gesundheitsverwaltung verwiesen werden. Viele Sportclubs würden Kinder aus Heimen, sozial schwachen Familien oder aus Flüchtlingsfamilien unentgeltlich unterrichten. „Es ist falsch zu behaupten, dass wir nur aus rein kommerziellen Gründen unsere Angebote präsentieren.“ Im Übrigen hätten Sportschulen und -clubs eigene Hygienepläne vorliegen.
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Am Rande von Berlin sind Wassersportler auf innovative Ideen gekommen: Sie transportieren ihre Boote einfach ein paar Meter weiter in Brandenburger Gewässer und praktizieren dort Mannschaftssport wie Rudern. In Brandenburg gibt es für sportliche Aktivitäten im Freien nämlich keine Einschränkungen mehr. Der SPD-Abgeordnete Robert Schaddach ist Mitglied im Sportausschuss und Vorsitzender des Seesportclubs Grünau e.V.. Mitglieder seines Vereins hätten ihre Boote einfach ein paar Meter weiter geschleppt und würden „in Brandenburg in „Mannschaftsstärke“ rudern, segeln oder Drachenboot fahren. „Sport im Freien muss in Berlin wieder möglich sein“, betont Schaddach. Es gebe von allen Vereinen Hygienekonzepte, die jedoch von der Senatsverwaltung abschlägig beschieden worden wären.
Die Sportverwaltung geht auf Tauchstation
Für Schaddachs Ausschusskollegin, die Grünen-Abgeordnete Nicole Ludwig, ist es „leider nicht verwunderlich, dass einzelne Sportverbände und auch private Sportschulen nun gegen den Senat klagen wollen“. Schon seit Wochen gehe „die Sportverwaltung auf Tauchstation, wenn sie auf verantwortungsbewusste und notwendige Lockerungen im Kontaktsport angesprochen wird“, kritisiert Ludwig. Bundesländer wie Brandenburg ließen Kontaktsport unter Auflagen wieder zu. „Bevor es wirklich zu Klagen kommt, sollte der Sportsenator jetzt handeln und die Verordnung schnellstmöglich anpassen, um Sport mit Körperkontakt schrittweise wieder zu ermöglichen“, forderte Ludwig.
Auf Nachfrage erklärte die Sportverwaltung, dass Kontaktsport „derzeit noch nicht erlaubt“ sei. Laut Infektionsschutzverordnung sei ein Mindestabstand von 1,50 Metern vorgeschrieben. Ausgenommen davon sind Ehe- und Lebenspartner, Angehörige des eigenen Haushalts und Personen, für die ein Sorge- und Umgangsrecht besteht. Für Sport in geschlossenen Räumen gilt eine Vorgabe von 20 Quadratmeter Halleninnenraum pro Person. Die Sportverwaltung hatte inzwischen in sechs Bädern der Bäderbetriebe einen Trainingsbetrieb für Vereine genehmigt, aber Triathleten-Vereine oder den Tauchsportverband nicht berücksichtigt. „Wie sollen wir das Schwimmen trainieren“, kritisieren Triathleten und fordern wie die 60 Berliner Rudervereine vom Senat eine Lockerung der Maßnahmen.
Ruderer schrieben Brief an Michael Müller
Der Landesruderverband hat sich inzwischen schriftlich an den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) gewandt und ihn um eine „sofortige Beendigung der Ungleichbehandlung des Berliner Rudersports im Vergleich zu allen anderen Bundesländern“ gebeten. In dem Schreiben, das dem Tagesspiegel vorliegt, erläutert der Vorsitzende des Landesruderverbands, Karsten Finger, dass es den 9600 Ruderern in Berlin nicht zu vermitteln sei, warum Rudern im Vierer und Achter weiterhin verboten ist, nur weil der baulich bedingte Abstand zwischen den Ruderplätzen 1,40 Meter und somit zehn Zentimeter weniger als die erforderlichen 1,50 Meter beträgt.
Finger hat sich außerdem mit einem „Eilantrag auf Zulassung des Rudersports in Mannschaftsbooten“ am 5. Juli auch an die Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) gewandt. Bisher habe er noch keine Reaktion erhalten, sagte Finger. Eine Anfrage des Tagesspiegel blieb ohne Antwort.
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