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Berlins Verkehrs- und Umweltsenatorin Regine Günther (Grüne).
© Britta Pedersen/dpa
Update

Nächste Niederlage für Regine Günther: SPD stoppt Abstimmung über Klimapaket im Berliner Senat

Statt sich auf ein Klimaschutzpaket zu einigen, streitet der Senat über die Eckpunkte. In letzter Sekunde wurde die Verabschiedung der Maßnahmen verschoben.

Ein Jahr vor der Abgeordnetenhauswahl scheint das Regieren zunehmend schwieriger zu werden. Im Senat ist am Dienstag das zum Beschluss vorgelegte Programm zum Klimaschutz an die federführende Umweltsenatorin Regine Günther (Grüne) zurückverwiesen worden. 

Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) legte sein Veto gegen das Kernprojekt der Grünen ein – und führte den Koalitionspartner vor.

Das umfassende Programm, mit dem Berlin die CO2-Emissionen verringern und auf erneuerbare Energiequellen umschwenken soll, sieht unter anderem ein Verbot für Benzin- und Dieselfahrzeuge in der Innenstadt ab dem Jahr 2030 sowie eine Pflicht zum Einbau von Solarenergieanlagen auf Dächern vor. Weitere Maßnahmen wie die Einführung einer City-Maut oder die Anhebung der Parkgebühren standen im Raum.

Buchstäblich in letzter Sekunde – während der laufenden Senatssitzung am Dienstagvormittag – wies Müller die Beschlussvorlage per Veto zurück, wie mehrere Teilnehmer der Sitzung berichteten.

Nach einer gut einstündigen Diskussion wurde schließlich die Verschiebung des Pakets beschlossen. In vier Wochen will sich der Senat erneut damit befassen. Bis dahin sollen Gespräche auf Staatssekretärsebene und mit den Koalitionsfraktionen geführt werden.

SPD-Landesvorstand hatte sich bereits am Abend mit dem Thema beschäftigt

Besonders verstimmt reagierten vor allem die Grünen auf die Nachricht, dass die SPD und allen voran ihr scheidender Landeschef Müller diesen Schritt am Abend zuvor intern angekündigt hatten. Nach Tagesspiegel-Informationen war die ablehnende Haltung des Regierenden auf der Sitzung des SPD-Landesvorstands deutlich geworden. In der Staatssekretärskonferenz am Montag habe es dagegen keinerlei Anzeichen für eine Verschiebung des Pakets gegeben, hieß es am Dienstag übereinstimmend. Die Koalitionspartner Linke und Grüne zeigten sich dementsprechend überrascht, Günther und mehrere Spitzenvertreter der Grünen sogar regelrecht empört.

Grünen-Landeschefin Nina Stahr erklärte via Twitter: „Der Regierende Bürgermeister hat die Maßnahmen zur Klimanotlage im Senat eben geschoben – das ist verheerend!“ Der Kampf gegen die Klimakatastrophe dürfe nicht länger verschoben werden. „Da hätten wir uns Unterstützung von der SPD gewünscht und kein Ausbremsen.“ Und weiter: „Erst haben sie konkrete Maßnahmen eingefordert, dann haben wir sie mit ihnen abgestimmt und nun trauen sie sich auf einmal nicht mehr. Nur Mut Genossen, kämpft mit uns für die Rettung des Planeten!“

Legte sein Veto ein: Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD).
Legte sein Veto ein: Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD).
© Fabian Sommer/dpa

Auch Senatorin Günther äußerte sich über Twitter: „Ich bedaure sehr, dass unser Klimapaket heute im Senat verschoben wurde. Rot-Rot-Grün hatte daran monatelang gearbeitet und einen guten Konsens erreicht. Die jetzt überraschend aufgetretenen Themen werden wir konstruktiv bearbeiten.“ Grünen-Landeschef Werner Graf betonte die Dringlichkeit des Projekts: „Unglaublich! Wir sollten das letzte Jahr nutzen um das Klima zu retten. Der Klimaschutz verträgt keinen Aufschub mehr!“

Nach dem Streit über Ausnahmen vom Kopftuchverbot im Staatsdienst steht die rot-rote-Koalition vor einer weiteren Belastungsprobe. Die Grünen warfen Müller und der SPD vor, kurz vor der Entscheidung einen Rückzieher zu machen und Unstimmigkeiten nicht schon im Vorfeld benannt zu haben. Mit Blick auf die im Dezember 2019 verschobene Erklärung der Klimanotlage hieß es, der damals geäußerte Vorwurf der „Symbolpolitik“ führe spätestens jetzt ins Leere.

Günther liefert – die SPD blockiert, so lautet die Einschätzung, die bei den Grünen zu hören ist. Ein Senatsmitglied erklärte: „Für die SPD ist Klimaschutz halt etwas, das man verschieben kann.“ Müller fehle es an „Steuerungsfähigkeit“ im Senat, und daran, „Prozesse richtig aufzusetzen und Klärungsrunden zu machen, bevor es auf die große Bühne kommt“. Weiter hieß es, die SPD habe es „wochenlang“ unterlassen, Kritik an dem Paket zu äußern. „Dass die SPD eine breit abgestimmte und konsentierte Vorlage jetzt aufhält, ist kein guter Stil.“

SPD-Kritik vor allem am Konzept der "Zero Emission Zone"

Inhaltliche Kritik am Vorschlag Günthers übten die Sozialdemokraten hinter vorgehaltener Hand vor allem am Konzept der „Zero Emission Zone“, also der schrittweisen Verbannung von Verbrennern aus der Innenstadt. Und an der geplanten City-Maut für Pkw. Es müssten sich auch weiterhin alle Berliner leisten können, mit ihrem Auto in die Innenstadt zu fahren, hieß es. Tino Schopf, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, erklärte am Dienstagnachmittag: „Wir wollen den Berliner Klimaschutz nicht verhindern, sondern verbessern: Gerade im Verkehrsbereich! Wer eine City-Maut fordert, muss zuerst Alternativangebote schaffen. Das können nicht nur Fahrradwege sein.“

Darüber hinaus erklärte Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD), die SPD habe während der Senatssitzung den Vorschlag für ein 365-Euro-Ticket im Öffentlichen Personennahverkehr erneut ins Spiel gebracht. Das wiederum lehnen die Grünen ab, auch mit Verweis auf die derzeitige Haushaltslage und Belastungen durch die Corona-Pandemie.

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Kritik an den Plänen Günthers kam auch aus der CDU-Fraktion – und zwar schon vorab und in der Annahme einer Verabschiedung des Pakets. „Verbote und neue Zwangsgebühren schaffen noch lange keinen besseren Klimaschutz“, erklärte deren verkehrspolitischer Sprecher Oliver Friederici. Er nannte die Pläne der Grünen-Senatorin „unausgegoren und unsozial“ und sagte, danach „dürften dann nur noch Autofahrer in die Stadt, die genügend Geld haben“.

Die CDU lehnt eine City-Maut für Autofahrer, die in die Innenstadt fahren wollen, ebenso ab wie die Idee der SPD, ein 365-Euro-Ticket für Bus und Bahn einzuführen: „Berlin braucht mehr S- und U-Bahnen, keine Zwangstickets für alle Berliner. Damit will der Senat darüber hinwegtäuschen, dass er die BVG über Jahre unterfinanziert und sein Tarif-Versprechen von 2019 gebrochen hat. Dies ist einfach nur schäbig.“

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