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Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) ist derzeit im Urlaub - in Berlin spricht man trotzdem über sie.
© Britta Pedersen/dpa
Update

Berliner Linken-Politikerin: SPD-Mann startet Umfrage zu Bausenatorin Lompscher

Ein Affront von SPD-Wohnungsbauexperte Volker Härtig bringt Unruhe in die Berliner Koalition. Im Zentrum der Aufregung: Die viel kritisierte Bausenatorin Katrin Lompscher.

In der Berliner SPD hat es eine interne Abstimmung darüber gegeben, ob die Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) im Amt bleiben soll. Organisiert wurde die Umfrage, die allerdings nur einen kleinen Kreis von Genossen ansprach, vom Vorsitzenden des SPD-Fachausschusses „Soziale Stadt“, Volker Härtig. Er hatte den über hundert Mitgliedern des Ausschusses, durchweg Bau- und Stadtentwicklungsexperten, am Montag eine Mail geschickt, in der er Lompscher als „Stadtstillstandsssenatorin“ kritisierte, die in Sachen Wohnungsbau-Behinderung und bei der „Schönfärberei der Wohnungsnot“ Spitze sei.

Härtig warf der Linken-Politikerin außerdem vor, die Bedarfs- und Erfolgszahlen beim Wohnungsneubau in Berlin zu „frisieren“ und die Erfolge der früheren SPD-Baupolitik zu ruinieren. Und die Neubesetzung der Abteilungsleitung „Wohnungspolitik, Wohnungsneubau“ in ihrer Senatsverwaltung durch die Bezirksstadträtin Sandra Obermeyer „aus dem Freundeskreis von Lompscher“ sei an Dreistigkeit nicht zu überbieten. Dies alles sei Anlass genug, so Härtig, eine „Blitzumfrage“ bei den Mitgliedern des SPD-Fachausschusses zu starten. Er bat um Antwort bis Dienstag.

Gefragt wurde, ob Lompscher bleiben, zurücktreten oder entlassen werden sollte. Zusätzlich konnte angekreuzt werden, ob die Amtsführung der Bausenatorin den Berliner Bürgern oder der SPD schade. „Ansonsten schöne Ferien- und Sommertage“, endete die außergewöhnliche Mail, die von der eigenen Partei- und Fraktionsführung, aber erst recht von den Linken scharf kritisiert wurde. Die Linken-Landesvorsitzende Katina Schubert sprach am Mittwoch von einem „unmöglichen Vorgang“. Sie erwarte vom Koalitionspartner eine klare Distanzierung, sagte Schubert dem Tagesspiegel. „Und ich erwarte, dass die SPD zu allen Senatsmitgliedern steht.“ Wenn die Sozialdemokraten etwas anderes wollten als Rot-Rot-Grün, sollten sie es sagen.

Müller lehnt Mail-Umfrage ab

Offenbar wolle die SPD die Bausenatorin „sturmreif schießen“, sagte Schubert. „Das geht so nicht.“ Schon Dienstagabend hatte der Landesvorstand der Linken „das Vorgehen von Teilen der SPD gegen die Senatorin Katrin Lompscher“ kritisiert. „ Die Kampagne, die von einigen Medien mit vorangetrieben wird, stellt einen Tiefpunkt in der Zusammenarbeit der Koalition dar“, heißt es in dem Beschluss. Die Linke erwarte, dass die Koalition zu einem sachlichen und respektvollen Umgang zurückkehre. Am selben Tag hatte der Regierende Bürgermeister und SPD-Landeschef Michael Müller die Linken-Vorsitzende Schubert angerufen und ihr gesagt, dass er mit der Mail-Aktion nichts zu tun habe und die Umfrageaktion ablehne. Am Mittwoch schob die SPD-Landesgeschäftsführerin Anett Seltz eine offizielle Stellungnahme nach. „Derartige Aktionen gehören generell nicht zum Aufgabenspektrum unserer Fachausschüsse“, teilte sie mit. Diese Mail sei definitiv nicht die geeignete Form der Auseinandersetzung mit den drängenden Problemen der Stadt. Es handele sich insgesamt um einen „sehr ärgerlichen Vorgang“. Die Sozialdemokraten würden das Schreiben nicht in ihre weitere stadtentwicklungspolitische Diskussion einbeziehen.

Lompschers Politik bleibt umstritten

Auch die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus zeigte sich überrascht und verärgert über den Alleingang des Fachausschusses. „Wir distanzieren und von diesem Vorstoß und halten es auch nicht für die Aufgabe eines Fachausschuss-Vorsitzenden, in einer derartigen Weise zu agieren“, sagte der SPD-Fraktionsgeschäftsführer Torsten Schneider. Ähnlich reagierte der stadtentwicklungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Daniel Buchholz: „Ich hätte so eine komische Umfrage nicht verschickt.“

Nur die Vize-Fraktionschefin Ülker Radziwill, die auch im Vorstand des Fachausschusses „Soziale Stadt“ sitzt, äußerte Verständnis. Seit einem dreiviertel Jahr sei der Unmut bei den SPD-Bauexperten über die Amtsführung Lompschers sehr groß, sagte Radziwill dem Tagesspiegel. Insofern sei diese Umfrage aus Sicht des Ausschusses zwar „harte Kante“, aber folgerichtig und nachvollziehbar. Die umstrittene Mail des Genossen Härtig fällt bei den Sozialdemokraten trotz der offiziellen Distanzierung auf fruchtbaren Boden. Denn in der Sache, sagen viele Berliner Sozialdemokraten, sei die Kritik an der Wohnungspolitik von Lompscher voll und ganz berechtigt. Zuletzt hatte die Bausenatorin diesen Unmut zu spüren bekommen, als sie in einer Senatsklausur keine akzeptablen Vorschläge, sondern nur schlechte Neubauzahlen vortrug und dazu verdonnert wurde, bis Ende August ein neues Konzept im Senat vorzulegen.

Konflikt um Knorr-Bremse-Areal ist aber gelöst

Jetzt ist Lompscher in Urlaub und wird per Mail von einem Mann angefeindet, der nach dem Mauerfall von der Alternativen Liste (heute Grüne) zur SPD konvertierte und bis 2003 die Geschäfte des Entwicklungsträgers „Bornstedter Feld“ in Potsdams führte. Dort wird immer noch in großem Maßstab kommunaler Wohnungsbau betrieben. 2008 unterstützte Härtig, als Vorstandsmitglied der SPD Friedrichshain-Kreuzberg, die Initiative „Mediaspree versenken“. Gestritten wurde um private Neubaupläne in attraktiver Citylage entlang der Spree. Einen aktuellen Konflikt, bei dem es um Wohnungsbau und Gewerbeansiedlung in Marzahn geht, konnten SPD, Linke und Grüne jetzt immerhin lösen. Bausenatorin Lompscher wollte auf einem 9,1 Hektar großen Areal, das früher dem Unternehmen Knorr-Bremse gehörte, in größerem Umfang Wohnungen bauen. Dagegen setzte sich Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) vehement dafür ein, das Grundstück als Gewerbegebiet zu sichern. Bei einem Chefgespräch am Mittwoch, an dem der Regierende Bürgermeister, Pop und Bau-Staatssekretär Sebastian Scheel teilnahmen, einigte man sich auf die Option, dass dort neben Gewerbe auch Wohnungen für Studenten- und Werkswohnungen entstehen.

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