Bildungspolitik in Berlin: SPD-Fraktion für Verbeamtung von Lehrkräften
Die Berliner SPD-Fraktion spricht sich für die Lehrerverbeamtung aus. Die Nachteile für Angestellte seien nicht zu kompensieren.
Einflussreiche Berliner Sozialdemokraten unternehmen einen neuen Versuch, ihre Genossen auf dem Parteitag zu einem Votum für die Verbeamtung der Lehrer zu bewegen. Dafür, dass es diesmal klappen könnte, spricht ein klares Votum der SPD-Fraktion bei einer Abstimmung am Dienstagabend. Es beruhte auf Auskünften der Finanzverwaltung zu verschiedenen Aspekten der Verbeamtung. Zuvor hatte die Fraktion einen entsprechenden Fragenkatalog an den Senat geschickt.
Die Schlüsselfrage, die die Fraktion beantwortet haben wollte, bestand darin, ob die finanziellen Nachteile der Nichtverbeamtung für Lehrer zu kompensieren wären. Die Antwort lautet: Nein. So zumindest interpretiert die Fraktion die Auskünfte der Finanzverwaltung: „Die Berliner Lehrkräfte können nicht mit anderen Bundesländern durch eine Zulage für alle angestellten Lehrkräfte gleichgestellt werden, denn eine pauschale Angleichung der Gehaltshöhe im Angestelltenverhältnis würde nicht im Einklang mit der Tarifgemeinschaft der Länder erfolgen können“, heißt es in dem Fraktionsbeschluss, der dem Tagesspiegel vorliegt.
Auch die Frage, wie hoch denn nun die finanziellen Verluste für die angestellten Lehrer seien, wurde behandelt. Deren „Benachteiligung“ bestehe – auf die Lebensarbeitszeit berechnet – aus einer Nettodifferenz zwischen 80.000 für Alleinstehende und 160.000 Euro für Verheiratete mit zwei Kindern. Hinzu kommen noch die Nachteile bei der Krankenvorsorge und bei der Altersvorsorge. Diese „Ungleichstellung“ stehe im Widerspruch zum SPD-Leitmotto „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“.
Diese – auch früher schon bekannten – Nachteile hatten SPD und Linke in Kauf genommen, als sie 2005 den Beschluss zur Nichtverbeamtung von Lehrern fällten. Wegen des Lehrermangels hatten sich Teile der SPD schon beim letzten Parteitag im März für die Rückkehr zur Verbeamtung starkgemacht, darunter Bildungssenatorin Sandra Scheeres und Fraktionschef Raed Saleh. Damals reichte es aber noch nicht für eine Mehrheit, sondern nur für einen Prüfauftrag, dessen Ergebnis nun in Gestalt der Antworten der Finanzverwaltung vorliegt. SPD-Finanzsenator Matthias Kollatz lehnt die Rückkehr zur Verbeamtung weiterhin ab.
Maßnahme gegen Abwanderung
Auch die Befürworter der Verbeamtung betonten überwiegend, dass der Lehrerberuf keine hoheitliche Aufgabe sei, jedoch mache die Lehrerabwanderung es notwendig, konkurrieren zu können. Wie hoch die Abwanderungszahlen sind, wurde offenbar nicht konkret erhoben.
Auch der wesentlich höhere Krankenstand der Beamten hat die Fraktion nicht von ihrem Beschluss abgehalten. Vielmehr heißt es, dass die Belastungen, die sich durch erhöhte Krankheitsraten ergeben, vergleichbar seien mit den Kosten, die durch die hohen Einstiegsgehälter der Angestellten und durch die Unterstützungsmaßnahmen für Quereinsteiger entstünden. Insofern ist die Entscheidung über die Rückkehr zur Verbeamtung eine politische und keine haushälterische.
Verhandlungen möglich
Der SPD-Fraktionschef Raed Saleh verteidigte am Mittwoch den Beschluss, den die sozialdemokratischen Abgeordneten am Vorabend mit großer Mehrheit gefasst haben. Zwei Stunden wurde diskutiert, 25 Fraktionsmitglieder beteiligten sich an der internen Debatte. „Berlin kann es sich nicht mehr länger leisten, Lehrer nicht zu verbeamten“, sagte Saleh. An der momentanen Situation festzuhalten, werde „in die Bildungskatastrophe führen“. Die Zahl der Quereinsteiger nehme überhand, die Berliner Schulen brauchten gut ausgebildete Lehrer, „sonst kippt uns das Bildungssystem“.
Grundlage des Fraktionsbeschlusses waren Anträge aus Mitte und Spandau. Der nächste Landesparteitag der SPD wird sich am 26. Oktober mit dem Thema befassen. Ob sich für die Forderung der Fraktion dann eine Mehrheit finde, „müsse man sehen“, so Saleh. Falls ja, werde die SPD mit den Koalitionspartnern in Verhandlung treten. Grüne und Linke lehnen die Lehrerverbeamtung bislang ab. Saleh glaubt, dass sich zumindest die Grünen noch umorientieren werden.
„Wir brauchen nicht Herrn Saleh, um unsere Entscheidungen zu treffen oder auch mal zu überprüfen“, reagierte die grüne Bildungspolitikerin Marianne Burkert-Eulitz auf die Äußerung des SPD-Fraktionsvorsitzenden. „Derzeit“ hätten die Grünen, „nur weil die SPD von den wesentlichen Bildungsfragen ablenkt“, keinen Grund dazu.