Schönefeld oder Sperenberg?: Später Ärger um die BER-Standortfrage
Brandenburgs CDU wertet Diepgens Vermerk für Sperenberg als Ende einer SPD-Legende. Die Standortentscheidung für den Großflughafen wird mittlerweile fast einhellig als Fehler eingestuft und nun auch vom BER-Untersuchungsausschuss unter die Lupe genommen.
Es ist lange her. Und doch sorgt der jetzt publik gewordene Fahrplan des früheren Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen (CDU) aus dem Jahr 1995 für Sperenberg als Airport–Standort für Wirbel. Für Potsdams CDU-Oppositionsführer Dieter Dombrowski platzt damit eine Legende der SPD-Regierungen Brandenburgs im Zusammenhang mit dem Pannen–Airport, der nach einer Entscheidung von Berlin, Brandenburg und dem Bund aus dem Jahr 1996 in Schönefeld errichtet wird. „Die SPD verweist immer wieder auf die CDU in Berlin, die auf Schönefeld bestanden habe. Nun kommt heraus, dass auch die Behauptung so nicht stimmt“, sagte Dombrowski am Sonntag und sprach von einem „Täuschungsmanöver. Man könne Brandenburgs Regierung in Bezug auf den Flughafen nichts glauben.
Wie berichtet, hatten sich Diepgen und Brandenburgs Ex-Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) am 27. Mai 1995 auf Sperenberg als Standort für den neuen Hauptstadt-Flughafen geeinigt, was ein interner Vermerk des Regierenden belegt. Für die Übergangszeit sollte Schönefeld ertüchtigt werden. Warum es nicht dazu kam, dazu gibt es konträre Erklärungen. Stolpe, der die Übereinkunft bestätigte, hat Widerstände in Berlins CDU und letztlich die mit der Volksabstimmung am 5. Mai 1996 geplatzte Länderfusion verantwortlich gemacht. Kurz danach, am 28. Mai 1996, fiel der „Konsensbeschluss“ für Schönefeld.
Die Hintergründe dieser mittlerweile fast einhellig als Fehler eingestuften Standortentscheidung hat auch der Berliner BER-Untersuchungsausschuss unter die Lupe genommen. Der Vorsitzende Martin Delius (Pirat) wies am Sonntag auf Widersprüche der Aussage Stolpes zur Zeugenaussage Diepgens im Untersuchungausschuss hin. Dieser hatte die Absage Berlins an Sperenberg damit begründet, dass Stolpe von seiner Zusage, die Verkehrsanbindung aus der Landeskasse vorzufinanzieren, wieder abgerückt sei. Es sei 1995/96 klar gewesen, dass der Bund dazu nicht bereit war „und Brandenburg es nicht bezahlen kann“, sagte Delius. Es gibt weitere Widersprüche.
Nur wenige Tage vor der Einigung mit Stolpe hatte Diepgens Senatskanzlei Sperenberg intern als „nicht vertretbar“ ausgeschlossen, etwa wegen der schlechten Verkehrsanbindung. Berlin wollte offenbar ein Desaster wie beim neuen, gerade eröffneten stadtfernen Münchener Flughafen vermeiden, der den Ruf hatte, „nur aus der Luft“ erreichbar zu sein. Und nur drei Tage nach der Einigung der Länderchefs dokumentierte die Senatskanzlei zehn konträre Positionen Brandenburgs und Berlins zum Flughafen, wollte sich im Gegensatz zur Diepgen-Zusage nicht mehr auf Sperenberg festlegen, das als spätere Option gesehen wurde.
Für den BER-Untersuchungsausschuss ist das Kapitel der Standortfrage aber jetzt abgeschlossen. „Der Rest ist Geschichte. Weitere Erkenntnisgewinne sind nicht zu erwarten“, sagte Delius. Wie dicht Historie und Gegenwart am BER zusammenliegen, zeigen die Kosten. Ein Vermerk der Senatskanzlei aus dem Jahr 1995 für Diepgen enthält die realistische Schätzung, dass ein Flughafen in Schönefeld rund 11,9 Milliarden D-Mark – also rund 5,5 Milliarden Euro – teurer würde. Zum Vergleich: Beim Start 2008 wurden offiziell die Baukosten mit 2,8 Miliarden Euro angegeben und waren 3,4 Milliarden Euro bewilligt. Bis heute flossen 4,5 Milliarden Euro in den BER, noch ohne unbezifferte Mehrausgaben der jüngsten Verschiebung.
Thorsten Metzner