10 Jahre Eingetragene Partnerschaft: Spät gefreut hat nie gereut
Entgegen aller Vorurteile lassen sich Homo-Paare viel seltener scheiden als heterosexuelle Ehepaare – wieso eigentlich? Karl Kreile und Bodo Mende wissen: das hat gute Gründe.
Am meisten berührt das gemeinsame Lachen. Eine Mischung aus Zärtlichkeit, Respekt, tiefer Vertrautheit und einer Prise Ironie. Nach 32 Jahren Beziehung wirkt es so, als seien beide noch immer neugierig aufeinander. Ja, als seien sie immer noch verliebt. Was ist das Geheimrezept für so eine lange, glückliche Beziehung? „Wir hatten von Beginn an einen starken Gleichklang in unseren Lebenswünschen und -vorstellungen. Und unsere Liebe zueinander hat einfach nie abgenommen“, sagt Karl Kreile. Gut ein Jahr, nachdem am 1. August 2001 das Lebenspartnerschaftsgesetz in Kraft getreten ist, haben er und sein Lebenspartner Bodo Mende im Roten Rathaus geheiratet. Mit ihnen haben sich in Berlin seitdem 9056 gleichgeschlechtliche Paare das Jawort gegeben. Nur 681 davon haben sich in diesem Zeitraum wieder getrennt, das sind etwa sieben Prozent.
Im Vergleich: 2007 betrug die bundesweite Scheidungsrate bei heterosexuellen Paaren fast 40 Prozent, die Paare waren zum Zeitpunkt der Scheidung durchschnittlich 14 Jahre verheiratet. Obwohl der Erhebungszeitraum für homosexuelle Paare um einige Jahre kürzer ist, scheint sich im Vergleich dazu eine Tendenz abzuzeichnen: Viele eingetragene Lebenspartnerschaften halten überdurchschnittlich lange. Ein Phänomen, das zu dem Vorurteil, homosexuelle Beziehungen seien eher oberflächlich und promiskuitiv ausgerichtet, nicht passen will. Und tatsächlich gibt es mehrere gute Grunde dafür, warum die „Homo-Ehe“ vielfach eine Bindung auf Dauer ist.
„Zunächst einmal werden Lebenspartnerschaften nicht aus Konvention geschlossen. Niemand erwartet von uns, dass wir heiraten“, sagt Mende, Vorstandsmitglied im Lesben- und Schwulenverband, kurz LSVD, Berlin-Brandenburg. Im Gegenteil, die meisten Menschen würden fragen: Warum habt ihr geheiratet?, so der 54-Jährige. Was zum einen offenbart, dass das Bedürfnis, eine Partnerschaft zu legitimieren, nach Ansicht vieler Menschen immer noch etwas ist, was nur heterosexuelle Menschen entwickeln. Was zum anderen aber auch dazu führt, dass weniger Ehen kurzentschlossen und aufgrund der Erwartungen des sozialen Umfelds geschlossen werden.
2011 hoffen sie auf die Ehe für alle
Eine „Homo-Ehe“ einzugehen, ist oft ein langer und sehr bewusster Entscheidungsprozess, den meist Paare treffen, die schon lange zusammen sind. Denn heiraten bedeutet für beide Partner auch, sich im Alltag, beim Arbeitgeber oder bei Behördengängen von nun an als schwul oder lesbisch outen zu müssen. Ohne dass sie dafür, zum Beispiel in Fragen des Steuerrechts oder der Adoption, die gleichen Rechte wie heterosexuelle Paare erhalten. „Unsere Motivation zu heiraten hat sich sehr stark aus uns selbst heraus entwickelt. Das kann eine größere Kraft und Stabilität nach sich ziehen“, sagt auch der 53-jährige Kreile. Außerdem gebe es weit weniger soziale Konventionen als zwischen Mann und Frau, das würde für den Einzelnen viel größeren Freiraum bedeuten. Ähnlich argumentiert auch LSVD-Sprecherin Renate Rampf: „Homosexuelle Paare lassen sich nicht scheiden, weil sie sich über den Abwasch streiten. All das muss gleich zu Beginn der Beziehung geklärt werden, weil niemand sich auf Selbstverständlichkeiten zurückziehen kann.“
Freiräume gewähren ist seit ihrem Kennenlernen 1979 auch ein wichtiger Faktor in Kreiles und Mendes Beziehung. Bis heute wohnen der Finanzbeamte und der Mitarbeiter der Senatskanzlei in zwei getrennten Wohnungen im Hansaviertel und am Nollendorfplatz, auch wenn sie sich nahezu täglich sehen. „Das ist zwar manchmal eine organisatorische Herausforderung, aber so treffen wir uns nur dann, wenn wir wirklich Zeit füreinander haben“, erklärt Mende. Den Schritt, sich zu „verpartnern“, wie es offiziell heißt, haben beide nie bereut. Und sie hoffen sehr darauf, dass nun bald die Ehe als Rechtsform auch für Homosexuelle geöffnet wird. Damit sie dann endlich ohne Einschränkung sagen können: „Ja, wir sind glücklich verheiratet.“
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Nachtrag - Lesen Sie mehr im Tagesspiegel aus dem Jahr 2017: Kreil und Mendes heiraten.
Eva Kalwa
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