SPD Berlin: Sozialdemokrat Swen Schulz kandidiert nicht mehr für Bundestag
Ungewöhnlich früh hat der SPD-Bundestagsabgeordnete bekannt gegeben, dass er sich nicht erneut um ein Mandat bewerben wird. Will Raed Saleh sein Nachfolger werden?
Große Überraschung in der Berliner SPD: Der Bundestagsabgeordnete Swen Schulz hat den Genossen im heimatlichen Kreisverband Spandau mitgeteilt, dass er sich „nicht erneut um ein Bundestagsmandat bewerben“ werde. Unabhängig davon, wann die nächste Wahl stattfinde. „Dass ich bereits zu diesem Zeitpunkt meinen Verzicht erkläre, geschieht mit Rücksicht auf meine SPD, die genügend Zeit bekommen sollte, um die Nachfolge zu bestimmen“, schrieb Schulz am Donnerstag in einem internen Brief, der dem Tagesspiegel vorliegt.
Im SPD-Landesverband stieß diese Ankündigung auf großes Erstaunen, denn die nächste Bundestagswahl findet unter normalen Umständen erst im Herbst 2021 statt. Vermutlich zeitgleich mit der Berliner Abgeordnetenhauswahl. Der 50-jährige Schulz gehört dem Bundestag seit 16 Jahren an.
Für seine ungewöhnliche Entscheidung machte er politische und private Gründe geltend. „Wir sprechen von der erforderlichen Erneuerung der SPD“, schreibt Schulz. Wenn man solange schon dabei sei, müsse man sich fragen, „ob man Platz für neue Akzente schaffen sollte“. Außerdem habe seine langjährige Tätigkeit im Bundestag „auch Folgen für das Privatleben“. Er wolle in absehbarer Zeit seiner Familie mehr Aufmerksamkeit widmen.
Diskussion um Raed Saleh erneut befeuert
Die plötzliche Ankündigung, sich politisch zurückzuziehen, befeuert jetzt die parteiinterne Diskussion, dass der umstrittene SPD-Fraktionschef Raed Saleh bei der Wahl 2021 ein Bundestagsmandat anstreben könnte. Der Spandauer SPD-Kreischef kämpft in der Abgeordnetenhausfraktion seit letztem Herbst mit kräftigem Gegenwind aus den eigenen Reihen. Es gibt Überlegungen, den seit Ende 2011 amtierenden Fraktionschef bei der Vorstandswahl im Frühjahr nächsten Jahres abzulösen.
Saleh versichert aber engen Vertrauten, dass er bei der nächsten Vorstandswahl wieder antreten werde und „in Berlin noch viel vor“ habe. Er sehe die Mehrheit in der Fraktion für sich selbst als gesichert an, verlautet aus der Partei. Dazu wollte sich Saleh auf Anfrage nicht äußern.
Er lobte lediglich den Spandauer Parteifreund Schulz, der „große Verdienste für die SPD erworben hat und im Spandauer Kreisverband auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen wird“. Dessen Entscheidung verdiene Respekt.
Heiß umkämpftes Spandau
Der Schulz-Brief traf offenbar nicht alle Spandauer SPD-Funktionäre unvorbereitet. Denn es wird auch über potenzielle Nachfolger des langjährigen Bundestagsabgeordneten spekuliert, die nicht Saleh heißen. Dazu zählt der Spandauer Bezirksstadtrat Stephan Machulik, aber auch die ehemalige Bezirksverordnete und Sozialexpertin Annika Lange, die zurzeit Referatsleiterin in der Senatsfinanzverwaltung ist. Kandidaten, die nicht im SPD-Kreisverband Spandau beheimatet sind, kämen auch in Frage.
Wer auch immer zum Zuge kommt – eines ist klar: Im Kreisverband Spandau wird die innerparteiliche Personalpolitik von „Sultan Saleh“ gesteuert, wie ihn manche Genossen spöttisch nennen. Nicht wegen seiner Herkunft, sondern wegen autokratischer Tendenzen im heimatlichen Bezirksverband, den Saleh seit 2008 mit starker Hand führt. Damals übernahm er die SPD Spandau vom Parteifreund Swen Schulz, der ebenfalls zehn Jahre den Vorsitz hielt. Und dann nicht ganz freiwillig abgegeben hatte.
Der Bundestagswahlkreis Spandau ist zwischen Sozial- und Christdemokraten heiß umkämpft. Seit 1990 wurde der Wahlkreis je vier Mal von SPD- bzw. CDU-Bewerbern erobert. Bei der Bundestagswahl 2017 lag Schulz mit 32,1 Prozent knapp vor dem CDU-Direktkandidaten Kai Wegner (30,9 Prozent). Orientiert man sich an aktuellen Umfragewerten, ist auch künftig im Nordwesten der Stadt ein Kopf-an-Kopf-Rennen zu erwarten.