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Versorgt große Teile des Nordostens mit Kraftstoffen: die PCK-Raffinerie in Schwedt.
© Arnd Wiegmann/REUTERS
Update

Raffinerie Schwedt hängt von Russland ab: Sorge vor Öl-Engpass – Berlin ruft Bund um Hilfe

Ein Öl-Embargo gegen Russland würde Berlin und Brandenburg direkt betreffen. Wirtschaftssenator Schwarz plädiert für Überbrückungshilfen für Unternehmen.

Aus Sorge vor den Folgen eines Embargos von russischem Öl haben die Landesregierungen von Berlin und Brandenburg den Bund um Hilfe gebeten.

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) sagte am Dienstag nach einer Sitzung des Senats, gerade in den ostdeutschen Bundesländern und Berlin habe die Frage des Öl-Embargos noch einmal eine besondere Bedeutung. „Die Frage, wie weit die ostdeutschen Bundesländer durch andere Ölreserven unterstützt werden könnten, ist essenziell“, erklärte Giffey. „Und wir werden dieses Thema deshalb auch über die Runde der Chefs der Staatskanzleien und der Wirtschaftsminister gezielt aus ostdeutscher und Berliner Perspektive einbringen.“

Verkehrs- und Umweltsenatorin Bettina Jarasch (Grüne) sagte, das Thema Öl-Embargo zeige, wie wichtig es sei, vom Öl und vom Import fossiler Energien wegzukommen, auch mit Blick auf langfristige Versorgungssicherheit. Für Berlin sei das ein Antrieb, die Anstrengungen auf diesem Gebiet zu verdoppeln.

Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (parteilos) forderte eine enge Abstimmung zwischen dem Bund und den ostdeutschen Ländern. „Zweitens wissen wir, dass weiterer Druck auf die Energiepreise manche Unternehmen und Branchen unverschuldet in die Knie zwingen wird“, sagte Schwarz der Deutschen Presse-Agentur. Auch hier sei entschlossenes Handeln des Bundes gefragt. „Überbrückungshilfen haben sich in der Coronakrise bewährt, und wir sollten sie auch jetzt einsatzbereit machen“, forderte der Senator. Berlin werde seine bewährten Instrumente ebenfalls einsetzen.

Großer Teil Ostdeutschlands wird aus Schwedt versorgt

Der Wirtschaftssenator sagte, die Bundesländer hätten nur eingeschränkte gesetzliche Kompetenzen für die Steuerung von Öl- und Gaslieferungen. Berlin arbeite aber eng mit dem Bund, anderen Bundesländern, Versorgern und Netzbetreibern zusammen, um immer weniger russisches Gas und Öl zu beziehen und Maßnahmen zu ergreifen, die die Auswirkungen steigender Energiepreise sowie ein mögliches Ende der Lieferungen aus Russland abmilderten.

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„Dass es Deutschland in den zurückliegenden Wochen in so kurzer Zeit gelungen ist, die Abhängigkeit von russischen Öllieferungen auf zwölf Prozent zurückzufahren, ist ein großer Erfolg“, sagte der Wirtschaftssenator. „Wir dürfen aber keine Illusionen haben: Auch bei einer geringeren Abhängigkeit wird ein Öl-Embargo die Energiekosten weiter treiben, unsere Wirtschaft belasten und vor allem die ostdeutschen Bundesländer vor größere Herausforderungen stellen.“

Die Raffinerie im brandenburgischen Schwedt hänge politisch und technisch weiter zu 100 Prozent am russischen Öl, und an den Produkten wiederum ein großer Teil Ostdeutschlands. In Schwedt endet die Erdölpipeline „Druschba“ (Freundschaft) mit Öl aus Russland, das in der Raffinerie PCK verarbeitet wird.

Auf der Suche nach alternativen Bezugsquellen für die Öl-Raffinerie in Schwedt: Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).
Auf der Suche nach alternativen Bezugsquellen für die Öl-Raffinerie in Schwedt: Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).
© Michele Tantussi/REUTERS

„Die von Bundesminister Habeck verfolgte Belieferung der Raffinerie über die Häfen Rostock und Gdansk ist wichtiger Teil einer Lösung“, sagte Schwarz. „Eine weitere Frage ist, wie schnell eine Raffinerie, die aktuell ausschließlich auf russisches Rohöl eingestellt ist, für die Verarbeitung anderer Öltypen angepasst werden kann. Ich bezweifle nicht, dass Deutschland genug Know-how und hervorragende Ingenieure hat, um diese Aufgabe zu lösen.“ Aber wie schnell und welche Kapazitäten die Raffinerie dann liefern könne, sei keine triviale Frage.

„Auch beim Gas müssen wir auf alle Eventualitäten vorbereitet sein“, forderte Schwarz. Deshalb sei schnell eine enge Abstimmung zwischen dem Bund und den ostdeutschen Ländern nötig und ein gemeinsames Verständnis davon, wie die Öl- aber auch Gasversorgung für Ostdeutschland gesichert werde. Das gelte auch für die Frage, welche Szenarien und Entscheidungskriterien die Bundesnetzagentur für den Fall ausbleibender Gaslieferungen entwickelt habe. „Ich verstehe, dass das eine unglaublich komplexe Aufgabe und ein ziemlicher Drahtseilakt ist“, sagte Schwarz. „Aber das darf den Bundesländern im Fall der Fälle nicht erst kurzfristig eröffnet werden.“

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Habeck: Sorgen für Berlin und Brandenburg vor

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hatte eingestanden, dass ein Öl-Embargo für Berlin und Brandenburg erhebliche Folgen haben könnte. „Wir treffen Vorsorge, dass wir für den Fall eines Ausfalls von russischem Öl Wege finden, diesen Großraum Berlin und Brandenburg zu versorgen, auch über die Raffinerie Schwedt, aber für die Gegenwart stimmt das“, sagte Habeck am Montagabend in den ARD-„Tagesthemen“.

Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) warnte Habeck vor einem zu schnellen Embargo. „Wir werden ein Land sein, das eine Übergangsfrist benötigt“, sagt er dem Tagesspiegel. Man brauche mindestens bis Herbst, um Schwedt auch ohne den russischen Staatskonzern Rosneft weiter betreiben zu können. Auch warnte Steinbach vor öffentlichen Rosneft-Enteignungsdebatten, die das Risiko kurzfristiger Reaktionen Rosnefts erhöhen könnten. „Man sollte sich mit unbedachten Äußerungen zurückhalten.“

Eine zentrale Rolle für einen Weiterbetrieb Schwedts ohne russisches Öl spielt das Energieunternehmen Shell. Steinbach sagte am Montag, es habe zugesichert, Öl für PCK einzukaufen. Damit könnten 50 bis 60 Prozent der Kapazitäten gesichert werden. Der Prozentsatz könne möglicherweise noch durch Verhandlungen mit Polen erhöht werden. Man sei an verlässlichen Betriebsstrukturen zum Tag X interessiert, egal von wem ein Öl-Embargo ausgehe.

„Shell ist bereit, kurz- und mittelfristig Verantwortung zu übernehmen, für die Versorgungssicherheit und die Belegschaft in Schwedt“, sagte Steinbach. Die Shell Deutschland GmbH ist Miteigentümerin der Raffinerie - Mehrheitseigner ist der russische Staatskonzern Rosneft.

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Aus Sorge vor einem Öl-Embargo wandte sich am Montag auch die Stadt Schwedt in einem offenen Brief an Habeck und bat um ein persönliches Gespräch zur Zukunft der Region. „Wir sind noch völlig fassungslos über Ihre Ankündigung auf dem Twitter-Portal, die in unserer Stadt und Region mit großer Verunsicherung aufgenommen wurde“, heißt es in dem Schreiben.

Für den anstehenden Transformationsprozess brauche man den nötigen zeitlichen Vorlauf, wird in dem Brief betont. Man wünsche sich da keine „politischen Diktate“ aus der Ferne, sondern Handeln mit Bedacht und Weitsicht. (Tsp, dpa)

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