„Völlig fassungslos“ wegen Öl-Embargo: Raffinerie-Stadt Schwedt appelliert an Wirtschaftsminister Habeck
Ein Öl-Embargo hätte Konsequenzen für die Raffinerie PCK in Schwedt. Nun soll der Mineralöl-Konzern Shell seine Unterstützung zugesagt haben.
Die Stadt Schwedt/Oder hat sich in einem offenen Brief an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gewandt und um ein persönliches Gespräch zur Zukunft der Region angesichts des Öl-Embargos gebeten. „Wir sind noch völlig fassungslos über Ihre Ankündigung auf dem Twitter-Portal, die in unserer Stadt und Region mit großer Verunsicherung aufgenommen wurde“, heißt es in dem Schreiben, das am Montag Staatssekretär Michael Kellner bei einem Besuch in Schwedt übergeben wurde.
Habeck hält ein Öl-Embargo gegen Moskau wegen des Angriffs auf die Ukraine für machbar und sieht sich vorbereitet. Für den anstehenden Transformationsprozess brauche man den nötigen zeitlichen Vorlauf, wird in dem Brief betont. Man wünsche sich da keine „politischen Diktate“ aus der Ferne, sondern Handeln mit Bedacht und Weitsicht.
In Schwedt endet die Erdölpipeline „Druschba“ (Freundschaft) mit Öl aus Russland, das in der Raffinerie PCK verarbeitet wird. Die Raffinerie ist mehrheitlich in Händen des russischen Staatskonzerns Rosneft und hat nach Angaben des Brandenburger Wirtschaftsministeriums 1200 Beschäftigte.
„Die Lichter gehen hier nicht sofort aus“
Das Bundeswirtschaftsministerium will die negativen Folgen eines Öl-Embargos für die Beschäftigten der Erdölraffinerie PCK in Schwedt/Oder vermeiden. „Die Lichter gehen hier nicht sofort aus“, sagte der Parlamentarische Wirtschaftsstaatssekretär Michael Kellner (Grüne) am Montag bei einem Besuch in Schwedt/Oder.
Es gebe strategische Rohölreserven, damit Menschen, Beschäftigte und Unternehmen weiter arbeiten könnten. „Wir als Bundesministerium werden alles für die Beschäftigten und Verbraucher tun". Der Anteil russischen Öls am deutschen Ölverbrauch ist nach Angaben von Bundeswirtschaftsminister Habeck innerhalb weniger Wochen von 35 auf 12 Prozent gesunken. Diese 12 Prozent laufen über die Druschba-Pipeline in Schwedt/Oder ein.
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Das Energieunternehmen Shell Deutschland führt Gespräche mit Vertretern aus der Politik über eine mögliche Unterstützung der Erdölraffinerie PCK in Schwedt/Oder nach einem möglichen Öl-Embargo gegen Russland.
Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) sagte am Montag, Shell habe zugesichert, Öl für PCK einzukaufen. Damit könnten 50 bis 60 Prozent der Kapazitäten gesichert werden. Der Prozentsatz könne möglicherweise noch durch Verhandlungen mit Polen erhöht werden. Man sei an verlässlichen Betriebsstrukturen zum Tag X interessiert, egal von wem ein Öl-Embargo ausgehe. Die Shell Deutschland GmbH ist Miteigentümerin der Raffinerie.
„Intensive Gespräche zwischen Wirtschaftsvertretern, Bund und Land“
„Die Äußerungen des brandenburgischen Wirtschaftsministers, dass Shell die PCK in Schwedt auch unter Inkaufnahme wirtschaftlicher Verluste unterstützen werde, um die Versorgung der Region aufrecht zu erhalten, haben wir zur Kenntnis genommen“, teilte Shell Deutschland der Deutschen Presse-Agentur mit. „Tatsache ist, dass aktuell intensive Gespräche zwischen Wirtschaftsvertretern, Bund und Land geführt werden.“ Shell wolle den Inhalt der Gespräche nicht öffentlich kommentieren.
Rosneft hält die Mehrheit an der Raffinerie und hat im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben das Vorkaufsrecht auf den Erwerb von 37,5 Prozent der Anteile von Shell ausgeübt. Damit würde der Konzern seinen Anteil an PCK von 54,17 Prozent auf 91,67 Prozent erhöhen. Das Bundeswirtschaftsministerium prüft den Anteilserwerb.
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Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte am Sonntag in der ARD bekräftigt, dass Deutschland ein Öl-Embargo gegen Russland befürwortet. Die Energieminister der EU-Staaten beraten an diesem Montag bei einem Sondertreffen unter anderem über Russlands Stopp von Gaslieferungen nach Polen und Bulgarien. (dpa)