Riesige Gruppen, illegale Partys: Sollen Berliner Parks zur Corona-Bekämpfung eingezäunt werden?
Wenn die Nacht kommt, werden alle Regeln schnell vergessen. Tausende feiern immer wieder in Berlins Grünanlagen. Um Lösungen wird heftig gerungen.
Am Samstagabend war es wieder soweit: Nachdem die Dunkelheit eingesetzt und Parkläufer sowie Ordnungsamt ihre Arbeit eingestellt hatten, wurden Liegewiesen zu Tanzflächen, verwandelten sich Grünflächen in Pfandbrachen.
In der Hasenheide und dem gegenüber der Museumsinsel gelegenen James-Simon-Park musste die Polizei eingreifen und die Menschenmassen auseinandertreiben. Allein in Neukölln sollen sich mehrere Tausend Menschen versammelt und gefeiert haben, in Mitte und auch andernorts waren es Hunderte. Nicht überall jedoch musste die Polizei eingreifen und wo sie es tat, blieb ihr Agieren – anders als in der Vergangenheit – ohne Gegenwehr.
Die Frage aber bleibt: Wie umgehen mit großen Menschenansammlungen, die sich, verstärkt durch das Lockdown-Ende und Kontaktbeschränkungen, an lauen Sommerabenden treffen und die zurückgewonnene Freiheit genießen wollen?
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) gab am Montag eine Antwort, die weder bei den Betroffenen, noch bei Bezirken gut ankommen dürfte: Mit Zugangskontrollen, Zäunen und Sicherheitsdiensten, die ab einer bestimmten Uhrzeit den Zugang zu Parkanlagen kontrollieren sollten, müsste die Situation notfalls unter Kontrolle gehalten werden, erklärte Benjamin Jendro, Berliner GdP-Sprecher.
Den Bezirken warf er vor, ihrer Pflicht zur Erarbeitung von Konzepten im vergangenen Jahr – das Problem war bereits im Sommer 2020 immer wieder aufgetaucht – nicht nachgekommen zu sein.
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Der SPD-Abgeordnete Tom Schreiber setzte mit seiner Forderung nach Umzäunung des James-Simon-Parks sowie dessen Sperrung ab 22 Uhr noch einen drauf. Das spare große Polizeieinsätze, die Grünanlage könne sich erholen, sagte Schreiber und warb dafür, das Ganze als Pilotprojekt zu probieren.
Parks einzäunen? Kopfschütteln in den Bezirken
In den betroffenen Bezirken Friedrichshain-Kreuzberg, Neukölln und Mitte ernteten Jendro und Schreiber für ihre Vorschläge vor allem Kopfschütteln. „Nicht universal einsetzbar“ und „in dieser Pauschalität nicht wirklich verständlich“ hieß es aus dem Büro von Martin Hikel (SPD), Bezirksbürgermeister von Neukölln.
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„Grünanlagen sind öffentliche Flächen und sollen der Allgemeinheit zur Verfügung stehen. Die Einzäunung von Grünanlagen ist damit nicht vereinbar“, erklärte ein Sprecher von Stephan von Dassel (Grüne), Bezirksbürgermeister in Mitte.
Dessen Amts- und Parteikollegin Monika Herrmann aus Friedrichshain-Kreuzberg sprach von einem „schnellen Vorwurf“, der der Komplexität der Problematik nicht gerecht werde. Sehr wohl hätten die Bezirke, im Übrigen gemeinsam mit dem Polizei und Ordnungsämtern, in zahlreichen Gesprächsrunden Probleme analysiert und Möglichkten sondiert. Konkrete Maßnahmen wiederum blieben weitestgehend aus und Herrmann gesteht: „Wir als Arbeitsgruppe haben da noch keine Lösung gefunden.“
Warum stellen Bezirke keine Flächen für Clubs bereit?
Einig sind sich alle: So einfach, wie sich die GdP die Sache vorstellt oder sie darstellt, ist es nicht. Die Einzäunung der Hasenheide sei bereits 2020 diskutiert und verworfen worden, berichtet Hikels Sprecher und macht eine einfache Rechnung auf. Erstens koste die Umzäunung der 52 Hektar großen Fläche viel Geld, das der Bezirk nicht habe. „Zweitens wäre – alleine für die Hasenheide! – eine allabendliche Beräumung personell zu gewährleisten, die aufgrund der Weitläufigkeit und Uneinsichtigkeit der Hasenheide schwer vorstellbar und vor allem personell / finanziell nicht darstellbar ist.“ Hinzu käme, dass die Vorbereitung einer solchen Maßnahme viele Monate, wenn nicht gar Jahre dauern würde.
Bleibt die Frage: Warum stellen die Bezirke nicht Freiflächen zur Verfügung, auf denen legal und mit ausreichend Entsorgungsmöglichkeiten gefeiert werden darf? Für Neukölln hatte Bezirksbürgermeister Hikel zuletzt vorgeschlagen, das Vorfeld des Tempelhofer Feldes Clubs günstig zur Verfügung zu stellen. Klar sei: Nicht das Tanzen oder Feiern soll verboten werden, sondern dass es an ungeeigneten Orten wie eben der Hasenheide stattfindet.
Die Initiative ist eine Seltenheit. Bereits 2020 blieb ein entsprechender Aufruf von Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) an die Bezirke laut Pops Sprecher größtenteils ohne Reaktion. Lediglich Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf hatten sich damals bereiterklärt, eigene Flächen zur Verfügung zu stellen oder Veranstalter bei der Genehmigung zu unterstützen. Zumindest aus Lichtenberg hieß es am Montag, die Zusage gelte weiterhin.
13 Orte listet das Projekt „Draußenstadt“ auf
Berlinweit stehen nun zumindest erste Flächen für Open-Air-Partys und Veranstaltungen bereit. Insgesamt 13 Orte listet das Projekt „Draußenstadt“ derzeit auf. Darunter das Strandbad Plötzensee in Wedding, eine Park-and-Ride-Anlage in Heinersdorf oder eine Freifläche an der Wuhlheide.
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Organisiert wird das Projekt von der Senatskulturverwaltung, die Auswahl der Orte übernimmt die Clubcommission als Interessenvertretung der Clubs. Die Orte würden gerade durch die Clubcommission unter anderem mit Technik ausgestattet, teilte eine Sprecherin der Kulturverwaltung mit. „An einigen Orten können schon Veranstaltungen unter Hygienebedingungen stattfinden. Die Veranstaltungen starten ab August.“
Lutz Leichsenring, Sprecher der Clubcommission, bestätigt die Pläne, übt aber dennoch Kritik. Wie schon im vergangenen Jahr sei man zu spät dran, sagt Leichsenring und erklärt, die jetzt von der Problematik betroffenen Bezirke hätten präventiv mehr tun können.
Bereits in den Abendstunden Müllbeutel an größere Gruppen zu verteilen und diese direkt anzusprechen hätte helfen können, das Problem einzudämmen, sagt Leichsenring. Die durch wiederholte Negativmeldungen über ausufernde Partys entstehende Stigmatisierung treffe auch die Clubszene und führe dort zu Spannungen, erklärt Leichsenring. Konzepte habe die Szene schon lange in der Schublade, Politik und Verwaltung hätten die Situation schlicht „verpennt“.