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Französische Lebensfreude, ob mit oder ohne Akkordeon, findet in Berlin immer ihr Publikum - wie hier beim Französischen Volksfest am 13. Juli 2009 auf dem Pariser Platz.
© Doris Spiekermann-Klaas

Zur Präsidentschaftswahl im Nachbarland: So viel Frankreich steckt in Berlin

Bei der Wahl in Frankreich zittern viele Berliner mit. Ob es die Sprache ist, das Essen oder die Geschichte: Die Grande Nation hat in Berlin viele Spuren hinterlassen.

Städtepartnerschaft mit Glamour

Manchmal stimmt die Chemie zwischen den Bürgermeistern von Partnerstädten besonders gut. Dann findet echter Austausch statt. Das war der Fall, als Klaus Wowereit in Berlin und Bertrand Delanoe in Paris regierten. Gemeinsam stellten sie 2012 das Programm zur Silberhochzeit der Städtepartnerschaft vor, die aus Anlass der 750-Jahr-Feier Berlins 1987 begründet worden war. Nach Los Angeles war es erst die zweite Partnerschaft, damals noch mit der Halbstadt West-Berlin. Delanoe stieg gern am Pariser Platz ab und kam auch mal als Stargast zum Hoffest. Im Austausch der beiden bekennenden Homosexuellen ging es nicht nur um Kultur, sondern auch um Sorgenthemen, wie den Niedergang von Stadtquartieren. Und als die Moderatorin Sabine Christiansen den französischen Jeans-Unternehmer Norbert Medus heiratete, war Klaus Wowereit Trauzeuge, und Bertrand Delanoe sprang als Standesbeamter ein. Der französische Sozialist hatte als Politiker eine Marke vorgelegt, die den derzeitigen Regierenden Bürgermeister zum Neid verführen könnte. Bei der Kommunalwahl 2008 wählten ihn die Pariser mit 57 Prozent der Stimmen. Elisabeth Binder

Nur aus Liebe

Nicht dass die Franzosen sie erfunden hätten, aber sie gelten doch als Experten für l’amour. Ein toller Zeitvertreib, aber wie vieles im Leben nicht frei von Risiken und Nebenwirkungen. Gegen die wusste man sich früh zu schützen, nutzte erst Tierdärme, später Gummi. Doch erst dem Berliner Gummifabrikanten Julius Fromm gelangen nahtlose Kondome, 1916 markenrechtlich geschützt als „Fromms Act“. Im Liebesalltag üblicher ist aber noch heute der Name eines französischen, bereits Ende des 19. Jahrhunderts verkauften Produkts: Pariser. Andreas Conrad

Der Mini-Eiffelturm vor dem Centre Français de Berlin in der Weddinger Müllerstraße.
Der Mini-Eiffelturm vor dem Centre Français de Berlin in der Weddinger Müllerstraße.
© Jannik Becker

Eiffelturm mit Jägerzaun

Klischeehafter geht es eigentlich nicht: Vor dem „Centre Français de Berlin“ an der Müllerstraße 74 in Wedding steht eine Miniaturausgabe des Eiffelturms. Es ist die kleinere Berliner Version, etwa acht Meter hoch, mit der Trikolore obendrauf – und am Boden umrahmt von einem typisch deutschen Jägerzaun. Der kuriose Zwitter begrüßt dort als Sinnbild des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages seit 1969 die Gäste des 1960 gebauten Centre Français. Damals ließ Frankreichs Armee als Schutzmacht im Herzen des französischen Sektors von West-Berlin das sechsgeschossige Hochhaus errichten. Bis 1992 diente es offiziell als Kulturzentrum, es hieß „Centre Culturel de Wedding“, eine Bibliothek, ein Kino, Galerieräume und natürlich die Gourmet-Küche gehörten dazu. 1993 wurde das Haus umgetauft in „Centre Français de Berlin“, seither wird es von zwei sozialpädagogisch ausgerichteten und EU-orientierten Trägern betrieben. Diese bieten umfangreiche Hilfen und Beratungen zum deutsch-französischen Jugendaustausch an, es gibt ein frankophiles Kino- und Theater, das Restaurant „La Gourmanderie“ vom Förderverein Deutsch-Französische Esskultur und zahlreiche Seminarangebote. Was genau es zu entdecken gibt, lässt sich auf der Internetseite nachlesen: www.centre-francais.de Christoph Stollowsky

"Otto Lilienthal" ist ein Franzose

Der Flughafen Tegel trägt zwar den Namen des deutschen Flugpioniers Otto Lilienthal, aber eigentlich ist er ein Franzose. Denn als die Sowjets im Jahr 1948 die Blockade über West-Berlin verhängten, stimmte die französische Besatzungsmacht zu, dass in ihrem Sektor ein neuer Flugplatz gebaut wird. Er sollte die Luftbrücke unterstützen, die West-Berlin mit allem Lebensnotwenigen versorgte. In nur 90 Tagen war die Landebahn fertig, mit 2428 Metern damals die längste Europas. Eigentlich wollte die Stadt Kleingärten auf dem einstigen Militärübungsplatz anlegen – wegen der Wohnungsnot nach dem Zweiten Weltkrieg. Ab 1960 startet AirFrance regelmäßig ab Tegel, wie bis zur Wiedervereinigung überhaupt nur französische, britische und US-amerikanische Airlines nach West-Berlin fliegen durften. So kommt es, dass kurz nach dem Mauerfall viele DDR-Bürger ihren Jungfernflug Richtung Reisefreiheit in einer Maschine der West-Alliierten erlebten – nicht wenige unterwegs mit AirFrance in Richtung Paris. Björn Seeling

Das Maison de France mit dem Cinema Paris am Kurfuerstendamm.
Das Maison de France mit dem Cinema Paris am Kurfuerstendamm.
© imago/Schöning

Am liebsten ins Kino

Wenn man französische Filme, möglichst sogar im Original, sehen will, ist das Cinema de Paris am Kurfürstendamm die erste Adresse. 1950 war es als Teil des französischen Kulturzentrums Maison de France eröffnet worden, gemeinsam mit dem Institut français – eine Verbindung, die ihm sein Überleben sicherte. Gehörte das Gebäude nicht dem französischen Staat, wäre das Lichtspieltheater wie die meisten anderen früheren Ku’damm-Kinos wohl längst ein Konsumtempel. Zweimal war das Maison de France ernsthaft bedroht: 1983 war es Ziel eines vom Terroristen Carlos in Auftrag gegebenen und durch die Stasi unterstützten Bombenanschlags mit einem Toten und schweren Schäden am Gebäude. 2013 wurden Pläne der französischen Regierung bekannt, das Kulturinstitut in die Botschaft zu verlagern und das Haus zu verkaufen. Nach massiven Protesten wurde davon – Vive la France! – Abstand genommen. Andreas Conrad

Völlig unzensiert

Unzensiert West-Zeitungen lesen mitten in der Hauptstadt der DDR? Seit dem 27. Januar 1984 kein Problem – sofern man des Französischen mächtig war. An diesem Tag wurde Unter den Linden das Centre Culturel Français eröffnet. Es war das einzige westliche Kulturinstitut in der DDR, mit reichem Programm an Sprachkursen, Filmen, Aufführungen, Ausstellungen, der Bibliothek – und einer Kollektion von französischen Tages- und Wochenzeitungen. Andreas Conrad

Tafeln à al française

Der Genuss von Froschschenkeln gehörte beim Deutsch-Französischen Volksfest lange zu den exotischen Extravaganzen. Der Verzehr dieser bei Franzosen beliebten Delikatesse gilt schon lange nicht mehr als korrekt. Aber in manchen Lokalen ist er noch möglich, etwa im „La Bonne Franquette“ in der Nähe des Naturkundemuseums. Häufiger sind Schnecken in Knoblauchbutter. Die Brasserieen „Lamazere“ und „Le Paris“ gehören zu den Favoriten der Berliner, wenn es um Savoir Vivre geht. Die „Paris Bar“ ist nach wie vor ein beliebtes Ziel für Prominente. Eine gute Wahl sind auch die Lokale „3 Minutes sur Mer“ in der Torstraße und „Heising“ in der Rankestraße. Elisabeth Binder

Die französische Botschaft am Pariser Platz
Die französische Botschaft am Pariser Platz
© Mike Wolff

Der Kaiser als Pferdedieb

Immer wieder hat der Berliner seinen Wortwitz bewiesen, auch an der Quadriga. „Retourkutsche“, so hat man das Pferdegespann nach seiner Rückkehr aus Paris genannt, während Napoleon, in dessen Auftrag sie 1805 abmontiert worden war, schon mal als „Pferdedieb von Berlin“ galt. Am 7. August 1814 wurde die zurückgekehrte Quadriga erneut enthüllt, wenige Wochen später erhielt der Pariser Platz seinen Namen – zur Erinnerung an den Einzug der alliierten Armeen 1814 in Paris. Dies hielt die Franzosen nicht davon ab, 1835 im dortigen Palais Beauvryé ihre Gesandschaft einzurichten, aus der 1871 Frankreichs Botschaft wurde. Andreas Conrad

Keene Fisimatenten, Kleener!

Vielen Begriffen merkt man die französische Herkunft gar nicht an. Im Kontakt mit Hugenotten und später Napoleons Soldaten halb verstandene Wörter flossen als Berlinismen in unseren Jargon. Mit solchen Verballhornungen haben wir es zu tun, wenn uns vor Angst blümerant wird (bleu mourant, sterbendes Blau, blassblau) oder das Brot alle ist (C'est allée, es ist ausgegangen). Muckefuck war mocca faux (falscher Mocka, da mit Zichorien verlängert). Die Fisimatenten (faule Ausreden) sollen von dreisten Einladungen napoleonischer Soldaten an Mädchen in ihr Zelt (Visitez ma tente!) herrühren. Und in mutterseelenallein steckt: Moi tout seul (ich ganz allein). Brigitte Grunert

Zuflucht im „Collège Royal“

Hautnah erleben viele Schüler und Lehrer des Französischen Gymnasiums die Wahl am Sonntag mit: Die französischen Osterferien, die für diese älteste öffentliche Schule Berlins maßgeblich sind, dauern nämlich bis Montag, so dass ein Großteil der Schulgemeinschaft gerade jenseits des Rheins unterwegs ist und dort – je nach Alter und Staatsangehörigkeit – wählen geht. „Falls die Nationalisten an die Macht kommen, dürfte die Schule abermals ein Zufluchtsort werden“, vermutet ein französischer Berliner in Anspielung auf die Historie des Gymnasiums, das 1689 für geflohene Hugenotten als „College Royal Francais" gegründet worden war. Eines steht fest: Bislang haben nicht einmal deutsch-französische Kriege der Schule etwas anhaben können. Susanne Vieth-Entus

Auch Regisseur Werner Herzog ist Ritter der Ehrenlegion.
Auch Regisseur Werner Herzog ist Ritter der Ehrenlegion.
© Neubauer/dpa

Ritter ehrenhalber

Was haben Hermann Rudolph, Sabine Christiansen und Werner Herzog gemeinsam? Der langjährige Tagesspiegel-Herausgeber, die Moderatorin und der Filmregisseur sind Ritter der französischen Ehrenlegion. Der Nationalorden wurde einst auf Initiative des Ersten Konsuls Napoleon Bonaparte 1902 geschaffen, um hervorragende Verdienste zu würdigen. Verliehen wird er in unregelmäßigen Abständen in der französischen Botschaft am Pariser Platz. Elisabeth Binder

Eclairs vom Meister

Seine spitzen Schrippen im KaDeWe sind Kult und die Schokoladen-Eclairs ein Traum. Erfunden hat solche Köstlichkeiten der 2009 verstorbene Gaston Lenotre. In Frankreich galt er als Revolutionär der Patisserie. Buttercreme- und Zuckerbomben schickte er in Pension, stattdessen bereitete er leichte Kuchenkreationen mit vielen Früchten und feinem Mousse. Seine erste ausländische Dependance (vor Japan und Las Vegas) eröffnete er 1975 in Berlin. Und hier, quelle surprise, feierte er 1990 m Anschluss an eine Gala bei Pomp Duck & Circumstancea auch in seinen 75. Geburtstag hinein. Nach einer stehenden Ovation der besten Köche Deutschlands und dem Anschnitt der Geburtstagstorte und den ersten Glückwünschen verschwand der charmante Zuckerbäcker in der Küche. Elisabeth Binder

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