Hochzeitstrends: So geben sich die Berliner das Ja-Wort
In Berlin wird wieder geheiratet, trotz Singlehauptstadt und Terminwahnsinn. Nur: Wer soll das bezahlen? Und: Welche Kleider, Locations, Extras sind im Trend?
Friederike Butzengeiger und Andreas Jüttemann haben sich gefunden. Sie gehören zu den Berliner Paaren, die sich in diesem Sommer trauen lassen. Oder vielmehr trauen lassen können, das muss man in Berlin schon dazu sagen. Denn so einfach ist das alles nicht – und das liegt nicht nur an den Terminproblemen der Standesämter.
Eigentlich träumten die Logopädin und der Psychologe, beide Anfang 30, von einer klassischen Berliner Hochzeit: in einem kleinen Schlösschen in Brandenburg. Im November 2017 begannen sie mit der Suche nach ihrer Hochzeitslocation im Grünen. Etwa vier Monate und 30 Besichtigungen später gaben sie auf: zu teuer. „Es ist, als hätten sich alle Anbieter abgesprochen“, sagt das Paar.
Es ist Mai, die Sonne scheint, die Hochzeitssaison hat begonnen. Immer mehr Berliner wagen den Schritt zur erhofften lebenslangen Bindung: Von 2008 bis 2017 wurden in der Hauptstadt 125.684 Ehen und 7612 Lebenspartnerschaften geschlossen. Der vorläufige Rekord wurde 2016 mit 13.183 Hochzeiten erreicht, 2017 waren es aber nur knapp 100 weniger.
Insgesamt geht die Hochzeitskurve im Zehnjahrestrend nach oben: 2008 waren es noch 11.708 Eheschließungen. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Scheidungen ab. Während 2008 noch mehr als 10.000 Ehen geschieden wurden, gab es 2017 in Berlin nur noch 6120 Scheidungen. Und das in der Hauptstadt der Singles: Nirgends in Deutschland leben so viele Menschen ohne Partner. 36 Prozent sind es einer Studie von zwei großen Datingplattformen zufolge.
Heiraten ist teuer
Friederike Butzengeiger und Andreas Jüttemann konnten kaum glauben, was das alles kosten soll: 7000 bis 8000 Euro sollten sie überall zahlen, nur für Essen und Trinken für 50 bis 60 Gäste. Zu viel für sie, schließlich kommen noch weitere Posten dazu: für Musik, Licht, Personal, Kleid und Anzug, Deko und vieles mehr.
Kurios muteten so manche Extrakosten an: 2,50 Euro „Gabel und Tellergeld“ pro Person wollte eine Location berechnen, wenn sie den Hochzeitskuchen selbst mitbringen. 100 Euro dafür, dass ein DJ den Stecker seiner Musikanlage in die Steckdose steckt. In Berlin wurden sie in Hotels dann von Mindestumsätzen von bis zu 20.000 Euro überrascht. Ab 24 Uhr wird’s nochmal teurer, mancherorts darf nur bis 22 Uhr gefeiert werden.
"Wedding Planner" organisieren die Party
Solche Kosten können Sarah Linow nicht schockieren. Die gelernte Hotelfachfrau hat sich 2009 als „Wedding Planner“ selbstständig gemacht und betreibt die laut eigenen Angaben größte Agentur für Hochzeitsplanung in Berlin mit vier Mitarbeitern.
Sie sucht die Location, hat Kontakte zu Fotografen, Caterern, DJs, Dekospezialisten und Stylisten. Eine deutsche Durchschnittshochzeit habe meist um die 60 Gäste, mit 15.000 Euro mit allem Drum und Dran müsse man schon rechnen.
Sie hat bisher mehr als 200 Hochzeiten organisiert und spürt in ihrer Arbeit, dass angehende Brautpaare heute bereit sind, mehr Geld auszugeben als früher – auch für professionelle Hochzeitsplaner. „Vor ein paar Jahren wurde darüber noch hinter vorgehaltener Hand gesprochen, jetzt werden die Wedding Planner im Freundeskreis weitergereicht“, sagt Linow.
Das sieht man auch daran, dass es allein in Berlin und Brandenburg mehr als zwei Dutzend Anbieter gibt. Einige von ihnen sind auf schwul-lesbische Hochzeiten spezialisiert. Überhaupt habe sich das Heiratsverhalten der Berliner in den vergangenen Jahren stark verändert: „Die Hochzeit ist heute nicht mehr so sehr Do-it-yourself-Gartenparty mit Vintage-Klamotten und Federn wie bei Oma im Garten, sondern die Leute wollen wieder eleganter heiraten“, sagt Linow.
Heute gebe es Anbieter für alles: Von der Fotobox über handgeschriebene Namenskärtchen bis hin zu Gastgeschenken und „Candy Bars“ mit Süßigkeiten für die Gäste. Viele Trends kommen aus den USA, Linows Kunden entdecken häufig Bilder im Internet, auf Plattformen wie Instagram oder Pinterest, und wollen dann so etwas auch für die eigene Feier.
„Wir sind aber in Deutschland noch nicht so spezialisiert, was den Hochzeitsmarkt angeht“, sagt Linow. Besondere Tortenplatten oder Riesenherzen muss sie dann im Ausland bestellen.
Apropos Ausland: Aus aller Welt kommen Paare nach Berlin, um zu Heiraten. Darunter nach Linows Beobachtungen besonders viele US-Amerikaner, Kanadier, Skandinavier und Menschen aus Dubai. Für sie ist Berlin immer noch billig, und vor allem: cool.
Im Gegensatz zu den ausländischen Hochzeitsgesellschaften, die meistens in der Stadt selbst feiern, zieht es die Berliner eher ins Umland. „Das Schloss in Brandenburg ist immer noch Trend“, sagt Linow.
Von diesem Traum haben sich Jüttemann und Butzengeiger verabschiedet. Sie werden nun in Kreuzberg heiraten, auf einem Restaurantschiff. Das Essen verbringen sie lediglich im engsten Kreis, die Berliner Freunde kommen dann zur Feier nach. Zum Glück hängt der perfekte Hochzeitstag letztlich nicht vom Budget ab.
Brautmode: Jumpsuits, Second Hand, schlichte Eleganz
Hat man die richtige Location gefunden, ist die Suche noch lange nicht vorbei. Das richtige Kleid oder den richtigen Anzug zu finden, kann einfach sein – aber auch sehr kompliziert. Angebote gibt es in Berlin auf jeden Fall genug.
58 Läden allein für Brautmode sind in den Gelben Seiten aufgeführt. Und selbst in Berlin heiraten Frauen immer noch vor allem in Weiß und Männer in dunklem Anzug mit hellem Hemd. „Im Hochsommer greift zwar der eine oder andere Mann zum beigen oder weißen Anzug, aber das bleibt die Ausnahme“, sagt Friederike Mauritz, Vorsitzende des Bundes deutscher Hochzeitsplaner in Frankfurt.
Wichtig sei auch, dass die Hemdfarbe zum Kleid passe. Die Preise für Hochzeitskleider beginnen bei um die 200 Euro – nach oben offen. Für Anzüge samt Hemd und Krawatte muss man mit mindestens 350 Euro rechnen, aber auch hier gilt: Teurer geht immer.
Wem Nachhaltigkeit am Herzen liegt oder wer gerne ein Designerkleid hätte, sich das aber eigentlich nicht leisten kann, ist bei „Fräulein Weiß“ in Schöneberg an der richtigen Adresse. Hier gibt es ausschließlich gebrauchte Kleider.
Das Motto des 2014 eröffneten Ladens: „Gib jedem Kleid die Chance auf einen weiteren wundervollen Moment.“ Die Idee kam den Betreiberinnen, nachdem sie selbst in ihrem Traumkleid geheiratet hatten und es danach im Schrank hing.
Die Preise für die Second-Hand-Kleider gehen bei 100 Euro los, die meisten Roben kosten zwischen 300 und 700 Euro. Für eine Anprobe in gemütlicher Wohnzimmer-Atmosphäre braucht man einen Termin – dafür nehmen sich die Inhaberinnen dann auch viel Zeit für die Beratung.
Und was ist dieses Jahr Trend? Die Frauenzeitschrift „Elle“ schreibt, 2018 sei „schlichte Eleganz angesagt“. Das bedeutet Brautkleider mit puren Schnitten, nicht so viel Rüschen, Tüll, Schleifen oder Reifröcke. Auch Jumpsuits oder Anzüge in Weiß kommen immer mehr in Mode.
"Kenne keine Braut, die das macht"
Und ein Kleid leihen? „Ich kenne keine Braut, die das macht“, sagt Hochzeitsplanerin Sarah Linow. Das würde sich finanziell auch nicht lohnen, weil die Leihgebühr um die 250 Euro betrage – fast so viel wie ein günstiges neues Kleid. Das Wiederverkaufen und der Second-Hand-Erwerb sei aber derzeit en vogue.
Bei den Herren geht der Trend zu mehr Eleganz. Accessoires wie Manschettenknöpfe oder Einstecktücher seien wieder häufiger zu sehen, heißt es auf Hochzeitsblogs im Netz. Wenn nach der Miete für die Location, dem Preis fürs Catering und den Ausgaben für die Hochzeitskleidung noch Geld übrigbleibt, wartet ein immer spezialisierterer Hochzeitsmarkt darauf, entdeckt zu werden.
Online-Plattformen wie Foreverly und WonderWed vermitteln Dienstleister für Blumenarrangements, Hochzeitsfotografie und Videos und „Candy Bars“ genannte Süßigkeitenstände. Wedding Designer bieten ganze Designkonzepte an, die sich als roter Faden durch das Fest ziehen und im besten Fall auch noch die Geschichte des Paares wiederspiegeln sollen. Richtig teuer kann außerdem die Musik werden: Hochzeits-DJs rufen für fünf Stunden Preise von bis zu 800 Euro auf.
Location: "Shabby Chic" oder "Berlin-Style"
Beliebte Hochzeitsorte müssen meist mehr als ein Jahr im Voraus gebucht werden. Nicht nur muss man früh dran sein, um einen Termin am Ort seiner Wahl zu ergattern. Man muss auch einiges dafür einplanen: Die Location ist das, was bei der Hochzeit am teuersten zu Buche schlägt.
Allein für die Miete werden nach Einschätzungen von Hochzeitsplanerin Sarah Linow mindestens 100 Euro pro Gast fällig. „Was dann noch vom Budget übrig bleibt, muss auf den Rest aufgeteilt werden“, sagt sie. „Es ist eben etwas anderes als ein Geburtstag. Man bespricht jedes Detail stundenlang.“
Während internationale Hochzeiten häufig in großen Sälen gefeiert werden, finden klassische deutsche Feiern oft in Hotels statt – oder eben im grünen Brandenburg. Aber auch der industrielle Charme einer alten Fabrikhalle ist beliebt: Für eine solche in Wedding werden allerdings schon mal 9000 Euro fällig – nur für die Miete.
Begehrt bei Luxus-Liebhabern, die es sich leisten können, ist auch das Soho House in Mitte. Hier kostet eine Party im „Berlin-Style“ dann schon mal 20.000 bis 40.000 Euro. Eine Feier in „shabby chic“ sei noch immer angesagt, sagt Linow.
Swingerlocation als Hochzeitsort
Zum Beispiel im Von Greifswald, einer ehemaligen S-Bahn-Halle mit großen Fenstern und Dielen, die ein bisschen Scheunen-Charakter versprüht – und das mitten in Prenzlauer Berg. Wenn man die Deko dann elegant halte, ergebe sich ein toller Kontrast zu der rustikalen Umgebung, findet die Hochzeitsplanerin.
Sie mag aber auch moderne Orte wie die Kunztschule am Checkpoint Charlie, die ganz in Weiß gehalten ist. „Da kann man viel draus machen.“ Die skurrilste Anfrage, die Kunden je an sie gerichtet haben? Einmal habe ein Paar nach einer Swingerlocation für die Hochzeitsfeier gesucht. Die Planung sei aber nie zustande gekommen.
Die Bewirtung der Gäste gilt ebenfalls als einer der größten Kostenfaktoren. Pro Person kann ein gutes Essen schon mal 35 Euro kosten, manchmal kommen noch Gebühren für Besteck und Teller hinzu. Dazu kommt dann noch Servicepersonal und das Zubehör, um die Speisen warm zu halten. Und getrunken werden muss ja auch noch (was beim Essen mit mindestens 10 Euro pro Person zu Buche schlägt).
Der wichtigste Tipp also: Es sollte vorher gut überlegt sein, wie viele Gäste kommen und welche Qualität die Speisen haben sollen. Da können 30 Gäste weniger schon einen großen Unterschied machen. Manche Hochzeiten beginnen mit Fingerfood und Sektempfang, andere verzichten auf solche luxuriösen Extras – was wiederum dem Budget zugute kommt.
Was essen wir denn?
Die wichtigste Frage lautet: Soll es ein lockeres Hochzeitsbuffet oder ein edles Drei-Gänge-Menü inklusive Dessert werden? So oder so: alle Gänge und Komponenten des Hochzeitsessens sollten zueinander passen, nicht nur kulinarisch, sondern auch thematisch und farblich. Und vor allem zum Brautpaar.
Steak, Fisch und eine vegetarische Alternative sind immer noch die beliebtesten Optionen, wobei immer mehr angesagte Caterer den Markt erreichen und mit Food-Trucks und anderem Ausgefallenem überraschen. Nachts planen viele Paare noch einen Snack.
Zudem gilt: Wer eine Hochzeit in einer Gaststätte, in einem Gutshof oder einer anderen Location organisiert, muss sich oft um nichts mehr kümmern. Extrakosten für Geschirr fallen weg und die Planung wird etwas einfacher.